Protokoll der Sitzung vom 19.08.2010

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: Welche Erkenntnisse liegen vor, dass sich der DGB angeblich nicht von Linksautonomen distanziert hat?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Leuschner, das sind nicht diejenigen, die zu Massenblockaden aufgerufen haben; das ist insgesamt der Bereich. Den DGB habe ich hier nicht genannt - das können Sie nachlesen, wenn das Protokoll verteilt worden ist - und würde ich auch nicht mit in einen Topf rühren wollen.

Ich will Ihnen noch einmal genau die Störerkategorisierung mitteilen, sie liegt mir mittlerweile vor.

Erstens gibt es die Kategorie Gelb. Kriterien der Störer: Personen, deren Zugehörigkeit zu extremistischen Gruppierungen erkennbar ist; die Gruppe oder die Person ist im Zusammenhang mit der Begehung versammlungsbezogener Straftaten bekannt, ohne dass zurzeit konkrete Straftaten begangen werden bzw. Vorbereitungen hierzu erkennbar sind; Mitläufer, die nur wenig eigene Aktivität, aber Solidarität, Widerstand im Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen entwickeln. Verhalten: Abschottungsverhalten gegenüber Einsatzkräften; Skandieren extremistischer Parolen; Blockbildung in Aufzügen; Nähe zu Aktivisten wird gesucht; bedingt ansprechbar; nicht gerade kooperativ; weichen polizeilichem Druck oft aus; reagieren auf Provokationen Andersdenkender lautstark usw.

(Zurufe von den LINKEN)

- Entschuldigung, nein. Das sind diejenigen, die aus der Situation heraus gewaltbereit sind und dann auch Gewalt ausüben. - Das ist die Kategorisierung Gelb.

Jetzt kommt Rot. Personen: bekannte extremistische Straftäter; bewaffnete Personen und Rädelsführer; gezielte Begehung von Straftaten aus der Gruppe heraus; Depots werden angelegt; Instrumentalisieren anderer Versammlungsteilnehmer; Straftaten durch Kleingruppen vor, während und nach der Versammlung etc. Bekleidung und Bewaffnung sind auch noch einmal dargelegt.

Das heißt, es gibt bundesweit eine klare Definition. Insofern ist das nicht zu diskutieren.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wie heißt die? Wer ist davon was?)

Die nächste Zusatzfrage stellt nicht Kollege Wenzel, sondern Kollege Briese.

Herr Präsident! Ich möchte noch einmal auf das Problem der mangelnden Polizeikräfte zurückkommen, das Grund für die Gefahrenprognose war, und die Landesregierung fragen: Welche konkreten Anfragen an benachbarte oder andere Bundesländer hat es gegeben, um weitere Polizeikräfte für den Einsatz zu rekrutieren? Wie und mit welcher Begründung wurden diese dann abschlägig beschieden?

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE])

Herr Minister!

Das Verfahren läuft so: Nachdem die Gefahrenprognose unabhängig von der Polizeidirektion Göttingen durchgeführt worden ist, gibt es eine Kräfteanforderung an das Innenministerium. Dort ist das Lagezentrum verantwortlich, das landesweit koordiniert, welche Einsatzgruppen oder Einheiten tatsächlich zur Verfügung stehen; die Zahlen habe ich Ihnen genannt.

Da 500 gefehlt haben, ist zweimal in allen Bundesländern und auch bei der Bundespolizei schriftlich angefragt worden. Jedes Mal ist aus allen Ländern leider abschlägig geantwortet worden, dass diese 500 nicht zur Verfügung stehen können.

Ich hatte in meiner Antwort dargelegt, dass auch ein anderes Bundesland - wenn ich es richtig in Erinnerung habe, war es Sachsen - an diesem Wochenende keine ausreichende Unterstützung bekommen hat, weil die Kräfte bundesweit nicht zur Verfügung gestanden haben. Das ist ein standardisiertes System. Das läuft immer so ab.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Bachmann stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Minister, im Vorfeld solcher Demonstrationsanmeldungen gibt es ja Kooperationsgespräche. Sie haben das Wort „Kooperation“ selbst in den Mund genommen. Da ich weiß, dass mit den Anmeldern der NPD im Vorfeld solche Kooperationsgespräche geführt werden - das ist üblich -, frage ich Sie mit Blick auf Ihre Besorgnisse und Unter

stellungen, die sich ja in dem Umfang alle nicht bewahrheitet haben:

(Zuruf von der CDU: Gott sei Dank!)

Welche Kooperationsgespräche haben Sie dem Bündnis in Bad Nenndorf unter Federführung des DGB angeboten? Welche wurden durchgeführt? Haben Sie ihnen die Chance gegeben, Ihre Sorgen im Vorfeld auszuräumen?

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Versammlungsbehörde, d. h. in diesem Fall der Landkreis Schaumburg, ist grundsätzlich dafür zuständig, solche Kooperationsgespräche bei der Anmeldung durchzuführen. Ich gehe davon aus, dass das auch passiert ist. Ich habe eben noch einmal nachgefragt, aber es ist uns nicht zur Kenntnis gebracht worden - zumindest ist das im Moment nicht klar -, ob sie auch durchgeführt worden sind.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Lie- fern Sie uns das nach?)

Aber auch bei dem Erörterungstermin vor Gericht ist noch einmal entsprechend nachgefragt worden. Und da ist keine Kooperationsbereitschaft da gewesen - zumindest ist das in der Begründung so festgehalten worden. Und dann habe ich keinen Zweifel daran, dass das vor Gericht so gewesen ist.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Liefern Sie die Antwort nach?)

Herr Kollege Wenzel stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Landtagspräsident! Herr Minister, kann es sein, dass Sie vorhin die beiden Kategorien, die Sie gebildet haben - Gelb und Rot oder gewaltgeneigt und gewaltbereit -, die beiden Unterscheidungen, die Sie getroffen haben, durcheinandergeworfen haben und die Personen, denen Sie unterstellt haben, dass sie sich an einem Akt des zivilen Ungehorsams beteiligen bzw. die sich vor

stellen konnten, sich an einem solchen Akt zu beteiligen - wobei Sie die Bandbreite des rechtlich Zulässigen ja aufgezeigt haben -, möglicherweise als gewaltbereit oder gewaltgeneigt mit in Ihre Gefahrenprognose aufgenommen haben? - Anders ließe sich diese Zahl von 500, glaube ich, gar nicht erklären.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Minister, bitte!

Nein, ich habe genau die Kategorisierung vorgelesen, die bundesweit einheitlich umgesetzt wird. Ich habe auch nicht von 500 Linksautonomen gesprochen, sondern von 300 und von bis zu 200 Rechtsautonomen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Die Prog- nose spricht aber von 500!)

- Ja, das ist so. Das war auch so. Genau nach dieser Kategorisierung, die ich dargelegt habe, ist die Prognose vorgenommen worden. Das wird nicht nur landesweit, sondern auch bundesweit so vorgenommen. Andere werden nicht darunter gefasst.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Limburg stellt die nächste Zusatzfrage.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vor dem Hintergrund - das würde ich gerne noch nachschieben - der Tatsache, dass sich meine Fraktion im Großen und Ganzen dem Lob aus der CDU-Fraktion für den Polizeieinsatz am Tag der Demonstration selber anschließt - es gibt kleine Kritikpunkte, aber im Großen und Ganzen schließen wir uns dem Lob ausdrücklich an -, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass infolge der Verbote und des Hin und Her im Vorfeld - Verbot der DGB-Demonstration, Verbot der Bündnisdemonstration - sogar ein Sportfest des Sportvereins Bad Nenndorf - ein friedliches Sportfest, organisiert von Jugendlichen, das als Protest gegen Nazis stattfinden sollte - abgesagt wurde, frage ich die Landesregierung: Wie wollen Sie zukünftig, in den kommenden Jahren, Menschen aus Bad Nenndorf und Umgebung

zu friedlichem Protest motivieren, wenn damit zu rechnen ist, dass aufgrund des Verhaltens der Versammlungsbehörde sogar von Jugendlichen organisierte Sportfeste nicht stattfinden können?

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei den LINKEN - Jens Nacke [CDU]: Das Problem sind nicht die aus Bad Nenndorf und Umgebung!)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht beurteilen, ob das am Verhalten der Versammlungsbehörde gelegen hat. Die Versammlungsbehörde hat aus meiner Sicht völlig richtig gehandelt; denn sie hat aufgrund der vorliegenden Prognose beide Veranstaltungen verboten.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das OVG hat gesagt, die haben falsch gehan- delt!)

- Ich habe Ihnen ja auch einen Grund genannt: Die Zeit reichte nicht aus, um diese Gefahrenprognose gerichtlich zu überprüfen. Das war der Punkt. Sie hat durchaus erkannt, dass die Stärke der Polizeikräfte nicht ausreicht, um beide Veranstaltungen uneingeschränkt durchzuführen. Das hat sie zumindest ganz eindeutig gesagt. Dass das richtig gewesen ist, hat ja der Ablauf am 14. August gezeigt.

Die konkrete Frage war, wie man in der Zukunft sicherstellen will, dass beispielsweise Jugendliche bei einem Sportfest ihren Protest darstellen können. - Dazu müssen wir alle beitragen. Insbesondere eine Seite kann dazu beitragen - ich glaube, darauf habe ich hier eindrucksvoll hingewiesen -: Gerade diejenigen, die zu friedlichem Protest aufrufen, müssen ihren Beitrag dazu leisten. Das ist meines Erachtens ein ganz entscheidender Faktor. Ich glaube, diesen Appell muss ich hier nicht noch einmal wiederholen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Brunotte von der SPD-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage.