Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Frage des Kollegen Limburg, wie Gegendemonstrationen gegen sogenannte Trauermärsche in Zukunft gewährleistet werden sollen, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie, Herr Schünemann, gerade ausgeführt haben, dass mehr als 30 Ordner abgelehnt wurden, weil sie vorbestraft waren und somit nicht als Ordner beim „Trauermarsch“ zur Verfügung stehen konnten, frage ich: Warum konnte es trotz guter Vorbereitung durch die Polizei und scheinbar sehr detaillierter Gefahrenprognosen - dazu muss ich sagen: wer von 40 Autonomen Nationalisten in Niedersachsen ausgeht, der hat damit wohl die Region Hannover gemeint, aber nicht ganz Niedersachsen -
dazu kommen, dass es nach dem „Trauermarsch“ Übergriffe von Rechtsextremen in Minden gab und einen Versuch von bis zu 60 Neofaschisten, das Jugendkulturzentrum „Wohnwelt“ in Wunstorf anzugreifen, der nur durch einen Streifenwagen der Polizei unterbunden werden sollte? Wie konnte das passieren?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist gerade berichtet worden, dass die Polizei, als sie davon Kenntnis erhalten hat, sofort vor Ort gewesen ist. Durch den Einsatz der Polizei ist die Situation sofort geklärt worden. Es ist dort also nicht zu irgendeiner Eskalation gekommen. Das heißt, die Polizei hat auch hier vorbildlich gehandelt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schünemann, Sie haben vorhin ausgeführt, warum die Gegendemonstration bzw. -kundgebung nicht stattfinden konnte, die Demonstration der Neofa
schisten aber schon. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Spielt es denn bei der Genehmigung überhaupt gar keine Rolle, dass bei solchen NeonaziDemos immer wieder verfassungsfeindliche Lieder oder Parolen zu Gehör gebracht werden? Spielt es in diesem Fall keine Rolle, dass mindestens einer der Organisatoren der Neonazi-Demo wegen Volksverhetzung vorbestraft ist? Könnten diese Punkte nicht dazu führen, dass so eine Demonstration nicht stattfinden darf? - Dazu vielleicht auch der Hinweis auf die Internetrecherche, wo man das schon sehen konnte.
(Zustimmung bei der LINKEN und von Helge Limburg [GRÜNE] - Ingrid Klopp [CDU]: Also jetzt reicht es! - Jens Nacke [CDU]: Wenn man das mal zu Ende denkt!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Insbesondere während des sogenannten Trauermarsches - ich muss es leider so feststellen - haben sich die Rechtsextremen sehr still verhalten. In dem Zusammenhang haben keine Rechtsverstöße, wie Sie sie genannt haben, stattgefunden.
- Ich muss ja wenigstens erst einmal die Tatsachen schildern können. - Nach Beendigung des „Trauermarsches“ wurde dieses verbotene Lied gesungen, und dann ist die Polizei dort auch sofort eingeschritten. Aber weil Polizeikräfte nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung gestanden haben - die 500 standen nicht zur Verfügung -, konnten nicht alle Identitätsfeststellungen durchgeführt werden. Das ist wahr. Trotzdem sind die Ermittlungen eingeleitet worden. Ich gehe davon aus, dass dies dann auch strafrechtliche Folgen hat.
Aber während des sogenannten Trauermarsches haben die Dinge, die Sie dargestellt haben, nicht stattgefunden. Sogar die Aufrufe zu diesem sogenannten Trauermarsch - schauen Sie sich das genauer an! - gehen genau in diese Richtung. Darin hieß es, solche Dinge während des Trauermarsches eben nicht zu machen. Das muss die Versammlungsbehörde und müssen auch die Gerichte berücksichtigen.
Dass es, wenn dort Verstöße stattfinden, eine andere Beurteilung geben kann, haben wir zum 1. Mai 2009 gehabt. Dort sind gerade auch diese Verstöße und diese Aufrufe in die Verbotsbegründung aufgenommen worden. Das hat auch dazu beigetragen, dass die Demonstration der Rechtsextremen verboten wurde.
Wann immer dies möglich ist, wird das mit berücksichtigt und der Versammlungsbehörde insbesondere von der Polizei beratend zur Kenntnis gegeben.
Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Frage wird von Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich möchte eine Frage stellen, die das Ganze ein bisschen ausweitet. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es das geschilderte sehr, sehr breite gesellschaftliche Bündnis in Bad Nenndorf gegeben hat und wir alle immer wieder dazu aufrufen, zivilgesellschaftliches Engagement gegen Neonazis zu zeigen, frage ich, wie Sie das Signal an die Bevölkerung und die Zivilgesellschaft in Bad Nenndorf beurteilen, das davon ausgeht, dass diese Menschen erlebt haben: Unsere Demonstration wird verboten, wir werden hier behindert, aber die Nazidemonstration wird erlaubt. - Das hat sich ergeben, weil ein Gericht so entschieden hat, aber auch, weil der Innenminister dieses Landes nicht in der Lage ist, unsere Demonstration entsprechend zu schützen und uns demonstrieren zu lassen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Helmhold, es ist völlig klar, dass dies schwierig zu vermitteln ist. Deshalb sind wir alle, auch Sie, aufgerufen, alles daran zu setzen, dass es eben nicht zu dieser Zweiteilung kommt. Die Gründe habe ich hier dargelegt. Ich hatte auch
Herrn Wenzel gesagt, dass es gut wäre, wenn wir über diese Gründe einmal unter vier Augen reden würden. Es war auch nicht so richtig gut, dass ich hier das über den DGB zitieren musste. Auch davon geht kein schönes Signal aus. Ich hätte mir das anders gewünscht. Wir hätten das hier nicht machen müssen. Aber Sie haben die Anfrage gestellt, und dann musste ich das hier darstellen.
- Entschuldigung! Wenn es gegen den Rechtsextremismus geht, sollten wir doch nun wirklich an einem Strang ziehen, und zwar möglichst auch in einer Richtung.
Nachdem wir telefoniert hatten, habe ich Ihnen diesen Hinweis gegeben. Aber es ist doch klar, dass ich das hier darstellen muss. Wenn Sie jetzt wiederholt nachfragen, müsste ich die ganze Begründung noch einmal darstellen. Ich glaube aber, das sollten wir uns ersparen. Das macht meiner Ansicht nach keinen Sinn. Stattdessen sollten wir - das biete ich an - einmal ein gemeinsames Gespräch mit den Fraktionen, dem DGB und dem Bündnis führen und prüfen, wie wir die Lage besser in den Griff kriegen können. Das wäre sinnvoll.
Ich habe das vor einigen Jahren übrigens schon einmal angeboten. Wir haben auch einmal im Innenausschuss darüber gesprochen, und der Kollege Bartling hatte dies als sinnvoll angesehen. Der DGB hatte darauf allerdings sehr zurückhaltend reagiert; da gibt es unterschiedliche Strömungen.
Also lassen Sie uns nach vorne schauen und sehen, wie wir das besser in den Griff bekommen, damit es nicht zu solchen Situationen kommt!
Zu dem zweiten Aspekt, den Sie angesprochen haben, dass der Innenminister nicht in der Lage sei usw. Ich sage Ihnen ganz offen - das bezieht sich auf ein Kamingespräch anlässlich einer IMK, weshalb ich sehr vorsichtig sein muss; ich kann keine Namen und nur die Tendenz nennen -: Nach dem 1. Mai 2009 mit seinen sehr schwierigen Situationen in Berlin, Hamburg und anderen Ländern haben wir darüber diskutiert, wie wir auf solche eskalierenden Demonstrationen reagieren müssen. Da habe ich das Beispiel aus Hannover angeführt, bei dem wir alle uns einig waren, dass es ein gutes Signal ist, dass eine rechtsextreme Demonstration auch einmal aufgrund eines polizeilichen Notstands verboten wird. Da habe ich übrigens nicht ein einziges Mal gehört, dass wir die Gefahren
Da ist die DGB-Veranstaltung auch verboten worden. Das hat aus polizeitaktischer Sicht auch Sinn gemacht. Ich muss natürlich die Urteile der Gerichte akzeptieren und habe sie auch nicht zu kritisieren. Aber aus rein polizeitaktischer Sicht macht ein Verbot nur einer Demonstration keinen Sinn, weil man es kaum in den Griff bekommen kann, diejenigen, die dort als Extremisten tätig werden wollen, die sich auch unter die Demonstranten der genehmigten Demonstration mischen können, auseinanderzuhalten. Das ist wahnsinnig schwierig. Deshalb habe ich zumindest fachliche Bedenken, wenn es zu unterschiedlichen Urteilen in diesem Zusammenhang kommt. Aber wir müssen sie insgesamt akzeptieren.
Es gibt jedoch durchaus Kollegen, die sagen, dass sie schon allein aus optischen Gründen nie den polizeilichen Notstand erklären würden, weil sie damit eingestehen würden, der Innenminister habe die Lage nicht im Griff. So kann man argumentieren; Sie können sich vorstellen, welche Landesminister das gesagt haben. Aber das ist nicht meine Einstellung, auch wenn ich dafür vielleicht kritisiert werde.
Wenn man sich die Bilder aus Hamburg und Berlin anschaut, dann wird deutlich, dass man dort nicht nur die Versammlungsfreiheit und das Demonstrationsrecht gewährleistet hat, sondern da ging es tatsächlich um schwere Körperverletzung. Da geraten Kinder und Jugendliche, die dort ein Zeichen setzen wollten, in ernste Gefahr. Ich weiß nicht, was Sie als Eltern sagen würden. Würden Sie auf die Kinder einreden, ob sie dort wirklich demonstrieren wollen? Das kann dazu führen, dass man grundsätzlich nicht mehr demonstriert. - Das ist der eine Aspekt.
Der andere Aspekt, für den ich als Innenminister auch Verantwortung trage, ist: Wenn ich Polizeikräfte nicht in ausreichender Zahl zu Verfügung habe, bringe ich sie in eine Situation, in der ich sie gefährde und fast wissentlich - - - Ich will sehr vorsichtig sein, ich nehme das zurück. Ich bringe die Polizeibeamten in eine Situation, in der ich damit rechnen muss, dass sie gefährdet sind, dass auch sie Opfer schwerer Körperverletzung werden.
Da muss man abwägen. Es wäre völlig falsch, wenn der Innenminister in einer solchen Lage aus politischen Gründen oder auch wegen seines An
sehens - weil er sonst kritisiert werden könnte - anweisen würde: In Niedersachsen wollen wir grundsätzlich keinen polizeilichen Notstand. - Das wäre aus meiner Sicht nicht richtig.
Aus meiner Sicht wäre es in einigen Punkten sogar gefährlich. Deshalb halte ich mich als Innenminister gerade in diesem Bereich zurück. Es gibt das Instrument des polizeilichen Notstands. Bei seiner Anwendung hat sich der Innenminister aber zurückzuhalten. Da kommt es auf die Einschätzung der Fachleute an. Sie müssen sagen, ob es möglich ist oder nicht. Es geht darum, eine Gefährdung auszuschließen.
Das ist ein Spagat, den man machen muss: Das Demonstrationsrecht und die Versammlungsfreiheit sind hohe Güter. Deshalb muss man mit ihnen vorsichtig umgehen. Aber wenn die Gefahr droht, dass die Lage so eskaliert, dass friedliche Demonstranten zwischen Links- und Rechtsautonome geraten, muss das berücksichtigt werden.
Als ich bei der Lagebesprechung gehört habe, dass 200 Autonome Nationalisten kommen - - - So etwas hatten wir in dieser Größenordnung noch nicht. Sie müssen sich einmal anschauen, was Autonome Nationalisten sind. Autonome Nationalisten haben im Prinzip die gleichen Vorstellungen von Gewaltanwendung wie die Linksautonomen. Wenn beide Gruppen aufeinandertreffen und Jugendliche zwischen ihnen stehen - - - Bedenken Sie bitte auch, dass eine Stadt wie Bad Nenndorf räumlich begrenzt ist und welche Gefahren sich daraus ergeben können.
Wenn wir die 500 Kräfte nach zweimaliger Anforderung nicht bekommen, dann ist es nach Einschätzung der Fachleute auf jeden Fall richtig, im Sinne der Sicherheit zu argumentieren, damit die Kinder und Jugendlichen nicht gefährdet werden,
Dass das Oberverwaltungsgericht zu einer anderen Entscheidung gekommen ist - dazu habe ich Ihnen einen Punkt genannt -, ist das eine. Aber ich sage Ihnen eindeutig: Ich habe mir die Lage genau schildern lassen. Wenn es nicht die Einschränkung gegeben hätte, dass die Veranstaltung des DGB von 9 bis 11 Uhr zeitlich abgesetzt worden ist und die Veranstaltung der Rechtsextremen zeitversetzt vorgesehen wurde, und wenn nicht die Kurzfristigkeit gegeben gewesen wäre, dann wären nicht nur erheblich mehr Friedliche da gewesen - überhaupt