Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weil vielleicht nicht alle wissen, worum es geht, sage ich Ihnen noch einmal ganz kurz, worauf sich unser Entschließungsantrag bezieht. Den Mitgliedern des Landtages soll empfohlen werden, eine freiwillige Selbstverpflichtung einzugehen, den Finanzbehörden des Landes eine Kontovollmacht zu erteilen, jederzeit Auskünfte einholen und Einsicht in Kontounterlagen nehmen zu können. Die Vollmacht soll sich auf alle Konten beziehen, über die die Abgeordneten auf ihren Namen oder auf den Namen von Stiftungen oder anderen juristischen Personen, an denen sie mehrheitlich beteiligt sind, verfügen und die im Inland oder Ausland bestehen. Die Finanzbehörden sollen von dieser Vollmacht nur durch Stichproben oder aus begründetem Anlass Gebrauch machen.
Ich habe im Protokoll über die Debatte noch einmal nachgelesen, was es dazu als Gegenargumente gab. Ein Gegenargument war, dass es uns nicht zustehen würde, mehr Transparenz zu fordern. Dieses Gegenargument ist leicht zu widerlegen: Die Legitimation unserer Fraktion, Anträge hier im Landtag zu stellen, ergibt sich aus dem Wählerauftrag, den wir erhalten haben, und aus dem Ergebnis der Landtagswahl, bei der wir 7,1 % der Stimmen bekommen haben. Damit müssen Sie sich schon befreunden.
Das zweite Argument nehme ich durchaus ernster. Dieses Argument zielt darauf, dass der Datenschutz gefährdet sei. Sie müssen aber sehen, dass die Selbstverpflichtung freiwillig ist. Datenschutzgesetze und Gesetze, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen und bei denen der Datenschutz bestimmten gesetzlichen Verpflichtungen entgegengehalten wird, haben immer etwas mit Verpflichtungen zu tun. Hier geht es aber um eine freiwillige Selbstverpflichtung. Deshalb geht dieser Einwand, wie ich meine, ins Leere.
Es gab schließlich noch Einwände, die eigentlich mehr auf die Begründung unseres Antrages zielten. So wurde z. B. darauf hingewiesen, dass es eine freiwillige Selbstverpflichtung - so habe ich es mitgeschrieben - auch bei Überprüfungen anlässlich möglicher Stasiaktivitäten gibt. Das hat dazu geführt, dass z. B. die Abgeordnete Helmhold gemutmaßt hat, welche Motive ich verfolge, wobei es so klang, als wollte ich das Stasiunrecht relativieren. Tatsächlich aber sind die Sachverhalte, um die es hier geht, völlig verschieden. Die Tatbestände von Steuerhinterziehung und Stasiaktivitäten haben wirklich überhaupt nichts miteinander zu tun. Nur in einem Punkt kann man einen Vergleich anstellen - und diesen wollte ich herausstellen -: Die Selbstverpflichtung wird ohne konkreten Anlass und ohne Anfangsverdacht nur höchst vorsorglich eingegangen. Nichts anderes habe ich verglichen. Ich bitte darum, das klarstellen zu dürfen, und hoffe, dass Sie, wenn Sie hierauf erwidern, mich nicht erneut missverstehen.
In einem Punkt kann man allerdings eine Assoziation herstellen. Ich habe damals als Beispiel für einen Steuerhinterzieher Herrn Zumwinkel genannt. Inzwischen ist Herr Zumwinkel ja noch in anderer Hinsicht negativ in die Schlagzeilen gekommen,
nämlich als jemand, der in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender der Telekom sehr viel unternommen hat, was man wirklich mit den Aktivitäten der Stasi vergleichen kann,
z. B. die Bundesrepublik mit einem Datenschleppnetz zu überziehen oder Aufsichtsratsmitglieder oder Politiker auszuspionieren.
(Reinhold Hilbers [CDU]: Was sagen Sie denn zu Herrn Gysi? - Gegenruf von David McAllister [CDU]: Das darfst du nicht sagen!)
Wenn man assoziativ denkt, dann hätte man - so wie Sie das hier gemacht haben - an der Stelle entsprechende Vergleiche ziehen können.
Lassen Sie mich wenigstens noch eine Schlussbemerkung machen: Es geht uns um soziale Gerechtigkeit und darum, Steuerhinterziehungen zu bekämpfen. Das ist der Sinn unseres Antrages. In dieser Richtung werden wir demnächst weitere Anträge stellen.
Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat sich Herr Bosse von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Man darf zunächst einmal unterstellen, Herr Adler, dass alle Kolleginnen und Kollegen hier im Hause den Antrag gelesen haben und wissen, worum es geht. Ich frage an dieser Stelle ganz deutlich: Wozu noch einmal dieser Antrag?
Sie haben gesagt, es geht Ihnen um soziale Gerechtigkeit; aus diesem Grund würden Sie den Antrag stellen. Sie sagen, Sie halten das für vernünftig, Sie wollen Transparenz. Ich sage: Der Antrag ist a) populistisch und b) uneinsichtig. Und c): Aus datenschutzrechtlichen Gründen halte ich den Antrag für höchst bedenklich; dazu sage ich später noch ein paar Dinge.
Sie haben vorhin die letzte Debatte zu diesem Thema angesprochen, auf die ich auch noch zu sprechen kommen werde. Ich sage trotzdem noch einmal: Sie sind nicht die Vorzeigepartei in Sachen Transparenz. Niemand hier im Hause wird dulden, dass Sie sich dieses Mäntelchen anziehen, meine Damen, meine Herren.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Patrick-Marc Humke- Focks [LINKE]: Das ist Populismus!)
Dieser Antrag spielt einzig und allein mit dem Negativbild der Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages sowie des Kabinetts einschließlich des Ministerpräsidenten. Im Übrigen finde ich es höchst unverschämt - das sage ich ganz deutlich -, sich als Aufklärer aufzuspielen.
Ich komme zu einem Punkt in der Debatte, an dem wir vor vier Wochen schon einmal waren. Ich frage noch einmal: Wozu? - Nach einer höchst emotional und leidenschaftlich geführten Debatte hier im Hause vor vier Wochen und nachdem sich die Grünen, die FDP, die CDU und die SPD deutlich gegen Ihren Antrag ausgesprochen haben, hatte ich eigentlich erwartet, dass bei Ihnen die Einsicht gereift ist, dass Sie diesen Antrag zurückziehen oder ihn zumindest erst einmal im Ausschuss belassen sollten. Dort ist aber keine lange Debatte geführt worden, wie ich festgestellt habe, sondern dort ist er schlichtweg abgebügelt worden, und zwar aus gutem Grund. Da dachte ich, Ihre Einsicht sei gereift, und wir müssten den Antrag heute im Plenum gar nicht mehr behandeln.
Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass die Selbstverpflichtung freiwillig eingegangen werden soll. Als sich aber die Fraktionen von FDP, Grünen, CDU und SPD gegen Ihren Antrag ausgesprochen haben, haben Sie doch gemerkt, wie groß der vernünftige Widerstand hier im Hause ist und dass es also eine solche Freiwilligkeit nicht geben wird. Niemand wird freiwillig Konteneinsicht gewähren. Allein aus diesem Grund hätten Sie vernünftigerweise den Antrag zurückziehen sollen.
Im Übrigen konnte ich es nicht lassen - herzlichen Glückwunsch, Ihre Internetseite steht inzwischen -, auf Ihrer Internetseite zu suchen. Unter „Suche“ kann man dort - das ist ganz interessant - Schlagwörter eingeben. Und nichts anderes als ein Schlagwort ist „freiwillige Selbstverpflichtung“.
Sie sind wahrscheinlich neugierig, zu erfahren - wie beim letzten Mal -, was ich gefunden habe. Als ich das Schlagwort „freiwillige Selbstverpflichtung“ eingegeben habe, stand dort, dass unter diesem Eintrag leider nichts gefunden werden konnte. - Leider steht dazu immer noch nichts auf der Internetseite. Ich frage an dieser Stelle ganz deutlich: Kommen Sie sich nicht langsam lächerlich vor?
Des Weiteren komme ich auf einen Punkt, den Herr Adler angesprochen hat. Sie sagen, wir alle hier wollen keinen Schnüfflerstaat und keinen Überwachungsstaat. Aber viele Leute draußen und auch in den Finanzbehörden interessiert es möglicherweise sehr wohl, ob der Abgeordnete XY Viagra oder der Abgeordnete XYZ seiner Frau möglicherweise einen großen Diamantring kauft.
Ich möchte nicht, dass das zwei oder drei Tage später in der Zeitung steht. Die Mehrheit dieses Hauses möchte das auch nicht. Ich bin nicht bereit, die Abgeordneten dieses Hauses für Skandale missbrauchen zu lassen, meine Damen, meine Herren.
Im Übrigen erwarten Sie Transparenz. Es ist richtig und sinnvoll, das zu erwarten. Ich bitte Sie aber auch: Fangen auch Sie bitte endlich damit an! - Die Grünen hier im Hause zeigen eine gewisse Transparenz, die SPD-Fraktion auch. Darüber haben wir schon gesprochen. Ich sage noch einmal: Bitte lassen Sie die Faxen, lassen Sie uns konstruktiv, sachlich und vor allem ehrlich in diesem Hause zusammenarbeiten! Lassen Sie uns die Zeit mit sinnvollen Dingen verbringen! Lassen Sie uns gemeinsam hinaus zu den Menschen gehen! Gehen Sie in die Schulen! Sprechen Sie mit Rentnern, mit Arbeitnehmern, mit Beschäftigten, mit Mittelständlern und auch mit Wohlhabenden! Erklären Sie ihnen, wo die Probleme liegen und vor allem mit wie viel Geld die Probleme in diesem Staat zu lösen sind, und zwar ohne mit Vorschlägen aus Wolkenkuckucksheimen zu kommen, die den Staatshaushalt bis ins Unermessliche belasten und die Verschuldung immer höher treiben! Mehr möchte ich zu diesem Antrag nicht sagen.
Mit Verlaub gesagt - Herr Präsident, damit gehe ich vielleicht ein bisschen weit -: Das Stück Papier, auf dem dieser Antrag steht, eignet sich höchstens dazu, nasse Schuhe zu stopfen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, angesichts des heißen Wetters kann man das Papier auch für andere Zwecke benutzen. Das ist vielleicht sinnvoller, als über den Antrag nachzudenken.
Als die Fraktion DIE LINKE diesen Antrag vor vier Wochen eingebracht hat, betonte ich, dass wir ihn trotz aller bereits geäußerten Bedenken und Einwände, aber auch Hinweise im zuständigen Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen beraten werden. Ich sage ausdrücklich: Das ist Ausdruck unseres christdemokratischen Demokratieverständnisses.
Unverständnis ruft aber hervor, dass wir in den Beratungen, die wir im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen geführt haben, keine neuen Argumente zu hören bekommen haben. Das ist traurig, aber wahr. Wir hätten uns gewünscht, endlich nachvollziehbare Erklärungen dafür zu bekommen, warum eigentlich die bestehende gesetzliche Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Ermittlung dieser Besteuerungstatbestände nicht ausreichen soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, manchmal sollte man den „sensus communis“ gebrauchen. Ihre altsprachliche Kollegin wird Ihnen das sicherlich mit „summa cum laude“ übersetzen können. Da ich mich aber selber zu den sturmfesten und erdverwachsenen Niedersachsen zähle, verwende ich lieber einprägsamere Begriffe wie „klar im Kopp“ oder „gesunder Menschenverstand“.
Wir wollen das Ganze einmal systematisch angehen. Grundlage unseres staatlichen Zusammenlebens sind keine freiwilligen Selbstverpflichtungen, sondern Grundlage unseres staatlichen Zusammenlebens sind stattdessen klare und verbindliche Regelungen. Diese klaren und verbindlichen Regeln sind für die Tatbestände, die Sie auch in Ihrem Antrag schildern, bereits vorhanden. Deswegen frage ich mich genauso wie der Kollege Bosse: Warum brauchen wir hier eigentlich zusätzliche freiwillige Selbstverpflichtungen oder Erklärungen?