Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

Ich bin sehr froh, dass die Grünen einen Änderungsantrag vorgelegt haben. Ich bin auch sehr froh, dass sofortige Abstimmung beantragt wurde. Wir können somit über den Antrag der Grünen abstimmen. Dann ist die Sache auch entschieden. Auf das Inhaltliche gehen wir morgen ein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Möchte die FDP-Fraktion antworten? - Das ist nicht der Fall.

Ich erteile jetzt Frau Kollegin Flauger von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Die Restredezeit für die Fraktion beträgt anderthalb Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt Vegetarier und Veganer. Sie halten das Töten von Tieren, damit man sie hinterher essen kann, generell für nicht gerechtfertigt. Das ist nicht meine Meinung. Ich bin auch nicht Vegetarierin.

(Zurufe - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

- Ich weiß gar nicht, was daran komisch ist. Ich finde, das ist durch das Recht auf freie Meinungsäußerung, das wir zum Glück haben, gedeckt. Deswegen werden Sie sich auch damit abfinden müssen, wenn Menschen diese Art von Tierhaltung, wie sie z. B. in der Firma des Mannes von Frau Grotelüschen betrieben wird, als Qual bezeichnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Thema „Gewalt“ hat sich Frau König klar geäußert. Obwohl wir schon sehr oft gesagt haben, dass Gewalt für uns kein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist und dass wir sie ablehnen, freue ich mich, dass dies jetzt auch Herr Nacke in protokollierter Art und Weise zur Kenntnis genommen hat. Dann brauchen wir uns in Zukunft nicht

mehr darüber zu unterhalten, ob DIE LINKE irgendwie Gewalt befürwortet.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch einmal auf Ihre Resolution zurückkommen. Die CDU hat es bisher immer abgelehnt, mit der Linken irgendetwas zusammen zu machen. Jetzt gab es das Ansinnen, zusammen eine Resolution zu unterschreiben. Gestatten Sie, dass ich skeptisch bin, ob dies jetzt wirklich der erste ernst gemeinte Versuch der CDU war, zusammen mit der Linken etwas zu verabschieden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte auf den Inhalt dieses Resolutionsentwurfs eingehen, den Sie jetzt so nicht wiederholt haben, nämlich auf die Logik, Kritik an Politikern führe zu Gewalt gegen Politiker. Gullydeckel in den Fenstern unserer Wahlkreisbüros, Morddrohungen gegen unsere Parteimitglieder, Nazischmierereien an unseren Fenstern - ich freue mich, dass wir uns darüber einig sind, dass so etwas abzulehnen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich würde mit Ihnen gerne darüber diskutieren, ob wir hier so etwas gemeinsam verurteilen können. Die Grünen haben ja einen Resolutionsentwurf, eine Beschlussempfehlung vorgelegt. Herrn Oetjen habe ich gerade so verstanden, dass wir dieser gemeinsam zustimmen können. Das machen wir gerne mit Ihnen. Morgen können wir uns dann über Frau Grotelüschen unterhalten. Das gehört jetzt nicht zu diesem Tagesordnungspunkt.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Kollegen Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Offensichtlich haben wir hier in der CDU- und der FDP-Fraktion eine ganz neue Generation von Innenpolitikern, die zu diesem Thema vortragen. Wir haben Ihnen einen Änderungsantrag vorgelegt, der das rechtsstaatlich Gebotene in zwei markanten Sätzen zusammenfasst: Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung, weder in Wort noch in Schrift, noch in Bild, noch in Tat. Wir bekräftigen zudem einen rechtsstaatlichen Grundsatz.

Man sollte denken, das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Nicht so aber in dem ersten Entwurf für die Resolution der CDU-Fraktion. Da wusste die CDU-Fraktion offenbar mehr als der Staatsanwalt. Sie haben Ihr Wissen aber offensichtlich nicht der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt.

Meine Damen und Herren, was wir Ihnen nicht durchgehen lassen, sind die perfiden Unterstellungen, die Sie mit der Kritik an Ihrer Agrarministerin verknüpft haben. Die Tat eines Einzelnen rechtfertigt zudem nicht, dass man ganze Gruppen unter Generalverdacht stellt oder gar in die Nähe des Terrorismus rückt.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich kann mich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass Ihr Umgang mit diesen Vorgängen nicht echter Betroffenheit geschuldet ist. Sie wollen von Vorgängen ablenken, die für Ihre Agrarministerin höchst peinlich sind. Sie wollten sogar den Begriff der industriellen Massentierhaltung ächten.

Ich möchte hier eines festhalten, meine Damen und Herren: Eine Haltungsform, die nur möglich ist, wenn man die Schnäbel der Vögel ohne Betäubung in Teilen abschneidet, ist meines Erachtens tierquälerisch.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

In einem Bericht aus dem Jahr 2009 hat das LAVES diesen Vorgang mit einer Kieferamputation verglichen. Ich möchte dazu aus einem Bericht des NDR vom Februar 2009 zitieren:

„Tierschützer kritisieren … das Kürzen der Putenschnäbel. Nach dem Tierschutzgesetz ist dieser Eingriff verboten. Mit einer Ausnahmegenehmigung hingegen können die Schnäbel der Putenküken auch weiterhin abgetrennt werden. Dies ist ein sehr schmerzhafter Eingriff, bestätigt das LAVES, vergleichbar mit einer Kieferamputation. Da die Tiere dazu neigen, sich mit ihren Schnäbeln zu verletzen, greifen Putenmäster weiterhin zu dieser Praxis. Das LAVES geht davon aus, dass in der konventionellen Putenhaltung 100 Prozent der Küken gekürzte Schnäbel haben, denn nur dann können sie weiterverkauft werden.“

Das kann und darf nicht der Normalzustand in den Ställen sein. Es mag allerdings sein, dass dies die übliche Praxis ist. Das heißt noch lange nicht, dass diese Praxis rechtlich auch vertretbar ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

In diesem Zusammenhang haben Sie die Benutzung des Begriffs der tierquälerischen Massentierhaltung verurteilt und wollten uns hier zur Beschlussfassung vorlegen, dass ideologische Kampfbegriffe in der politischen Diskussion über die niedersächsische Landwirtschaftspolitik nichts zu suchen haben. Begriffe wie „tierquälerische Massentierhaltung“ - so schreiben Sie - zeichnen ein völlig falsches Bild der Realität in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, was heißt eigentlich „tierquälerische Massentierhaltung“? Was heißt „industriell“? - Den bäuerlichen Familienbetrieb kennzeichnen ein hohes Maß an Eigenverantwortung und eine noch relativ überschaubare Größe, die Freiheit bei der Wahl von Lieferanten, Futtermittelhändlern, Tierarzt, Schlachthof und Landhandel. Die bäuerliche Tradition geht auf eine sehr lange Zeit zurück. Das rechtfertigt gewisse Privilegien etwa beim Bauen im Außenbereich. Das ist aber auch Verpflichtung für nachkommende Generationen und nachhaltiges Wirtschaften. Das hat wirkliche Bauern immer ausgezeichnet, meine Damen und Herren.

Ein Kennzeichen bäuerlicher Betriebe ist auch eine artgerechte Tierhaltung. Dagegen steht eine industrielle Form der Tierhaltung. Die kann gekennzeichnet sein durch sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen, Herr Große Macke - sei es durch die Unternehmensform, sei es durch die Größe der Ställe oder sei es auch durch die Haltungsform an sich. Ich möchte Ihnen dazu noch ein Zitat der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland aus der Erklärung von Stuttgart zu „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ mit auf den Weg geben. Dort heißt es:

„Tierquälerei, aus welchen Motiven auch immer, muss stärker als bisher geächtet werden. Artgerechte Tierhaltung ist zu fördern. Nicht artgerechte Massentierhaltung soll schrittweise verboten werden, weil sie nicht nur erhebliche Leiden für die Tiere mit

sich bringt, sondern auch die Umwelt beeinträchtigt.“

So weit zur Definition von „tierquälerischer Massentierhaltung“.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Nacke das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wenzel, Sie haben eben noch einmal auf Ihren Änderungsantrag Bezug genommen. Deshalb möchte ich auch den hier gestellten Antrag auf sofortige Abstimmung befürworten; denn wir wollen wissen, ob Sie sich unter der Überschrift „Keine Gewalt unter dem Deckmantel des Tierschutzes!“ von Anschlägen, wie sie in diesem Antrag aufgeführt sind, klar distanzieren wollen oder ob Sie sich auf eine Allerweltsformulierung zurückziehen wollen, in der von Tierschutz überhaupt keine Rede ist.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sich dem anschließen, dann werden Sie sich genau so, wie es die Grünen und die Linken hier in diesem Hause schon längst getan haben, als Partner der Landwirte und ihrer Familien verabschieden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Man kann Sie doch nicht mehr ernst neh- men, Herr Nacke!)

Ich frage die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ob sie antworten möchte. - Bitte, Herr Kollege Wenzel!

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Herr Kollege Wenzel, Sie können sich noch etwas Zeit nehmen. - Jetzt bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Nacke, ich spreche über den von uns vorgelegten Änderungsantrag in der Drs. 16/2808. Sie haben die Überschrift dieses Änderungsantrags und die folgenden zwei Sätze sicherlich gelesen.

Insofern weiß ich gar nicht, was für Fragen Sie hier aufwerfen.

(Zuruf von den LINKEN: Das weiß er doch selber nicht!)

Ich gehe davon aus, dass in unserem Antrag all das steht, was zur Sache zu sagen ist. Ich glaube auch, dass dieses Parlament insgesamt keine Probleme haben dürfte, dem in Gänze einstimmig zuzustimmen. An dieser Stelle appelliere ich auch an Sie: Wenn Ihnen an einem starken Signal dieses Landtags gelegen ist - da nehme ich Sie beim Wort -, dann haben Sie jetzt in diesem Parlament die Chance, das inhaltlich Gebotene in aller Klarheit, ganz eindeutig und auch einstimmig zum Ausdruck zu bringen. Insofern würde ich mich freuen, wenn wir an dieser Stelle zu einer einheitlichen Abstimmung kommen.

Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollegen Macke das Wort. Die Restredezeit für die Fraktion beträgt 1:08 Minuten.