Ja, Herr Präsident. - Sie versuchen immer, sich als Anwalt der Landwirte darzustellen. In Wirklichkeit schaden Sie den Landwirten mit solchen unausgegorenen Geschichten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße den Antrag der FDP zur Aktuellen Stunde sehr. Ich begrüße auch die Einsicht der FDP und von Minister Sander, die heute in der HAZ nachzulesen ist, dass die Nutzung von Biomasse im Widerspruch zu Artenvielfalt und Lebensmittelerzeugung stehen kann.
Das ist eine überfällige, ganz unideologische Einsicht. Nur, Herr Kollege Dürr, das Handeln fehlt eben.
(Christian Dürr [FDP] lacht - Christian Grascha [FDP]: Woher kommt denn der Strom? Aus der Steckdose?)
Wir haben konkrete Forderungen gestellt, wie man das EEG nachhaltiger machen kann, wie man Kriterien entwickelt, damit es eben nicht zu Maismonokulturen kommt. Gerade weil wir überzeugt sind, dass die Bioenergien in der Klimapolitik eine wichtige Rolle spielen müssen, wenden wir uns mit Nachdruck gegen die massiven Fehlentwicklungen, die nachhaltige, dezentrale Bioenergieerzeugung in Misskredit bringen und die ökologischen und sozialen Probleme eher verschlimmern als lösen.
Meine Damen und Herren, es ist angesprochen worden: Mais in Monokultur für Biogasanlagen ist ein großes Problem. Die Anbaufläche hat sich von 30 000 ha im Jahre 2004 auf jetzt mehr als 200 000 ha vervielfacht. Artenvielfalt und Grundwasser werden belastet. In der Oldenburgischen Volkszeitung vom 2. September 2010 lautet die Überschrift: „Mehr Mais bedeutet mehr Nitrat im Grundwasser“. Nitratgrenzwerte werden an immer mehr Stellen in Niedersachsen überschritten.
Zusammen mit der Massentierhaltung bekommen wir ein riesiges Umweltproblem. Es ist richtig: Diese Form der Landnutzung hat nicht nur nachteilige Auswirkungen auf Böden, Wasser, Landschaftsbild und biologische Vielfalt, sondern verdrängt auch die Lebensmittelerzeugung von knappen Böden und erhöht die Pachtpreise.
Daher fordern wir eine ganzheitliche Öko- und Sozialbilanz für den Energiepflanzenanbau. Palmöl aus Regenwaldgebieten zu importieren, um damit niedersächsische Autotanks zu füllen und unsere eigene Klimabilanz zu schönen, ist klimapolitisch und sozial eine Katastrophe. Da wäre ein Importstopp überfällig.
Meine Damen und Herren, für Bündnis 90/Die Grünen hat der Nahrungsmittelanbau eindeutig Vorrang vor der Energiepflanzengewinnung. „Food first“ ist unsere Linie auf allen Ebenen. Das heißt aber auch, dass wir über unseren überbordenden Fleischkonsum reden, ihn zurückfahren und den Energieverbrauch insgesamt reduzieren müssen.
Wie Sie wissen, werden über 30 % der Ackerflächen weltweit für den Futtermittelanbau verwendet, ungefähr 10 % für Bioenergien.
Deshalb muss man auch über eine Reduzierung des Fleischkonsums reden, wenn wir etwas gegen den steigenden Flächenverbrauch machen wollen.
Um es anders auszudrücken: Es geht da immer auch um den Welthunger; unsere Schweine, Hühner und Puten fressen das Brot der Armen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen für den Biomasseanbau klare Nachhaltigkeitskriterien. Dazu gehört ein naturverträglicher Anbau, der Biodiversität fördert - damit es nicht zu dem Rückgang der Wiesenvögel kommt, den der Kollege Meyer beschrieben hat -, auf Gentechnik verzichtet und Monokuluren ausschließt.
Wir brauchen verbindliche Fruchtfolgen, einen Verzicht auf Kunstdünger und Pestizide und vielfältige Blühpflanzen zur Bioenergieproduktion.
(Clemens Große Macke [CDU]: Und dann über Armut reden! Und dann über kaputte Landwirte reden! Und dann über Verlust von Arbeitsplätzen reden!)
Gerade auch für Bienen gibt es da gute Mischungen; es gibt gute Erfahrungen mit Sonnenblumen und Blühpflanzenmischungen zur Biogasproduktion. Dafür muss aber der politische Rahmen dringend geändert werden.
Wir fordern seit Langem, den unsinnigen NaWaRoBonus durch einen Nachhaltigkeits- und Reststoffbonus zu ersetzen. Die letzte Anhebung des NaWaRo-Bonus durch die Große Koalition von CDU und SPD 2009 um mindestens 2 Cent hat zu dieser fatalen Fehlentwicklung beigetragen. Ebenso gegen den Widerstand der Grünen wurde der verpflichtend den Autokraftstoffen beizumischende Biokraftstoffanteil angehoben, um die EU-Spritsparziele zu umgehen.
Deshalb sage ich: Es reicht nicht, wenn Bioenergien nur am Ende der Produktionskette wirklich bio sind. Wir brauchen vielmehr vom Anfang bis zum Ende eine faire Ökobilanz.
(Björn Thümler [CDU]: Er regt sich doch gar nicht auf! - Clemens Große Macke [CDU]: Er ist doch ganz ruhig!)
Ich hoffe, wir kommen da zu einem fraktionsübergreifenden Konsens. Aus Äußerungen von Ihnen, vom Landvolk, von Kommunen, von Umweltverbänden ergibt sich, dass wir alle um die Fehlentwicklung wissen. Sie haben jetzt die Möglichkeit, auf Landes- und auf Bundesebene zu handeln: auf Landesebene bei der Raumordnung, auf Bundesebene beim EEG. Ich hoffe, Ihre Einsicht setzt sich da durch.
Ich sage aber auch: Für uns ist bei der ganzen Debatte über eine ideologiefreie Energiepolitik auch wichtig, unsere Konsummuster zu überprüfen. Energieeinsparung muss Vorrang haben. Die Erzeugung von Bioenergien darf nicht unseren verschwenderischen Umgang mit Energie rechtfertigen oder fortsetzen. Deshalb brauchen wir hier einen Vorrang der Energieeinsparung vor der Substitution durch Bioenergie.
Ich fasse zusammen: Wir als Grüne sagen klar Ja zu Bioenergien, aber nur dann, wenn sie einen ganzheitlich und nachhaltig positiven Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz und zu mehr sozialer
Gerechtigkeit leisten. Das ist momentan leider in vielen Bereichen nicht der Fall. Deshalb müssen wir hier gegensteuern. Ich hoffe, dass wir das gemeinsam machen. Für mehr Nachhaltigkeit und im Sinne des Klimaschutzes ist eine Korrektur der geltenden Bioenergieregelungen überfällig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Biomasse kontra Artenvielfalt und Lebensmittel - für eine ideologiefreie Energiepolitik“: Das sind Themen, die schon jeweils einzeln viel Diskussionsstoff bieten. Vor allem im Bereich der Artenvielfalt besteht Handlungsbedarf.
Die Linke begrüßt die positive Entwicklung der Stromerzeugung aus Biogas in Niedersachsen. Allerdings darf eine höhere Biogasproduktion nicht zulasten der Umwelt und der Artenvielfalt gehen.