Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

(Heinz Rolfes [CDU]: Was ist das jetzt?)

Sie wollen Netze ausbauen. Das ist goldrichtig, aber Sie machen es trotzdem wieder falsch. Zuerst brauchen wir ein verlässliches Ausstiegsszenario, z. B. für das AKW Unterweser für das Jahr 2012.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Dann werden automatisch Netzkapazitäten frei. Sie machen aber auch dort die gleichen Fehler wie bei Ihrer großspurigen Hafen- und Autobahnplanung, Flussvertiefung etc. Statt planerischem Weitblick mit ressourcensparender Arbeitsteilung in kleineren Modulen kennen Sie nur Wachstum, Wachstum, eijajajei, und zwar im eigenen Reich.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich nenne das volkswirtschaftliches Schiffe-Versenken auf Kosten zukünftiger Generationen. Wenn man vorher kleinere dezentrale Strukturen auf der Basis von regionalen erneuerbaren Erzeugungskapazitäten plant, baut man nämlich gleich die richtigen, die dazu passenden Netze. Statt Bürger mit Freileitungen zu ärgern, gibt es dann Fernleitungen z. B. zu entfernten Wasserspeichern, und zwar gleich als verlustarme HGÜ-Leitung unter der Erde.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Dazu brauchen wir eben nicht das gigantomane Machtgefüge der Oligarchen, die Herrschaft der vier Großen, die dann Frau Merkel die Feder führen. Es ist kein Zufall, dass E.ON und RWE schon wieder ihre unersättlichen Pratzen in den OffshoreKuchen geschlagen haben, weswegen auch diese Großstruktur in dieser Form durchaus zu hinterfragen ist. Es gibt dabei keinen Unterschied zwischen einem Staatskonzern wie Vattenfall und anderen Energieriesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Energieversorgung ist, sozial gesehen, Daseinsvorsorge. Es geht um fast eine Million abgeklemmter Haushalte im Jahr. Es darf nicht um Aktionärs- und Abschreibungsgewinne gehen, sondern es muss auch um Sozialtarife und Effizienzverbesserung gehen, die allen nutzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen Stadtwerke mit Transparenz im Geschäftsgebaren, demokratisch gelenkt und verbrauchernah kontrolliert, statt Desertec und ähnliche imperiale Wahnsinnsprojekte. Die Kontrolle sollte nicht durch abgehobene, nicht öffentliche Verwaltungsräte geschehen. Vielmehr sollte es klare Einflussmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger und der Gebührenzahlerinnen und -zahler geben.

Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, denn sie zahlen den Weg in jede Sackgasse, jede Fehlentscheidung mit, so wie beim Schnellen Brüter in Kalkar, bei der Uransauerei der Wismut sowie bei Asse, Morsleben und dem Schwarzbau Gorleben.

Wie sagte Röttgen im Februar, bevor Sie ihm die Federn gestutzt haben? Er sagte: Erneuerbare und Atomenergie schließen sich aus. Diese beiden Konzepte sind ökonomisch inkompatibel.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Wolfgang Jüttner [SPD])

Er sagte weiter: Bei der Ablösung der Atomkraft geht es um die mittelständische, höchst innovative Wirtschaft. - Da sprach kein politischer Schrebergärtner, sondern einer, der offensichtlich begriffen hat, was Hunderte von Stadtwerke längst praktizieren - im Gegensatz zu Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion hat sich Herr Dr. Hocker zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Pressemitteilungen der Oppositionsfraktionen zu diesem Thema haben sich in den vergangenen Tagen quasi überschlagen und die Superlative waren kaum noch zu übertreffen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ha- ben Superlative so an sich!)

Da war von einem großen Fehler, von verhängnisvollem Vorgehen und sogar von Erpressungsversuchen die Rede. Die Vereinbarung zur Verlängerung der Restlaufzeiten sei ein empörender Vorgang. Uns wurde ein heißer Herbst angekündigt.

Diese geballte, ritualisierte Empörung wurde allerdings durch einen Vorgang ausgelöst, der für jeden aufrichtigen Politiker eigentlich selbstverständlich sein sollte. Die Regierungsfraktionen von CDU und FDP in Berlin haben nämlich genau das umgesetzt, was unsere Parteien vor der Bundestagswahl formuliert haben und was in beiden Wahlprogrammen und dem Berliner Koalitionsvertrag fest verankert ist, nämlich die Erstellung eines Energiekonzeptes, das gleichzeitig den Ausbau der erneuerbaren Energien forciert und für einen Übergangszeitraum die weitere Nutzung der Kernenergie vorsieht. Hierfür wurde unsere Bundesregierung vor knapp einem Jahr mit einer deutlichen Mehrheit gewählt. Dieses Versprechen haben wir umgesetzt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wer sich über einen solchen Vorgang, dass Politiker nach der Wahl zu dem stehen, was sie vor der Wahl angekündigt haben, empört, offenbart, wie ernst er es selber mit der politischen Wahrheit nimmt und wie er es mit seinen eigenen politischen Versprechungen hält.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Dr. Hocker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wenzel?

Ich möchte gern weiter im Zusammenhang ausführen. Vielen Dank.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Wo sind Ihre Steuersenkungen?)

Mit den Beratungsergebnissen der Koalition zu den Laufzeitverlängerungen unserer Kernkraftwerke kann übrigens eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Gruppen zufrieden sein, die sich wirklich ernsthaft damit auseinandersetzen und nicht nur auf kurzfristige Effekthascherei setzen. Das gilt für private und mittelständische Stromkunden ebenso wie für die Kommunen, die Betreiber von Windkraft- und Photovoltaikanlagen und nicht zuletzt auch für die Politik.

Insbesondere die einkommensschwächeren Stromkunden profitieren von erschwinglichen und fairen Preisen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: So ein Quatsch! Sie haben von Marktwirt- schaft wirklich keine Ahnung!)

Für unsere Kommunen bedeuten stabile Strompreise eine verlässliche Planungsgrundlage. Sie können ihren Bürgern dann auch in Zukunft energieintensive Einrichtungen wie etwa das Freibad oder das Hallenbad in der gewohnten Qualität anbieten, ohne die Eintrittspreise zu erhöhen, die Öffnungszeiten einzuschränken oder die Bäder sogar komplett schließen zu müssen.

(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Ohne Atomstrom keine Freibäder! Was erzählen Sie für einen Blöd- sinn?!)

Für die Betreiber von Windkraft- und Photovoltaikanlagen gilt auch in Zukunft der Einspeisungsvorrang für ihre Energie. Schließlich werden die Betreiber der Kernkraftwerke im Rahmen des Sonderbeitrages bis zum Jahre 2016 mit 1,4 Milliarden Euro und ab 2017 mit insgesamt weiteren 15 Milliarden Euro zur Kasse gebeten. Dieser Sonderbeitrag wird für den Ausbau erneuerbarer Energien verwendet werden.

Uns liegt insbesondere die Entwicklung der so wichtigen Speichertechnologie am Herzen. Wir wollen diese Entwicklung vorantreiben, damit die erneuerbaren Energien endlich auch einen Teil der Grundlast übernehmen können.

Schließlich fließen mit der Brennelementesteuer jährlich etwa 2,3 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt, was gerade wir in Niedersachsen nach unseren Erfahrungen mit der Asse und angesichts der voraussichtlichen Kosten ihrer Sanierung mit großem Interesse verfolgen.

Eigentlich könnte sich auch die Opposition über das Energiekonzept freuen.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Was sind denn das für Formulierungen? - Zuru- fe von der SPD und den GRÜNEN)

- Lieber Herr Bosse, vielleicht hören Sie erst einmal zu, was ich zu sagen habe, bevor Sie Ihre Meinung in den Raum schreien.

Gerade im letzten Plenum wurde seitens der Opposition trefflich über die avisierte Laufzeitverlängerung spekuliert. Herr Schostok hatte angeblich geplante unbegrenzte Laufzeiten aus der Luft gegriffen und eine angebliche Laufzeitverlängerung von bis zu 28 Jahren in den Raum gestellt. Unser Konzept bleibt nicht nur deutlich unter diesen Laufzeiten, sondern sieht außerdem vor, dass neuere Kraftwerke länger als ältere Kraftwerke

betrieben werden sollen. Das ist eine kluge Entscheidung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der SPD: Eine falsche Ent- scheidung!)

Ich glaube, dass es den Oppositionsparteien in keinem anderen Bereich wie in der Energiepolitik gelungen ist, derart diffuse Befürchtungen zu wecken und eine Stimmung der Angst zu schaffen, die eine sachliche Diskussion über das Thema Kernenergie mit einigen manchmal unmöglich zu machen scheint.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sind Tschernobyl und die Asse eine Fata Morgana?)

All diejenigen, die allerdings glauben, mit ihren Angstkampagnen eine breite Unterstützung in der Bevölkerung für ihre Ziele zu erreichen, irren sich. Trotz der von Rot und Grün entfachten Hysterie sollten sie nicht den Fehler machen, die paar Dutzend Kernenergiegegner, die etwa während der Verhandlungen am Sonntag vor dem Bundeskanzleramt demonstriert haben, und die rituellen Demonstrationshappenings in und um Gorleben, zu denen die grüne und die linke Partei immer dieselben Mitglieder ihres Milieus anstacheln, als Massenbewegung zu bewerten, die ganz Niedersachsen und ganz Deutschland beherrscht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Was er- zählen Sie uns da eigentlich? - Zurufe von der SPD und von den Grünen)

Der Anteil derjenigen in der Bevölkerung, die der Überzeugung sind, dass die Nutzung der Kernenergie auch in Zukunft nötig ist, um Deutschland mit Energie zu versorgen, und die befürworten, einen Teil der Gewinne abzuschöpfen, um damit erneuerbare Energien auszubauen, liegt bei über 70 %.

Die Mehrheit in Deutschland ist eben um einiges klüger, als es die Oppositionsfraktionen in Niedersachsen wahrhaben wollen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LIN- KE]: Sie haben sich kaufen lassen, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist Herr Tanke für die SPD-Fraktion. Bitte schön!