Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Kollege Riese möchte antworten. Auch Ihnen stehen anderthalb Minuten zur Verfügung. Bitte schön!

Frau Leuschner, ich spreche Ihnen meine persönliche Anteilnahme aus.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Zu spät!)

In der von mir erwähnten Studie „Gewalt gegen Männer“ ist auch sehr viel von Erziehungsgewalt gegenüber Mädchen und Jungen die Rede. Dazu könnte ich Ihnen aus der Opferrolle einiges erzählen. Das tue ich aber außerhalb des Plenums.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich durch drei Kurzinterventionen geadelt wurde.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist kein Kompliment! - Uwe Schwarz [SPD]: Das kann man auch anders auffassen!)

Ich möchte Ihnen noch ein weiteres Zitat nahebringen, und zwar aus der Zeit vom 10. November 2009. Damals erschien ein Bericht über ein privat finanziertes Männerschutzhaus in Brandenburg unter der Überschrift „Ein Ort für geschlagene Männer“. Darin heißt es - ich bitte Sie zuzuhören, meine Damen und Herren -:

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Wir hören zu!)

„Während Gewalt gegen Frauen ein viel beachtetes Thema ist, führen Männer, die zu Opfern werden, in der Regel ein Schattendasein. Die meisten trauen sich nicht, darüber zu reden.“

(Uwe Schwarz [SPD]: Die Frauen auch!)

Wir haben eine ganz klare Einbahnstraße in der Diskussion bei einem Phänomen, das in der Wirklichkeit nicht so sehr eine Einbahnstraße darstellt, wie es manche hier wahrhaben wollen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Was sa- gen Sie zu Frauenhäusern? - Sabine Tippelt [SPD]: Das ist nicht das The- ma!)

In Zukunft muss es uns bei der Frage der Gewalt unter Menschen vom Ansatz her nicht in erster Linie nicht darum gehen, Einrichtungen zu fördern, sondern Gewalt zu vermeiden; das muss doch unser allererster Ansatz sein. Über die Präventionsarbeit müssen wir uns miteinander politisch noch gewaltig die Köpfe zerbrechen.

Mir liegt noch eine Wortmeldung der Fraktion DIE LINKE vor. Herr Humke-Focks, Ihnen steht noch eine Restredezeit von - - -

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: - - - einer Minute zu!)

- In der Tat, Ihnen stehen noch 1:03 Minuten zu; ich hatte Ihnen das schon mitgeteilt. Jetzt haben Sie das Wort. Bitte sehr!

Danke, Herr Präsident. - In der letzten Minute meiner Redezeit, die ich jetzt noch habe, möchte ich noch einen Punkt näher bringen. Wir hatten vorhin darüber gesprochen, dass es neben dem Erhalt der Frauenhäuser auch um den Erhalt und die Sicherung von Fortbildungsangeboten geht, die diese Frauenhäuser z. B. zur Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes vorhalten.

Ich möchte Ihnen von einem Erlebnis erzählen. Am letzten Sonnabend besuchten rund 12 000 Menschen die Polizeidirektion Göttingen an ihrem Tag der offenen Tür, u. a. auch ich. Dort durfte in vorbildlicher Weise auch die Arbeit des Weißen Ringes und auch des Frauennotrufs Göttingen dargestellt werden. Auch da wurde mir bestätigt, wie wichtig die Arbeit und die Kooperation mit der Polizei ist, gerade was auch die Fortbildungsmöglichkeiten angeht. Damit sind sehr gute Erfahrungen gemacht worden. Das wurde mir ausdrücklich bestätigt.

Tragen Sie doch dazu bei - die Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes dient auch dem Schutz von Männer; das haben Sie zu Recht gesagt -, sorgen Sie dafür, dass diese Fortbildungsmöglichkeiten beibehalten werden können, damit Polizistinnen und Polizisten die entsprechenden Fortbildungsmöglichkeiten haben und diese Kooperation ver

nünftig verläuft! Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis!

Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Wir haben diese Stelle einge- richtet!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit sind wir am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familien, Gesundheit und Integration sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Es ist so beschlossen worden.

Bevor wir zu Tagesordnungspunkt 26 kommen, möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Fraktionen untereinander verständigt haben, dass wir den Punkt 27 noch vor der Mittagspause erledigen werden. Danach machen wir anderthalb Stunden Mittagspause und setzen anschließend die Sitzung fort. Ich weise darauf hin, weil wir der Zeitplanung ungefähr eine dreiviertel Stunde voraus sind.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:

Erste Beratung: Zersplitterung des Tarifvertragssystems verhindern - Tarifeinheit sichern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/2767

Der Antrag wird von dem Kollegen Lies von der SPD-Fraktion eingebracht. Herr Lies, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichtes vom 23. Juni zur bisher allgemein anerkannten Tarifeinheit machen ein Handeln des Bundesgesetzgebers erforderlich. Wir haben diesen Antrag eingebracht, um gemeinsam über eine Initiative zu beraten, Tarifeinheit wiederherzustellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich inhaltlich auf unseren Antrag eingehe, möchte ich Ihnen vorab drei Beispiele nennen, die deutlich machen,

wie sich die reale Situation in der Arbeitswelt inzwischen entwickelt hat.

Lassen Sie mich als erstes Beispiel die skandalöse Entwicklung im Bereich der Leiharbeit anführen und vor allem die besonders skandalöse Entwicklung, die wir hier in Niedersachsen verspüren. Wir konnten das in den letzten Wochen der Presse entnehmen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

36 % der 17 000 neu gemeldeten offenen Stellen sind inzwischen Leiharbeitsstellen. Ich finde, das ist eine Maßgabe, die uns dazu veranlassen muss, uns hier im Land mit diesem Thema anders auseinanderzusetzen, als es leider in den letzten Plenarsitzungen geschehen ist, als wir als SPD-Fraktion einen Antrag zur Leiharbeit eingebracht haben. Diese Zahlen belegen in aller Deutlichkeit, dass wir da vorangehen müssen. Es kann nicht sein, dass Niedersachsen an dieser Stelle Spitzenreiter ist, während es sonst für Niedersachsen kaum Spitzenreiterpositionen gibt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich ein zweites Beispiel nennen. Ich finde, dass die Landesregierung schon längst hätte handeln müssen, und zwar ganz konkret im Fall von AMBAU in Cuxhaven. AMBAU in Cuxhaven ist ein Unternehmen der Windenergiebranche, das mit 6,6 Millionen Euro vom Bund, vom Land und von der EU gefördert wird. Es hat eine Leiharbeitsquote, die über 50 % liegt. Eine Leiharbeitsquote von über 50 % kann nicht mehr im Sinne der bisher geführten Diskussion von sinnvoller Integration von Leiharbeit sein.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, erschreckenderweise kommt noch die Frage der Entlohnung hinzu. Die Leiharbeitsentlohnung für die dortigen Beschäftigten liegt 4 bis 5 Euro unterhalb der Entlohnung der Stammbeschäftigten. Tarifpartner ist die Christliche Gewerkschaft. Ich finde, das ist Grund genug, einen nächsten Schritt zu gehen.

Ich nenne Ihnen ein drittes Beispiel: Arbeitsverträge am Rande der Legalität. Bei diesem Beispiel spreche ich die Sozialministerin Frau Özkan an. Wir alle haben es Anfang des Jahres erlebt. Ich will ihr persönlich das nicht zum Vorwurf machen. Ich finde aber, dass das, was wir beim Unternehmen

TNT erlebt haben, Maßgabe sein sollte, um in großer Sachlichkeit über die Frage der Tarifeinheit zu reden. Dort wurden mit den Beschäftigten wirklich Verträge am Rande der Legalität und der Sittenwidrigkeit geschlossen. Beschäftigte wurden mit einem Stundenlohn von 7,50 Euro entlohnt bei 20 bis 22 Tagen Jahresurlaub. Dort ging es um Mehrarbeit von bis zu 10 % der regelmäßigen Arbeitszeiten und darum, dass Vorbereitungshandlungen, Feinsortierung sowie Zählung nicht angerechnet und honoriert wurden. Damals gab es den Postmindestlohn von 9,80 Euro.

Die Ministerin hat danach erklärt, dass sie als Ministerin des Landes Niedersachsen die Situation neu und anders bewerte. Ich hoffe, dass das in der Diskussion deutlich wird. Sie hat dann gesagt: Gute Arbeit muss angemessen bezahlt werden. - Das ist aber nicht die Grundlage der Vereinbarung gewesen, die sie dort getroffen hat.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, sie hat übrigens ergänzt, dass der Tarifvertrag mit der Christlichen Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation

(Zuruf von der SPD: Der sogenannten Christlichen Gewerkschaft!)

- der sogenannten Christlichen Gewerkschaft - geschlossen worden sei und dass alles mit dem Betriebsrat vereinbart sei, der sich auch in der Zeitschrift Der Spiegel dazu geäußert hat, dass es völlig absurd sei, dass es dort Verhandlungen gegeben habe, in die der Betriebsrat eingebunden gewesen sei. Sie habe sich damals zwar auf eine Vereinbarung mit der kaum bekannten Christlichen Gewerkschaft berufen, doch diese Organisation vertrete so gut wie keine Beschäftigte in diesem Bereich in Hamburg. Ich finde, das macht deutlich, warum an dieser Stelle Tarifeinheit notwendig ist und warum es um die Stärkung der Beschäftigten in den Unternehmen gehen muss.

Aber auch der CGB hat sich zu der Frage der Notwendigkeit, Tarifeinheit herzustellen, geäußert. Das ist nicht gerade eine große Gewerkschaft. Sie bezeichnet sich selber als „Christliche Gewerkschaft“ und schreibt, dass sie die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes begrüßt. Das kann ich mir vorstellen, weil sie ihr Tür und Tor öffnet. Sie geht noch weiter und sagt, dass es für eine Gesetzesinitiative keine Notwendigkeit gibt; es liege ja in der Hand der Arbeitgeber, sich mit nur einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft auf Tarifverhandlungen einzulassen. - Meine Damen und Her

ren, ich frage Sie, mit welcher Gewerkschaft sich der Arbeitgeber dann wohl einlassen wird. Das sollte uns doch sehr zum Nachdenken bewegen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter. Ich glaube, das macht deutlich, warum es um Frieden in den Unternehmen und Betrieben geht: