Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

Meine Damen und Herren, wir müssen jetzt anfangen. Wir fordern Sie auf: Bringen Sie eine solche Strategie auf den Weg!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Rednerin ist Frau Emmerich-Kopatsch von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wie ernst diese Landesregierung das Thema Nachhaltigkeitsstrategie nimmt, sieht man an der regen Beteiligung auf den Regierungsbänken.

(David McAllister [CDU]: Er ist doch da!)

- Genau, der Chef ist gekommen. Er hat ja auch die Gesamtverantwortung für das Thema übernommen, zumindest wenn es um Schirmherrschaften und kostenlose Grußworte in Broschüren geht.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Reinhold Coenen [CDU]: Das ist niveaulos!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rede jetzt nur zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, eine Klimaschutz- und Energiestrategie für Niedersachsen zu entwickeln. Dieser Antrag ist zunächst einmal richtig. In der Forderung ist er uns allerdings zu ungenau. Stefan Wenzel, ich glaube, wir werden einen Änderungsantrag dazu formulieren.

Bereits im April 2007 hatte die SPD-Fraktion einen Antrag eingebracht mit dem Ziel, eine umfassende Klimaschutzstrategie für Niedersachsen zu entwickeln. Dieser ist leider nicht abschließend beraten worden. An unseren Kernbotschaften hat sich jedoch nichts geändert: Wir stehen in allererster Linie für den Atomausstieg, wir sind für Effizienzsteigerungen, und wir stehen für bezahlbare klimaschonende Energie.

(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Wie passt das denn?)

Um alle diese Ziele zu erreichen, brauchen wir eine Klimaschutz- und Energiestrategie für Niedersachsen. Aber was machen Sie? - Nichts passiert. Mehr als fünf Jahre sind inzwischen vergangen. Diese Landesregierung hat bisher durch Untätigkeit in den so wesentlichen Feldern nicht einmal ansatzweise strategische Ziele für das Land formuliert. Mal wieder ein Arbeitskreis, hier mal eine Referatsgruppe - sonst nichts. Dass Ihnen Herr Ministerpräsident Rüttgers auch hier den Rang abläuft, müsste Sie doch eigentlich ärgern, Herr Wulff. Herr Rüttgers hat bereits seit 2006 ein CO2Mengengerüst für Nordrhein-Westfalen erstellen und konkrete Handlungsfelder daraus ableiten lassen.

Die niedersächsischen CDU-Politiker, Herr McAllister und andere, fordern immer wieder einmal nationale Strategien. Aber, meine Herren, die gibt es doch bereits. Und immer nach dem Bund zu rufen, um sein eigenes Unvermögen zu vertuschen, wird irgendwann unweigerlich zu der Frage führen: Was machen Sie hier eigentlich?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Energiepreise steigen fast täglich. Sie von CDU und FDP haben keine zukunftsfähigen Antworten, weil Sie in den Vorjahren alle Möglichkeiten ignoriert haben. Der Markt allein kann eben nicht alles regeln, vor allem dann nicht, wenn er keine vernünftigen Rahmenbedingungen hat. Wir brauchen in diesen Fragen den Staat; das gilt selbst für Landesregierungen. Landesregierungen müssen selbst ambitionierte Ziele formulieren, Vorreiter sein und gemeinsam mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft den festen Willen haben, durch Innovationen das Land zu modernisieren.

Wir als SPD wollen durch eine ökologische Industriepolitik hohen Mehrwert und Wettbewerbsvorsprünge für unsere Unternehmen im globalen Markt schaffen. Wir wollen, dass Niedersachsen einen eigenen Beitrag leistet, die CO2-Emissionen mindestens in dem Maß zu senken, wie es von UNO, EU-Kommission und Bundesregierung vorgegeben ist. Dazu brauchen wir eine Handlungsoffensive des Landes. Wir wollen durch technologische Lösungen den drängenden Zukunftsfragen begegnen; denn Umwelt- und Effizienztechnologien werden die Wachstums- und Leitmärkte der Zukunft sein. Dadurch schaffen wir zukunftsfähige

und hochwertige sichere Arbeitsplätze. Wir wollen, dass Arbeitsplätze in Niedersachsen sicher sind und nicht durch Energiekosten vernichtet werden. Wir wollen - wie auch die Grünen -, dass Wohnen für unsere Bürger bezahlbar bleibt. Wir müssen gemeinsam die Abhängigkeit vom Import fossiler Brennstoffe deutlich mindern.

Mit dem Störfall gestern Abend in Slowenien, der Millionen Europäern den Atem hat stocken lassen, ist wohl völlig klar, dass der Ausstieg aus der Atomkraft beibehalten werden muss und dass Verlängerungen überhaupt kein Thema für uns sein können.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Erklären Sie das einmal den Italienern und den Fin- nen!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir vermeiden wollen, dass sich alle Klimafolgeschäden und die Energiekosten so wie prognostiziert entwickeln, müssen wir endlich eine Strategie für Niedersachsen haben. Damit meinen wir ein wirklich strategisches Konzept, eines das den Namen auch verdient und nicht etwa noch eine bunte Broschüre, eine Fibel wie die, die Herr Wenzel gerade hochgehalten hat, die Sie, meine Damen und Herren von der CDU/FDP-Regierung, irreführenderweise auch noch „Nachhaltigkeitsstrategie“ nennen. Dieses Bilderbuch ist vielmehr ein Untätigkeitsbericht, ein Sammelsurium von Selbstverständlichkeiten und alltäglichem Kleinkram.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Was?)

Immer, wenn es konkret wird, verweisen Sie auf Bund, EU und andere und schmücken sich mit fremden Federn. Was also tun Sie für Niedersachsen?

Meine Damen und Herren, die Bürger dürfen zu Recht erwarten, dass Niedersachsen eigene Wege beschreitet und nicht immer wartet, bis irgendetwas von außen kommt. Im Übrigen gilt dies auch für das Umweltgesetzbuch. Der Verhandlungsführer für Niedersachsen hieß Dr. Eberl. Kann es vielleicht sein, dass er das ganze Wissen bei seinem Rausschmiss aus dem Umweltministerium mitgenommen hat?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Umwelt und Wirtschaft sind nicht zu trennen. Fragen der Umweltzerstörung und Ressourcenknappheit können ökonomisch beantwortet werden. Umgekehrt verlangen die großen ökonomischen Fragen - eine veränderte internationale Arbeitsteilung, begrenzte Ressourcen, ansteigende Rohstoffpreise - eine ökologische Antwort. Eine moderne Wirtschaftspolitik muss zur Beantwortung der drängenden ökologischen Fragen beitragen. Wirtschaftswachstum und Klimaschutz müssen keine Gegensätze sein. Die Windkraftindustrie in Niedersachsen ist ein gutes Beispiel dafür. Aber wir sollten auch in anderen Produktionszweigen Weltspitze werden.

Solarzellenhersteller gehen in die neuen Bundesländer - Choren auch -, und wir bekommen, wie heute Morgen gehört, im Zweifel die Müllverbrennungsanlagen. Von Ihnen muss einfach mehr kommen, als nur die Unterstützung eines Infomobils des NABU oder die Schirmherrschaft von Herrn Wulff bei so mancher Veranstaltung.

Auch bei der viel gerühmten Brennstoffzelleninitiative, die noch sehr gut war, als Wolfgang Jüttner sie ins Leben gerufen hat, sollten Sie einmal genauer hinschauen. Die zukunftsweisende Produktion besonderer Brennstoffzellen findet bereits heute aus Niedersachsen heraus in Dresden statt, ohne dass Sie das bemerkt haben.

Investieren Sie endlich zielgerichtet in die Zukunft! Bauen Sie die Forschung endlich so aus, wie sie es verdient hätte! Kümmern Sie sich endlich um integrierte Verkehrskonzepte! Kurzum: Erarbeiten Sie eine Strategie für Niedersachsen, und fangen Sie endlich mit der Arbeit an! Denn Politik ist schließlich kein Kindergeburtstag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ebenfalls für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Geuter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Klimaschutz ist die weltweit größte umweltpolitische Herausforderung unserer Zeit. Daher muss eine richtig begründete Klimaschutzpolitik die Treibhausgasemissionen aller Wirtschaftsbereiche vermindern und die Bereiche Landwirtschaft und Ernährung mit einbeziehen. Das ist die Intention des

Antrages der SPD-Fraktion, den ich heute begründe.

Die Landwirtschaft trägt in signifikanter Weise zum Klimawandel bei, unter dem sie gleichzeitig mehr als andere Wirtschaftsbereiche leidet. Sie muss sich auf neue klimatische Bedingungen und auf zunehmende Wetterextreme einstellen. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft, wie die Verschiebung von Vegetationszonen und die Änderungen der Schadenerregeraufkommen, die Änderung der Ertragsfähigkeiten landwirtschaftlicher Kulturen sowie steigende Produktionsrisiken, erfordern vielfältige Anpassungsstrategien, damit die Landwirtschaft auch in Zukunft ihre primäre Aufgabe wahrnehmen kann, die für die Bevölkerung notwendigen Nahrungsmittel zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Erarbeitung dieser Strategien sind Zielkonflikte zu vermeiden. Das heißt, Maßnahmen zur Verbesserung der Produktivität und zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe müssen die Einhaltung der Klimaschutzziele berücksichtigen und dürfen nicht zu einer Verschlechterung der Klimabilanz führen. Neben der Entwicklung dieser Anpassungsstrategien sind wegen der Klimarelevanz und der vielfältigen Emissionseinsparpotenziale auch für den Bereich der Landwirtschaft konkrete Reduktionsziele und Klimaschutzmaßnahmen festzulegen.

Bisher wird in der Diskussion um den Klimaschutz noch kaum thematisiert, welchen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen die Ernährungsindustrie, aber auch die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst durch ihre Ernährungsweise leisten können.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Den Satz habe ich nicht verstanden! - Ge- genruf von Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich denke, Sie haben promoviert! - Gegenruf von Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Ich habe ihn trotzdem nicht verstanden!)

Die dem gesamten Bereich der Ernährung inklusive Erzeugung, Verarbeitung, Transport zum Verkaufsort, Lagerung und Zubereitung im Haushalt sowie Einkaufsfahrten zuzurechnenden Treibhausgasemissionen haben eine ähnliche Größenordnung wie die Bereiche Verkehr oder Wohnen. Es gehört also auch der gesamte Bereich der Ernährungswissenschaft bei der politischen Diskus

sion um den Klimaschutz mit auf die Tagesordnung. Noch immer ist die Abschätzung der Menge an Treibhausgasen umstritten, die infolge landwirtschaftlicher Tätigkeiten in der Atmosphäre absorbiert wird. Die Emissionen der Ernährungswirtschaft werden zurzeit noch unterschiedlichen Bereichen zugeordnet. Eine verlässliche Datengrundlage liegt auch hier nicht vor.

Unsere erste Forderung ist, dass zunächst der Anteil der Treibhausgasemissionen aus der Land- und Ernährungswirtschaft differenziert und präzise erfasst wird. Erst auf der Grundlage einer verlässlichen und vergleichbaren Bilanzierung lassen sich konkrete Klimaschutzziele und -maßnahmen entwickeln. Einzelne Klimaschutzmaßnahmen haben wir in unserem Antrag aufgeführt, wobei diese Auflistung natürlich nicht abschließend sein kann.

Die Landwirtschaft verfügt über unterschiedliche Möglichkeiten zur Emissionsminderung. Sie kann die Stickstoffeffizienz weiter erhöhen und die Fütterung von Tieren optimieren. Emissionsarme Haltungssysteme können auch die heute von der intensiven Tiermast ausgehenden Belastungen reduzieren. Durch den Anbau nachwachsender Rohstoffe und vor allem auch durch den Einsatz von Wirtschaftsdünger in Biogasanlagen können fossile Brennstoffe substituiert werden. Die Bioenergieproduktion sollte aber in ein Gesamtkonzept zur nachhaltigen ländlichen Entwicklung integriert sein. Anreizsysteme sind geeignete Instrumente für eine Verringerung der Klimagasemissionen. Förderprogramme auf EU-, Bundes- und Länderebene sind so umzugestalten, dass sie treibhausgasmindernde Maßnahmen in der Landwirtschaft unterstützen. Im Bereich der Bodenbewirtschaftung zählt dazu auch die Honorierung von Maßnahmen, die über die gute fachliche Praxis hinausgehen, wie z. B. der Ökolandbau.

Es ist aus ökologischen und ökonomischen Gründen unverzichtbar und allerhöchste Zeit, dass der Klimaschutz als verbindliches Ziel in die gemeinsame Agrarpolitik integriert wird.

Klimaschutz in der Ernährungswirtschaft setzt zunächst eine umfassende Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher darüber voraus, welche Auswirkungen unsere Ernährungsgewohnheiten auf das Klima haben. Der Lebensmittelhandel als Bindeglied zwischen Produzenten und Verbrauchern hat Informationen zu einer klimabewussten Ernährung bereitzustellen. Erst diese Aufklärung kann die Kaufentscheidungen der Verbraucherinnen und Verbraucher beeinflussen, so

dass die Klimabilanz eines Lebensmittels ein zusätzliches Entscheidungskriterium bilden kann. Wesentliche Voraussetzungen dafür sind geeignete Kennzeichnungssysteme für klimafreundliche Produkte und Herkunftskennzeichnungen regionaler Produkte.

(Clemens Große Macke [CDU]: Auch im ökologischen Lebensmittelhandel!)

Emissionen in der Produktion, Lagerung, Logistik und Verpackung der Ernährungswirtschaft können ebenfalls durch eine verbesserte Energieeffizienz gemindert werden.

Der Klimawandel ist Realität, und er ist vom Menschen beeinflussbar. Die Entwicklung spezifischer Klimaschutzziele und -maßnahmen für den Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil der Klimaschutzpolitik nicht nur auf europäischer und auf Bundesebene, sondern auch hier in Niedersachsen.

Ich freue mich auf eine interessante Diskussion im Ausschuss. - Danke.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Herzog von der Fraktion DIE LINKE das Wort.