Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich wäre an einer fundierten Diskussion im Ausschuss sehr interessiert, allein mir fehlt der Glaube. Nach dem, was ich heute schon alles zu diesen Themen gehört habe, glaube ich nicht daran, dass die versammelte Rechte in diesem Landtag Lust hat, tatsächlich Nägel mit Köpfen zu machen.
(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Wir sind die Mitte! - Christian Dürr [FDP]: Wir sind die Mit- te der Gesellschaft!)
Das Land Niedersachsen ist eines der wenigen Bundesländer, das es sich leistet, keine Strategie für den Klimaschutz zu entwickeln. Man könnte sagen, das entspreche Ihrem luschigen Laissezfaire-Politikstil nach dem Motto: Nach uns die Sintflut. - Das glaube ich nicht. Ich glaube, es ist Kalkül. So wie Sie beim Umweltgesetzbuch alles verhindern und zurückschrauben wollen, so wollen Sie auch diese Aufgabe hinausschieben und aussitzen. Warum?
Herr Sander, Herr Wulff, Herr Hirche, Sie haben in Ihren vielfältigen Erklärungen immer wieder dargestellt, dass Sie Niedersachsen zum Vorrangstandort für Kohlekraftwerke machen wollen. Sie wollen einen Zubau zu den bestehenden Kapazitäten von ungefähr 150 %. Niedersachsen soll zum Kohlestromexportland Nummer eins werden. Damit machen Sie Niedersachsen aber zum CO2-Exportland Nummer eins. Dabei ist Ihnen eine praxisorientierte Umweltstrategie im Wege. Die stört, die könnte offenlegen, was Sie machen.
Gleichzeitig werfen Sie Hochglanzbroschüren mit wohl klingenden Titeln auf den Markt: „Umweltgerechter Wohlstand für Generationen“ Das ist außen wie innen schön nebulös, will aber zu dem Rollback in die Energiesteinzeit so gar nicht passen. Wir Linken würden einen anderen Titel wählen. Wir würden sagen: „Wohlstand für alle, sozial und umweltgerecht“.
Meine Damen und Herren, auch unser Inhalt sähe etwas anders aus. Er wäre konsequenter, praxisnäher und vor allem schneller und sozialer.
Wir brauchen diese Strategie. Sie ist überfällig. Erste Priorität hat eine Vermeidungsstrategie, die sozial gerecht ist und nicht als individuelle Zwangsjacke die Ausgrenzung weiter forciert. Wir brauchen eine schnelle Effizienzverbesserung, die mit klaren Kenngrößen bezeichnet ist. Wir brauchen geeignete Instrumente und vor allem lobbyunabhängige Gremien, die an einer Strategie arbeiten.
Darüber hinaus brauchen wir aber auch die Umsetzung. Wir brauchen nicht nur schöne dicke Broschüren in Vierfarbdruck, sondern Umsetzung und vor allen Dingen ein Controlling dazu. In der gerade bezeichneten Broschüre findet man eine Landesinitiative Energieeinsparung, die mit gerade einmal 630 000 Euro ausgestattet ist. Was ist denn das! Das ist ein Furz im Wind! Das bringt nichts, und damit kommt man kein Stück weiter.
Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, unterstützen Sie stattdessen endlich die Kommunen, die tatsächlich eine vernünftige, moderne Energiesparpolitik in die Praxis umsetzen wollen, anstatt es ihnen z. B. über die Haushalts
versagung zu verbieten. Fördern Sie den Schulbau und die Bauunterhaltung nur, wenn klare Klimaschutzkriterien wie Bauweise, Baustoffe oder Nutzung von regenerativen Energien eingehalten werden. Wir können es uns nicht mehr leisten, alle möglichen Dinge durchrutschen zu lassen, die dann auf 20 oder 30 Jahre festgelegt sind. Beim Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, beim Straßenbau schreiben Sie 5,50 m vor, ob es unsinnig ist oder nicht. Also: Zuschüsse nur, wenn diese Standards eingehalten werden.
Hören Sie bitte auf, die Geduld von Papier zu missbrauchen, und handeln Sie ab heute. Ich rechne nicht damit, dass Sie in den nächsten Jahren noch eine Strategie zustande bringen. Handeln Sie ab heute, das Klima wartet nicht!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tatsächlich, der Countdown läuft. Der Klimagipfel ist unsere letzte Chance. Denn es dauert 30 bis 40 Jahre, bis globale Maßnahmen wirken. Deshalb sind Horrorszenarien wie Meeresanstieg, Verlust des Waldes in Nordeuropa, Migration nordwärts in Europa, Kampf um Wasser und Nahrung nicht auszuschließen, sondern fast unabwendbar. Die Vorboten sind da. Sehen wir die drastische Trockenheit im Sommer, Starkregenereignisse wie kürzlich in Baden-Württemberg, drastische Nässe im Winter und 55 Hitzetote 2003 in Europa.
Unsere Landwirtschaft ist davon betroffen. Seit 90 Jahren sind Ernten rückläufig. Dummerweise trägt die Landwirtschaft aber auch selbst dazu bei: durch Massentierhaltung, durch Einsatz von Wirtschaftsdüngern, durch Umwandlung von Grünland und durch Einsatz von schweren Traktoren. Deshalb ist unsere Landesregierung gefordert, umgehend Strategien für eine nachhaltige, auf Ressourcen basierende Landwirtschaft mit einem Ausbau auch der regionalen Kreisläufe vorzulegen. Lassen Sie sich und uns nicht überrollen!
denken bei der Ernährung an! Muss es immer ein tropischer Obstsalat sein? - Besinnen wir uns auf heimische Früchte und auf Früchte der Saison! Das spart Energiekosten. Das bedarf keines Nahrungsmitteltourismus. Das sind wir als Parlamentarier unseren Bürgern schuldig und sollten ihnen das entsprechend vorleben. Fahren wir nicht mit dem Auto einkaufen, nehmen wir einmal das Fahrrad oder den Einkaufskorb! Das haben mein Mann und ich mit drei Kindern immer geschafft. Fangen Sie an!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt aus Sicht der CDU-Fraktion auf den Antrag der Grüne-Fraktion eingehen. Sie bemängeln in Ihrem Antrag, dass Niedersachsen noch keine Strategie und auch noch kein Konzept für den Klimaschutz und die Energiepolitik vorgelegt hat. Mich erinnert Ihr Antrag ein bisschen an eine Schlagzeile in einer bekannten Boulevardzeitung zu dem Thema „Die Welt stirbt, und der Politik fehlen die Rezepte“. Das war am Anfang der Diskussion. Dieser Satz drückt eine in der Bevölkerung durchaus vorhandene Sehnsucht aus, die von manchem Politiker auch gleich befriedigt wird. Es gibt in diesem Fall ein ernstes, aber auch ein sehr kompliziertes Umweltproblem. Die Politik ist aufgerufen, umgehend ein Konzept auf den Tisch zu legen, und schon ist das Problem gelöst. - Meine Damen und Herren, ich glaube, jedem, der sich mit dem Problem der klimatischen Veränderungen, den sehr vielschichtigen Ursachen und vor allen Dingen den vielen denkbaren und auch sehr unterschiedlich wirksamen Handlungsansätzen befasst, ist bewusst, dass ein tatsächlich wirksames Konzept nicht so einfach aus dem Ärmel zu schütteln ist. Dem ist auch bewusst, dass ein politisches Konzept wie das der Grünen, das, was beispielsweise die Energiepolitik angeht, sowohl hinsichtlich der CO2-Minderung als auch im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und die Energiepreise - auch die sollte man nicht aus den Augen verlie
ren - in sich völlig unschlüssig ist und in keiner Weise weiterhilft. Kernenergie lehnen Sie ab, neue Kohlekraftwerke ebenfalls. Das heißt, Sie engen den Energiemix so weit ein, dass Sie weder ökologisch noch ökonomisch ein schlüssiges Konzept haben.
Energiepolitik ist eine sehr wichtige Frage für unser Land, wenn nicht eine entscheidende Frage - im Übrigen eine Frage, die man nicht auf ein einziges Bundesland begrenzt betrachten kann, sondern es muss eine Antwort für ganz Deutschland geben. Jedes Bundesland hat seine Stärken und Standortvorteile. Die sollten wir für Niedersachsen nutzen. Dazu zwei Beispiele.
Was die Windenergie angeht - das ist eine regenerative Energie -, hat Niedersachsen meiner Meinung nach eine sehr gute Perspektive im Offshorebereich; darüber sind wir uns sogar einig. Das gilt aber auch für Kohlekraftwerke, insbesondere an Küstenstandorten; denn moderne Kohlekraftwerke mit hohen Wirkungsgraden und - wo es geht - auch mit Kraft-Wärme-Kopplung sparen CO2 und tragen zu einer umweltfreundlichen Energieversorgung bei. Wenn diese Technologie dann auch noch in Deutschland weiterentwickelt und weltweit eingesetzt wird, ist es auch noch ein weltweiter Beitrag Deutschlands.
- Effektive Kohlekraftwerke. Wenn das von Deutschland ausgeht, leistet Deutschland einen weltweiten Beitrag. Die Kohle als Energieträger werden Sie weltweit nicht ausblenden können, Herr Herzog.
Zurück zu der von Ihnen geforderten Strategie: Wir haben mit dem Bereich Klimaschutz einen neuen Schwerpunkt in der niedersächsischen Umweltpolitik gesetzt. Das spiegelt sich nicht nur im Namen unseres Umweltministeriums wider.
- Sie mögen das belächeln. Meiner Meinung nach haben wir mit der Namensgebung aber zum Ausdruck gebracht, dass uns die Klimaschutzpolitik ein sehr wichtiges Anliegen ist.
Das soll aber nicht alles sein, sondern wir haben auch eine neue Stabsstelle eingerichtet. Außerdem werden wir eine Regierungskommission, eine Klimaschutzkommission, einsetzen. Diese Kommission dient dazu, einen breiten Diskurs zu führen. Damit verfolgen wir allerdings einen etwas anderen Ansatz als Sie. Sie wollen der Bevölkerung, der Wirtschaft und allen gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen ein politisches Konzept vorgeben und damit überstülpen. Wir haben hier jedoch einen anderen Ansatz. Wir wollen eine breite Beteiligung unserer Klimaschutzkommission und ein Konzept, das von den politischen Gebietskörperschaften, der Wirtschaft, den Forschungseinrichtungen, dem Handwerk und schließlich jedem Bürger gemeinsam umgesetzt werden soll; denn politische Konzepte allein helfen hier nicht weiter.
Ich gehe davon aus, dass innerhalb eines angemessenen Zeitraumes konkrete Vorschläge erarbeitet werden und dass vor allem im Bereich der Energieeinsparung und der Erhöhung der Energieeffizienz, aber auch im Bereich der Forschung und Entwicklung - darin sind wir uns mit der SPD sicher einig; das sind technologische Ansätze, die wir in Deutschland verfolgen - Schwerpunkte gesetzt werden. Das werden wir abwarten müssen. Dann werden wir in diesem Politikfeld konkrete und wirksame Ansatzpunkte haben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde versuchen, es für die Sozialdemokratie jetzt vergleichsweise schmerzlos zu machen. Ich möchte auf einen Punkt hinweisen, weil ich das Gefühl habe, dass das Thema Klimaschutz als Landesaufgabe gerade in den Debattenbeiträgen der Grünen und der SPD sehr einseitig betrachtet wird. Wir müssen beim Thema Klimaschutz zwei Seiten betrachten. Zum einen geht es um das Thema Klimaanpassungsstrategien. Das ist eine ganz wichtige Landesaufgabe. Darauf
Zunächst zu den Anpassungsstrategien: Ich glaube, dass es zuvor keine Landesregierung gegeben hat, die so viel im Bereich der Klimaanpassung getan hat wie diese Landesregierung.
Trotz der reduzierten Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ sind die Investitionen in diesem Bereich auf einem hohen Niveau geblieben, und zwar nicht nur an der Elbe, sondern auch an der Nordseeküste. Auch das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist praktische Klimapolitik. Diese Politik hilft den Menschen vor Ort und ist meistens zehnmal besser als irgendwelche Thesenpapiere von Ihnen.