Protokoll der Sitzung vom 20.01.2011

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, jetzt hat der Kollege Dreyer die Möglichkeit zu erwidern. Bitte schön!

Herr Präsident, von der Möglichkeit, auf das, was hier an Argumenten eingebracht wurde, zu erwidern, mache ich gern Gebrauch.

Meine Damen und Herren, hätten Sie uns richtig zugehört, dann hätten Sie gemerkt, dass ich auf der einen Seite die Situation beschrieben haben.

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD] - Weitere Zurufe von der SPD)

- Das wollen Sie also gar nicht hören?

(Zurufe von der SPD)

Fakt ist: Wir haben gesagt, wie die derzeitige Situation ist. Nach der derzeitigen Situation können wir die Beamtinnen und Beamten nicht im Regen stehen lassen; denn sie wären die Leidtragenden, würde man Ihre Vorstellungen umsetzen.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das ist überhaupt nicht wahr!)

Wir sperren uns ja gar nicht dagegen, in Diskussionen und Gespräche einzutreten. Wichtig ist, dass man die Thematik in ihrer Komplexität begreift. Sie jedoch greifen Einzelbausteine heraus, legen sie ganz populistisch oben auf die Präsentationsteller und wollen damit signalisieren, dass Sie etwas Gutes für die Menschen tun.

Nein, meine Damen und Herren von Rot-Grün, so einfach ist das bei diesem ganzen System nicht! Man muss bitte daran denken: Wenn man im Krankenversicherungssystem an der einen Schraube dreht, dann muss man auch wissen, wo der Motor an der anderen Stelle bewegt wird, um zu vermeiden, dass Sie in einem halben Jahr mit einem Änderungsantrag hier und einem Änderungsantrag da kommen.

Daher lassen Sie uns bitte, und zwar in Abstimmung mit dem Bund, generell über diese Linie diskutieren. Wichtig ist, dass die Beamtinnen und Beamten in Niedersachsen derzeit nicht unter Ihren Vorstellungen leiden sollen, sondern uns weiterhin als verlässlichen Partner haben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE spricht nun der Kollege Dr. Sohn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte drei Sachen sagen, erst einmal etwas zu Herrn Dreyer, dann zu Punkt 3 des Antrages und danach, wenn die Zeit reicht, noch etwas Allgemeines.

Herr Dreyer, bei all dem vielen Falschen, was Sie gesagt haben, haben Sie eines richtig gemacht, nämlich die Frage gestellt: Wer zahlt die Zeche? - Das ist in der Tat die entscheidende Frage. Aber die Zeche zahlen nicht die Beamten, sondern die Zeche zahlen diejenigen seitens der Ärzteschaft, die völlig unberechtigt überhöhte Rechnungen ausstellen. Das ist doch der Punkt. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum Ärzte ohne Begründung den 2,3-fachen Satz abrechnen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben gegen diesen Unsinn eine Lanze gebrochen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum die Kosten für ärztliche Versorgung von Privatpatienten in der Zeit von 1995 bis 2007 um annähernd 90 % gestiegen sind. Das ist die Selbstbedienungsmentalität, die wir bekämpfen wollen. Und dazu ist das ein Baustein.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass Sie gesagt haben, Sie wollten das jetzt nicht machen, weil in Berlin in Sachen Gesundheitspolitik vieles im Fluss sei, ist nun wirklich die Höhe. Da ist nicht vieles im Fluss, sondern in Berlin ist in Sachen Gesundheitspolitik seit Herrn Rösler vieles im Abfluss. Das ist doch das Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Zweites möchte ich etwas zu Punkt 3 des Antrages sagen, weil dieser neu aufgenommen worden ist. Dieser betrifft die Wahlfreiheit. Da ist der Appell an Herrn McAllister - nun ist er hinausgegangen -: Sir McAllister, geben Sie Wahlfreiheit! - Es ist doch überhaupt nicht einzusehen, warum zwar wir alle die Wahlfreiheit haben, aber diejenigen, die hier in jeder zweiten Landtagsrede von der Regierungskoalition gelobt werden, die Wahlfreiheit nicht haben. Das ist doch aberwitzig!

Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden - deshalb brauche ich dazu nicht im Einzelnen auszuführen -, dass die PKV für die Beamten dann sehr teuer wird, wenn sie ernsthaft erkranken oder mehrere Kinder mitversichern. Besonders problematisch wird es seit Mitte 2007 dann, wenn Kinder während ihrer Hochschulausbildung das 25. Lebensjahr überschreiten. Abzüglich der Wehr- und

Zivildienstzeiten sind sie dann nicht mehr beihilfeberechtigt. Diese Alternativlosigkeit, in die Sie die Beamten hineintreiben wollen, wollen wir aufbrechen. Die Beamten brauchen die Möglichkeit, in die GKV zu gehen.

Das Letzte, zu dem ich ein bisschen ausführlicher etwas sagen will, betrifft die weitere Perspektive. Die weitere Perspektive lässt sich positiv nur gestalten, wenn wir endlich zu einer Bürgerversicherung unter Einbeziehung aller, die darin einzahlen können, kommen.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Gewerkschaft ver.di, die übrigens auch viele Beamte vertritt, hat das so formuliert: Wir wollen die Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Versicherung für alle Bürgerinnen und Bürger. Bürgerversicherung bedeutet, dass alle versichert sind und sich mit allen Einkommensarten - übrigens auch Vermögenseinkommen - an der Finanzierung beteiligen. - Dann wären auch die Ärzte wieder einmal ein bisschen dran. - Wer mehr verdient, soll und kann aufgrund seiner finanziellen Stärke auch mehr beitragen als Menschen mit geringerem Einkommen.

Das ist auch unsere Linie, das ist auch unsere Forderung. Insofern ist die Perspektive die Bürgerversicherung. Sie ist ein vernünftiger Schritt zur Besserstellung der Beamten, die nicht mehr die Melkkuh für Ärzte, die abzocken, sein wollen. Dazu dient dieser Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner kommt von der FDP-Fraktion. Herr Kollege Grascha!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Symptome, die in dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen beschrieben werden, sind durchaus richtig beschrieben. Insbesondere die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und von der SPD regen sich darüber auf, dass die Leistungsdeckelungen, die bei der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt wurden, durch Leistungen, die bei der privaten Krankenversicherung geboten werden, kompensiert werden.

Es wundert mich sehr, dass Sie sich darüber aufregen; denn das ist schließlich das Ergebnis Ihrer Gesundheitspolitik. Seit 1998 stellen abwechselnd SPD und Grüne den Bundesgesundheitsminister.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Zurzeit ist es Herr Dr. Rösler von der FDP!)

In Anbetracht dessen hätten Sie, meine Damen und Herren, das in den vergangenen Jahren schon lange ändern können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Viele Arztpraxen und viele Krankenhäuser finanzieren sich in der Tat dadurch, dass im Bereich der privaten Krankenversicherung ein höherer Abrechnungssatz zu zahlen ist. Hierdurch werden im Übrigen - das mag man bedauern oder nicht; ich stelle das hier nur fest - ein höherer medizinischer Standard und auch innovative Ausstattung finanziert.

Man darf in der Diskussion nicht vergessen, dass das natürlich auch den gesetzlich Versicherten, die entsprechend besser behandelt werden, zugute kommt. Ich stelle daher als Faktum fest: Das heutige System führt am Ende dazu, dass wir Innovationssteigerungen haben, die allen Patienten zugute kommen.

Jetzt komme ich zu dem Vorschlag, den die SPDFraktion zu dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen vorgebracht haben, nämlich dem Punkt, dass auch Beamte das Wahlrecht zwischen privater Krankenversicherung und gesetzlicher Krankenversicherung haben. Sie führen hier das Privileg der Abgeordneten als Argument an und wollen es auf die Beamten ausweiten. Ich frage Sie: Warum wollen Sie diese Möglichkeit denn nicht den gesetzlich Pflichtversicherten zukommen lassen? Denn wir wollen am Ende hin zu einem System, in dem auch für die Pflichtversicherten eine Wahlfreiheit besteht. Das wäre tatsächlich konsequent und in sich schlüssig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das deutsche Gesundheitssystem ist sehr komplex. Das wird jeder, der in diesem Bereich schon einmal Gespräche geführt oder Verantwortung getragen hat, feststellen. Es gibt sehr viele Beteiligte. Es gibt viele Stellschrauben, an denen zu drehen ist. Das, was Sie hier betrachten, ist ein ganz kleiner Baustein.

Wir sind der Auffassung, dass, wenn es zu Veränderungen kommen soll, diese im Gesamtzusammenhang gesehen werden müssen. Wir brauchen

eine Lösung, die das gesamte Gesundheitssystem umfasst. Diese Lösung kann übrigens, wie schon vorgetragen wurde, nicht die Bürgerversicherung sein. Eine solche Lösung wird übrigens auch vom Beamtenbund abgelehnt. Wir als FDP treten für eine solidarische Gesundheitsprämie ein.

Ich darf zusammenfassen: Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen und von der SPD, würde am Ende zu weniger medizinischer Innovation und zu höheren Beiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung führen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es gibt zwei Wünsche nach Kurzinterventionen: zunächst Herr Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dann Herr Kollege Schwarz von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grascha, damit haben Sie natürlich einen ganz entscheidenden Unterschied zwischen Ihnen und uns angesprochen. Sie möchten den Weg in die Zweiklassengesellschaft weiter verstärken oder mit Ihren Wahlmöglichkeiten vielleicht sogar die Drei- oder Vierklassenkrankenversicherung schaffen. Wir dagegen haben als Ziel die Bürgerversicherung. Auf dem Weg dahin stellen wir diesen Antrag.

Ich möchte etwas zu der Behauptung sagen, dass es teurer würde, wenn wir diesen Weg gingen oder es Beamten freistellten, in die gesetzliche Krankenkasse zu gehen. Wir haben diesen Antrag durch eine Kleine Anfrage vorbereitet. Ich begebe mich jetzt natürlich auf Glatteis, weil ich mich auf Zahlen der Landesregierung verlasse.

(Björn Thümler [CDU]: Oh, oh, oh, Herr Klein, Herr Klein! - Jens Nacke [CDU]: Herr Klein, was sollen diese laufenden Unterstellungen? Das ist niveaulos!)