Loben würde mir sehr viel besser gefallen. Sie fordern aber mit Ihrer Arbeitsweise Kritik geradezu heraus.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der mit Ihrer Mehrheit durchgesetzte Beschluss, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen, macht Angst. Die Begründung, von der Landesregierung sei einiges erklärt und angekündigt worden, deshalb brauche man gar nicht mehr darüber zu sprechen, der Antrag sei erledigt, basta, muss doch bei allen Betroffenen Entsetzen auslösen. Wir tief ist die Politik in diesem Land gesunken, dass sie meint, mit Ankündigungen sei die Arbeit erledigt?!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe den Eindruck, Sie versuchen mal wieder, die Verantwortung zu schieben, indem Sie mit einem Finger auf die Bundesregierung zeigen, die zuerst einen Aktionsplan erstellen soll. Sie alle kennen doch bestimmt das Sprichwort: Wer mit nacktem Finger auf andere zeigt, zeigt mit vier Fingern auf sich.
Sie zeigen tatsächlich mit vier nackten Fingern auf sich. Sie stehen nämlich nach zwei Jahren immer noch nackt und bloß da und haben kein Blatt Papier, das Sie zum Schutz davorhalten können.
(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Das haben wir auch nicht nö- tig, Frau Kollegin! Wir sehen auch oh- ne Blatt Papier gut aus! - Editha Lor- berg [CDU]: Das sind richtige Karne- valsreden!)
Sie müssen doch auch erkennen, dass die UNKonvention in Deutschland einen Paradigmenwechsel ausgelöst hat, dieser in Niedersachsen bis heute aber leider nicht stattgefunden hat.
Sie können versuchen, uns hinzuhalten. Sie werden es nicht schaffen, uns zum Schweigen zu bringen. Wir werden nicht resignieren. Im Gegenteil, das stärkt unsere politische Tatkraft, Sie immer und immer wieder aufzuschrecken und, wenn nötig, zum Jagen zu tragen. Wir werden weiter für die Umsetzung der Rechte der Menschen mit Behinderungen streiten.
Wir wollen uns aber eigentlich gar nicht mit Ihnen streiten müssen. Wir wollen Menschen mit Behinderungen als ganz selbstverständlichen Bestandteil unseres Alltags und in jeden Bereich unseres Lebens integrieren.
Inklusion müssen wir alle miteinander leben. Nutzen Sie heute bitte die Chance, Ihr ehrliches Wollen zu beweisen! Stimmen auch Sie dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu!
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Rede meiner Vorrednerin Frau Groskurt war ja seltsam zweigeteilt. Im ersten Teil ihrer Rede hat sie das Regierungshandeln ausgesprochen fair und in schöner Weise dargestellt und beschrieben, dass schon vieles auf dem Weg ist. Im zweiten Teil ihrer Rede hat sie dann aber wieder alles eingesammelt und wie zuvor schon die Kollegin Helmholdt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Eindruck erweckt, als müsse die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dazu führen, dass Niedersachsen seine Politik neu erfindet. Das aber ist nicht der Fall. Wir sind über diese Thematik im Fachausschuss umfassend unterrichtet worden. Wir wissen, was im Bund unterwegs ist. Ein paar Punkte möchte ich jetzt doch noch einmal in Erinnerung rufen.
Der Bund erarbeitet den Nationalen Aktionsplan. Kabinettsbefassung ist im März. Das heißt, die Veröffentlichung steht kurz bevor. Der Bund hat überdies angekündigt, im Herbst 2012 zum ersten Mal einen Nationalen Behindertenbericht zu veröffentlichen. Der wird uns sicherlich zusätzliche Fakten liefern, die wir zurzeit noch nicht kennen.
Wir wissen - das ist von Frau Groskurt schon richtig dargestellt worden -, dass auch das Land auf dem Weg ist. Es kann aber wirklich nicht angehen, dass das Land ohne jede Koordination mit dem Bund einen eigenen Aktionsplan formuliert.
Was geschieht im Land Niedersachsen? - Wir arbeiten intensiv daran, dass die Nutzung des persönlichen Budgets weiter ausgebaut wird, mit Erfolg. Ein weiter Weg ist hier noch zu gehen. Wir sind aber auf dem richtigen Weg.
Das „Job 4000“-Programm des Bundes ist vom Land begleitet und mit eigenen Landesmitteln ergänzt worden. Dabei geht es um die verbesserte Beschäftigung Schwerbehinderter. Aus diesem Programm wurden in Niedersachsen unter finanzieller Beteiligung des Bundes 139 Arbeits- und 65 Ausbildungsverhältnisse, insgesamt also rund 200 Beschäftigungsverhältnisse, geschaffen. In den Jahren 2008 und 2009 sind jeweils etwa 1,8 Mil
lionen Euro aus Mitteln der Ausgleichsabgabe des Landes eingebracht worden, womit 100 weitere Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Da ist also vieles unterwegs; ebenso bei der unmittelbaren Eingliederung von Schulabgängern in den allgemeinen Arbeitsmarkt statt in die Werkstätten.
Sie wissen, dass das Land intensiv bestrebt ist, die Beschäftigtenquote der Behinderten in der Landesverwaltung auf 5 % anzuheben und dort weitere Fortschritte zu erzielen. Sie wissen, dass Konversion in großen staatlichen Einrichtungen der Behindertenhilfe stattfindet, ebenso der weitere Ausbau des ambulanten Wohnens.
Der Bereich Schule ist schon vom Kollegen Lammerskitten angesprochen worden. Wir alle sind uns darüber einig, dass die Angehörigen von Menschen mit Behinderungen vielfach flehend vor uns stehen und sagen: Nehmt uns die Förderschule nicht weg! Das ist der einzige Weg, auf dem wir eine gute Förderung behinderter Kinder und Jugendlicher erreichen können!
Meine Damen und Herren, die angesprochenen inhaltlichen Ziele des Entschließungsantrags und natürlich auch der ganze Geist der UN-Konvention werden in Niedersachsen engagiert bearbeitet. Daher sollte die Entwicklung weiterer Aktionspläne - wie es auch geschieht - in enger Verzahnung mit dem Aktionsplan des Bundes erfolgen. Wir als Landtag erwarten und wissen, dass dies geschehen wird und dass uns die Landesregierung über Fortschritte zeitnah unterrichten wird.
Herzlichen Dank, Herr Riese. - Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Herr Adler zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema müsste die bundesdeutschen Stellen eigentlich schon seit 2006 beschäftigen; denn vom 13. Dezember 2006 datiert das Übereinkommen. Wenn man weiß, wie internationale Verträge zustande kommen, dann weiß man auch, dass die jeweiligen Nationalstaaten auch schon an der Erarbeitung dieses Vertrages beteiligt waren, also auch die Bundesrepublik.
26. März 2009 trat es in Kraft. Jetzt will ich Ihnen einmal vorlesen, was in Artikel 35 Abs. 1 dieses Vertrages steht; denn diese Vorschrift enthält eine ganz konkrete Verpflichtung. Ich zitiere:
„Jeder Vertragsstaat legt dem Ausschuss über den Generalsekretär der Vereinten Nationen innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für den betreffenden Vertragsstaat einen umfassenden Bericht über die Maßnahmen, die er zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Übereinkommen getroffen hat, und über die dabei erzielten Fortschritte vor.“
Jetzt haben Sie nicht mehr viel Zeit. Das muss ich wirklich sagen. Dieser Bericht - das liegt in der Natur eines föderativen Staates - muss vom Bund und den Ländern gemeinsam erarbeitet werden. Im Ausschuss ist entsprechend nachgefragt worden. Darauf wurde gesagt: Ja, der Bund will auch mal etwas Eigenes machen, wir sind im Gespräch. - Aber nichts Konkretes ist bislang zustande gekommen, außer dass Sie Themen benannt haben - ein großer Themenkatalog, aus dem hervorgeht, auf welchen Gebieten man arbeiten müsse. Etwas Konkretes ist aber nicht in Sicht.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie diesen völkerrechtlich vorgegebenen Zeitplan in diesem Zusammenhang einhalten wollen. Demgemäß ist das, was im Antrag der Grünen vorgeschlagen worden ist - dem werden wir ja auch zustimmen -, eigentlich schon ein Entgegenkommen; denn es ist überhaupt nicht absehbar, dass Sie die Verpflichtung, die ich Ihnen eben vorgelesen habe, einhalten können.
Eigentlich ist das, was dort gefordert wird, schon das Aktionsprogramm. Man könnte das jetzt vielleicht zweiteilen, also zunächst einen Bericht machen und die konkreten Maßnahmen nachschieben. Aber es muss bitte schön zunächst einmal etwas Konkretes auf den Tisch!
Wie konkret diese Konvention ist und welche konkreten Verpflichtungen sie enthält, möchte ich Ihnen am Beispiel der Schulen vor Augen halten. Ich habe das Beispiel der Schulen deshalb herausge
griffen, weil für Schulen die Länder zuständig sind. In Artikel 24 Abs. 2 Buchst. b steht, dass für Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen bereitgestellt werden muss. Das ist eine konkrete Verpflichtung. Das betrifft das Niedersächsische Schulgesetz, das betrifft z. B. auch Maßnahmen, die die Kommunen ergreifen müssen, um Behinderten den Zugang zu Schulen zu verschaffen. Es betrifft Fragen der Konnexität. Es betrifft die Frage der Kommunalfinanzen. Das, was hier genannt worden ist, ist also ein ganz gewichtiges Thema. Dies kostet auch Geld. Dazu muss auch der Landtag Mittel bereitstellen. All dies sind völkerrechtliche Verpflichtungen, an die Sie gebunden sind. Sie haben bis heute nichts weiter vorgelegt als eine Auflistung von Themen. Das ist erbärmlich!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, einiges klarzustellen. Denn es wurde doch einiges vermischt.
Frau Helmhold, dass das Land Niedersachsen das letzte war, das eine Behindertengleichstellungsregelung eingeführt hat, liegt ja wohl an der Vorgängerregierung.
(Uwe Schwarz [SPD]: Nein, das liegt nicht an der Vorgängerregierung! Da haben Sie sich etwas Falsches erzäh- len lassen!)
Dies ist damals der Diskontinuität anheimgefallen. Wir haben ab 2003 damit begonnen, diese Regelung tatsächlich nach vorn zu treiben. Daran möchte ich an dieser Stelle noch einmal erinnern.