Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Der kürzlich vorgelegte Masterplan „Soziale Gesundheitswirtschaft“ hat zum Ziel, eine soziale Gesundheitswirtschaft in Niedersachsen zu entwickeln, die sich für eine hochwertige, flächendeckende und bezahlbare Gesundheitsversorgung

für alle Menschen in Niedersachsen sowie bessere Lebensqualität und gute Arbeitsbedingungen in Gesundheitsberufen einsetzt. Die Bedeutung von Gesundheit ist in der öffentlichen Diskussion und Wahrnehmung gewachsen. Gesundheit ist sowohl Voraussetzung als auch Indikator für den Wohlstand einer Gesellschaft und wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge. Auch der Gesundheitstourismus gewinnt im Urlaubsland Niedersachsen zunehmend an Bedeutung.

Zum ersten Mal in Niedersachsen hat eine Landesregierung einen Masterplan „Soziale Gesundheitswirtschaft“ erarbeitet. Der Masterplan „Soziale Gesundheitswirtschaft“ enthält konkrete Maßnahmen und Instrumente, die die Landesregierung in den nächsten Jahren sukzessive gemeinsam mit den Partnern umsetzen und auf den Weg bringen möchte.

Wir fragen daher die Landesregierung:

1. Die ambulante und die stationäre Versorgung gehören zum Kernbereich der Gesundheitswirtschaft. Wie schätzt die Landesregierung die derzeitige Entwicklung und Perspektive ein?

2. Die demografische Entwicklung zieht eine Vielzahl von gesellschaftlichen Veränderungen nach sich. Welche Herausforderungen und Maßnahmen werden somit in der Zukunftssicherung der Pflege gesehen?

3. Eine zukunftsorientierte Gesundheitsversorgung erfordert vor Ort den Aufbau intelligenter Vernetzungsstrukturen. Wie unterstützt die Landesregierung diese Entwicklung?

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Ansmann. - Für die Landesregierung möchte die Sozialministerin Frau Rundt antworten. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag hat mit Entschließung vom 20. Januar letzten Jahres die Landesregierung aufgefordert, einen Masterplan „Soziale Gesundheitswirtschaft“ zu erstellen. Für die Niedersächsische Landesregierung sind eine zukunftsorientierte und fortschrittliche Gesundheits

wirtschaft und Forschungspolitik eine Leitlinie politischen Handelns. Mit ca. 582 000 Erwerbstätigen zählt die Gesundheitswirtschaft zu den wichtigsten Wirtschafts- und Beschäftigungsfaktoren in Niedersachsen. Im Jahr 2013 war rund jeder bzw. jede siebte Erwerbstätige in der Gesundheitswirtschaft beschäftigt.

Die Bruttowertschöpfung der Gesundheitswirtschaft in Niedersachsen im Jahr 2013 betrug 23,7 Milliarden Euro. Damit liegt die Bedeutung der Branche mit einem Anteil von 10,9 % an der Bruttowertschöpfung und 14,9 % an der Erwerbstätigkeit über dem bundesweiten Durchschnitt für die Jahre 2005 bis 2012.

Die Gesundheitswirtschaft hat damit eine besondere Bedeutung für die flächendeckende Gesundheitsversorgung, als Wirtschaftsfaktor sowie für den Entwicklungs- und Forschungsstandort.

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung hat zusammen mit dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie unter Hinzuziehung weiterer relevanter Ressorts wie z. B. des Niedersächsischen Kultusministeriums und unter Beteiligung der verschiedenen fachlichen Akteurinnen und Akteure diesen Landtagsbeschluss umgesetzt und einen Masterplan entwickelt.

Im Rahmen der Erarbeitung wurden die Themenfelder in vier Arbeitsgruppen, zum Teil auch unter Beteiligung Externer, bearbeitet. Weiterhin haben im Juni 2014 eine Auftaktveranstaltung und im November 2015 eine Veranstaltung zur Vorstellung der Eckpunkte für das Fachpublikum stattgefunden. Der Masterplan wurde dann am 1. Juni 2016 in einer Pressekonferenz durch die Ministerinnen bzw. Staatssekretärin öffentlich vorgestellt.

Zu Frage 1: Niedersachsen verfügt über ein flächendeckendes und qualitativ hochwertiges Angebot an stationären Versorgungsstrukturen. Dieses gilt es, in Anbetracht der Rahmenbedingungen des Krankenhausstrukturgesetzes jetzt zielgerichtet weiterzuentwickeln. Der Sicherstellungsauftrag für die ambulante vertragsärztliche Versorgung liegt gemäß § 75 SGB V bei der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen. Diese hat entsprechend dem Bedarf nach § 99 des Sozialgesetzbuches V alle geeigneten finanziellen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten, zu verbessern oder zu fördern. Grundlage für die

Aufstellung des Bedarfsplans ist die sogenannte Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 in Verbindung mit § 91 des SGB V.

Nach der aktuellen Fortschreibung der Bedarfsplanung sind in den verschiedenen Bereichen der fachärztlichen Versorgung in Niedersachsen die meisten Planungsbereiche wegen Überversorgung für Neuzulassungen gesperrt. In der hausärztlichen Versorgung zeigt sich dagegen ein differenzierteres Bild. Zwar besteht in vielen Teilen Niedersachsens auch für die Hausärztinnen und Hausärzte immer noch eine Überversorgung. Jedoch gibt es aktuell zahlreiche Zulassungsmöglichkeiten. Besonders im ländlichen Raum ist es zunehmend schwerer, eine Praxisnachfolge zu finden. Dieser Entwicklung ist angesichts des Umstandes, dass Hausärztinnen und Hausärzte für viele Menschen bei den verschiedensten medizinischen Fragestellungen erste Ansprechpartnerinnen und -partner sind und ihnen in der Gesundheitsversorgung eine Lotsenfunktion zukommt, von erheblicher Bedeutung für die betroffenen Regionen.

Die Landesregierung geht davon aus, dass es der KVN nicht zuletzt mit den aus dem Strukturfonds gemäß § 105 Abs. 1 a SGB V zur Verfügung stehenden Finanzmitteln auch zukünftig gelingen wird, insgesamt eine gut erreichbare und qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen.

Allerdings ist es erforderlich, die vielfältigen Rahmenbedingungen den Anforderungen des demografischen Wandels anzupassen. Das beinhaltet u. a. eine Stärkung der Allgemeinmedizin in der Aus- und Weiterbildung, attraktive Standortbedingungen für den Medizinnachwuchs auch in den ländlichen Regionen, den Ausbau telemedizinischer Methoden mit relevantem Nutzen in der Patientenversorgung, passende Mobilitätsangebote besonders für ältere Patientinnen und Patienten sowie eine verbesserte Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gesundheitsberufe über die Sektorengrenzen hinweg.

Die Landesregierung unterstützt die KVN bei der Umsetzung des oben genannten Sicherstellungsauftrages mit verschiedenen Maßnahmen. Dazu gehören u. a. das Projekt der Gesundheitsregionen Niedersachsen, die Förderung der ärztlichen Versorgung z. B. durch die Stärkung der Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr des Medizinstudiums sowie die gemeinsame Arbeit im gemeinsamen Landesgremium nach § 90 a SGB V.

Dieses Gremium gibt Empfehlungen zu sektorenübergreifenden Versorgungsfragen ab. Derzeit beschäftigen sich Arbeitsgruppen u. a. mit den Themen Entlassmanagement - also mit dem Übergang zwischen Krankenhaus und niedergelassenen Ärztinnen bzw. Ärzten - sowie Delegation ärztlicher Leistungen auf nicht ärztliches Fachpersonal.

Zu Frage 2: Die demografische Entwicklung führt zu veränderten Anforderungen sowohl in Bezug auf die Gestaltung von Versorgungsstrukturen als auch bezüglich der Fachkräftesicherung, insbesondere in den personalintensiven Dienstleistungsbereichen des Gesundheitswesens.

Die demografische Entwicklung zieht eine Vielzahl von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen nach sich. Der Bereich der Pflege ist in zweifacher Weise vom Veränderungsdruck betroffen. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, zugleich sinkt die Zahl der jungen Menschen und damit derjenigen, die Pflege leisten können.

Gerade am Beispiel Pflege wird die wechselseitige Beeinflussung und Verstärkung der Entwicklung deutlich. Dies gilt im Besonderen für die Zukunftssicherung der ambulanten Pflege im ländlichen Raum. Um das qualitative Niveau der pflegerischen Versorgung in Niedersachsen auch in Zukunft zu erhalten, muss eine nachhaltige Weiterentwicklung der bestehenden Versorgungsstrukturen an die sich ändernden Rahmenbedingungen gelingen.

Der demografisch bedingte hohe Veränderungsdruck in der Pflege beschränkt sich dabei nicht auf Kostenträger und soziale Selbstverwaltung, sondern schließt Pflegekräfte und die Pflegebedürftigen einschließlich ihres sozialen Umfeldes ein.

Für alle Beteiligten gilt: Der Veränderungsdruck fordert eine neue, ganzheitliche und lokale Ansatzweise.

Zu unseren Zielsetzungen gehören: Die Zukunft der Pflege wird auch im ländlichen Raum gesichert, die Stärkung der ambulanten Pflege, die Erhöhung der Anzahl der Ausbildungsplätze und die Steigerung der Attraktivität der Altenpflegeausbildung, die Sensibilisierung der Gesellschaft für den Wert der Pflege, die Steigerung der Attraktivität des Berufsbildes Altenpflege durch ein angemessenes und attraktives System von Gehaltsstrukturen und die Stärkung der Strukturverantwortung des Landes und der Rolle der Kommunen in der Pflege.

Als Maßnahmen sind hier die beiden Förderprogramme „Wohnen und Pflege“ sowie „Stärkung der ambulanten Pflege im ländlichen Raum“ zu nennen. Für das Programm „Wohnen und Pflege“ stellt das Land bis 2020 jährlich 1 Million Euro zur Verfügung. Für das Programm „Stärkung der ambulanten Pflege im ländlichen Raum“ sind es jährlich über 6 Millionen Euro von 2016 bis 2018.

Die Fachkräftesicherung im Pflegebereich ist eine der größten Herausforderungen für eine zukunftsfähige Gestaltung der Pflege. Sie verfolgt die Leitlinie „gute Pflege, gute Jobs“. Gute Arbeitsbedingungen sowie flexible Arbeitsgestaltung unterstützen dies. Um die bereits heute bestehende Fachkräftelücke zu schließen und die künftigen Zusatz- und Ersatzbedarfe in Höhe von zusammen gut 21 100 Vollzeitkräften zu decken, werden insgesamt rund 41 000 Nachwuchskräfte benötigt.

Auch für die Niedersächsische Landesregierung ist dabei die Fachkräftesicherung im Pflegebereich eine der großen Herausforderungen.

Vordringliches Ziel ist es, mehr junge Menschen für die Ausbildung in Pflegeberufen zu gewinnen. Hierfür hat die Niedersächsische Landesregierung eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. Unter anderem hat das Land Fördergelder in Höhe von rund 6,2 Millionen Euro für 2014, 6,8 Millionen Euro für 2015 und 7,5 Millionen Euro für 2016 im Haushalt eingestellt, um zu erreichen, dass Schülerinnen und Schüler an privaten Altenpflegeschulen kein Schulgeld mehr zahlen müssen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: So wie wir das eingeleitet haben, Frau Ministe- rin!)

Verantwortlich für den Fachkräftemangel ist allerdings nicht nur die demografische Entwicklung, Fachkräftemangel entsteht auch, weil viele Pflegefachkräfte vorzeitig ihren Beruf verlassen oder ihr Stellenanteil reduziert wird. Dazu tragen die beruflichen Belastungen bei. Arbeitsverdichtung, wenig familienfreundliche Arbeitszeiten, häufige Bereitschaftsdienste, psychische und körperliche Belastungen sowie vergleichsweise geringe Bezahlung beschreiben die aktuellen verbesserungsbedürftigen Rahmenbedingungen.

Zugleich muss es gelingen, durch Verbesserungen der Rahmen- und Arbeitsumfeldbedingungen auch den bereits in der Pflege Tätigen einen längeren Verbleib in ihrem Berufsfeld zu ermöglichen. Deutliche Auswirkungen auf die Vergütung der Pflegekräfte sind auch von der Gemeinsamen Erklärung

zum Einkommen der Pflegekräfte zu erwarten, die die AOK Niedersachsen, die vdek-Landesvertretung Niedersachsen und das Land Niedersachsen am 17. Dezember 2015 unterzeichnet haben.

Darin haben sich die beiden größten Kassenverbände in Niedersachsen verpflichtet, die tarifvertraglichen Bindungen bei den Vergütungsverhandlungen für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen zu berücksichtigen. Am 12. April 2016 haben die kommunalen Spitzenverbände eine inhaltsgleiche Erklärung abgegeben. Von dieser Zusage ist ein deutlicher Impuls zu erwarten, die Bezahlung der Beschäftigten in der Altenpflege nach Tarifverträgen auszuweiten.

Zu Frage 3: Das Thema Vernetzung ist ein zentrales Ziel des Masterplans „Soziale Gesundheitswirtschaft“. Dabei geht es zunächst um eine bessere Vernetzung von Gesundheits-, Wirtschafts- und Forschungspolitik und von den Maßnahmen aus diesen Bereichen. Die Landesregierung unterstützt die Vernetzung durch die Schaffung und Sicherung von geeigneten Strukturen. Die im Masterplan genannten Maßnahmen verfolgen das Ziel der Vernetzung sowohl auf der Struktur- als auch auf der Projektebene, um ein stärkere Zusammenarbeit und sektorenübergreifende Ansätze zu fördern.

Zu nennen sind hier als Beispiel die Gesundheitsregionen. Mit dem Auf- und Ausbau von Gesundheitsregionen in Niedersachsen wird das Ziel verfolgt, eine bessere sektorenübergreifende Verzahnung medizinisch-ambulanter, stationärer, rehabilitativer und pflegerischer Versorgung zu erreichen. Ziele sind die kommunale Strukturbildung und die Projektförderung. Der Strukturaufbau wird aus Landesmitteln laut Förderrichtlinie bis zum Jahr 2017 in den Landkreisen und kreisfreien Städten über zwei Jahre als Anschubfinanzierung mit insgesamt bis zu 25 000 Euro je Kommune gefördert.

Im Rahmen der Gewährung der Mittel zum Strukturaufbau in den Gesundheitsregionen Niedersachsens gibt es 48 potenzielle antragstellende Landkreise und kreisfreie Städte. Davon haben bereits 32 Anträge auf Strukturförderung bewilligt werden können. Vier Landkreise haben eine Antragstellung angekündigt. Ein potenzieller Antragsteller hat erklärt, dass er keine Förderung beantragen wird. Insgesamt elf potenzielle Antragstellende haben sich noch nicht konkret geäußert, ob eine Teilnahme in Betracht gezogen wird.

Mit der Projektförderung werden innovative medizinische Versorgungs- und/oder Kooperationspro

jekte, z. B. zur Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und nicht ärztlichen Gesundheitsberufen unter Berücksichtigung des Patientenbedarfs gefördert. Die Landesregierung unterstützt außerdem weitere Netzwerke zu einzelnen Themenfeldern des Masterplans, z. B. die Initiative eHealth.Niedersachsen und die Netzwerkinitiative BioRegioN des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, die jeweils im Masterplan genannt sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren, es liegen einige Wortmeldungen für Zusatzfragen vor. Es beginnt Frau Dr. Wernstedt, SPD-Fraktion. Bitte sehr!

Ich frage die Landesregierung, welche Bedeutung die soziale Gesundheitswirtschaft als Jobmotor hat.

Danke schön. - Frau Ministerin!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die soziale Gesundheitswirtschaft ist der Jobmotor überhaupt für Niedersachsen. Nach den Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung, WifOR GmbH, im Jahr 2013 ist wirklich jede bzw. jeder siebte Erwerbstätige in der Gesundheitswirtschaft beschäftigt. Der Erwerbstätigenanteil ist seit dem Jahr 2000 von 14,2 % auf 15,1 % gestiegen. Es handelt sich hierbei um den Bereich der gesamten Gesundheitswirtschaft, weil dies eben einer der Bereiche ist, der extrem personalintensiv ist.

Gleiches, muss man sagen, gilt aber auch für den eher kapitalintensiven Bereich der Forschung und der Herstellung von Produkten. Wir wissen, dass inzwischen ca. 25 % der neu geschaffenen Arbeitsplätze im Bereich der Gesundheitswirtschaft geschaffen werden.

Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Gudrun Pieper, CDU-Fraktion.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Frau Ministerin, Sie haben eben ausgeführt, dass bei der hausärztlichen Versorgung die Verantwortung bei der KVN liegt. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, weil Sie ja auch gestern auf dem Parlamentarischen Abend mitgeteilt haben, dass es ein Arbeitspapier von MS und KVN gibt, aber keine Einigkeit, wie Sie denn die Einigkeit herstellen wollen, um letztendlich die hausärztliche Versorgung flächendeckend zu gewährleisten.