Danke, Herr Kollege Seefried. - Das Wort hat jetzt für die Landesregierung Frau Kultusministerin Heiligenstadt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vom Niedersächsischen Landtag mit großer Mehrheit beschlossenen Gesetz zur Einführung der Inklusiven Schule in Niedersachsen vom März 2012 sind die Förderschulen im Förderschwerpunkt Lernen aufsteigend aufgehoben worden. Die durch das Gesetz neu gefassten §§ 4 und 14 waren - jahrgangsweise aufsteigend - erstmals für diejenigen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf wirksam, die sich im Schuljahr 2013/2014 im ersten oder fünften Jahrgang befanden. Das bedeutet, dass seither - wir befinden uns nunmehr bekanntermaßen im Schuljahr 2016/2017 - die Bestimmung bereits auf vier Schuljahrgänge anzuwenden war, indem die Schülerinnen und Schüler nicht mehr in eine Förderschule im Förderschwerpunkt Lernen aufgenommen worden sind.
In der Begründung des damaligen Gesetzentwurfs der Fraktionen von CDU und FDP hieß es dementsprechend zu § 14 - ich zitiere -:
„Es können weiterhin Förderschulen mit den jeweiligen Förderschwerpunkten geführt werden. Der Primarbereich im Förderschwerpunkt Lernen soll schrittweise aufgehoben werden.“
Bei der Regelung in § 183 des Niedersächsischen Schulgesetzes handelt es sich somit um eine Folgeänderung zum Gesetz zur Einführung der Inklusiven Schule aus dem März 2012.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz zur Einführung der Inklusiven Schule diente auch nach damaliger Begründung des Gesetzentwurfs der Umsetzung des Artikels 24 der UN-Behindertenrechtskonvention.
Es wird derzeit kein Grund gesehen, von dem Gesetz, das vom damaligen Kultusminister Althusmann als Mustergesetzentwurf für alle Ländergesetze in den nächsten Jahren hoch gelobt und angepriesen worden ist, wieder abzukehren. Oder wollen Sie die UN-Behindertenrechtskonvention eventuell auch rückgängig machen?
(Christian Grascha [FDP]: Das ist doch Quatsch, was Sie sagen! Steht darin etwas von Förderschulen?)
Die UN-Behindertenrechtskonvention verlangt die Inklusion von Kindern mit Behinderung an Regelschulen. Der Umbau der Bildungslandschaft hin zum inklusiven, von allen Schülerinnen und Schülern gleichberechtigt nutzbaren Schulsystem ist ohne Alternative.
Heterogenität, meine sehr verehrten Damen und Herren, bestimmt das Wesen der Lerngruppen und wird als Grundlage der schulischen Arbeit begriffen und auch akzeptiert. Die in unserem Schulgesetz verankerte individuelle Förderung ist ein integraler Bestandteil jeder Unterrichtsplanung und der Unterrichtsgestaltung.
Es ist der Auftrag der Inklusiven Schule, dem individuellen Unterstützungsbedarf - dazu gehört ja auch der sonderpädagogische Unterstützungsbedarf - jeder Schülerin und jedes Schülers gerecht zu werden.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der FDP soll quasi rückwirkend die bereits in vier Schuljahrgängen aufgehobene Förderschule im Förderschwerpunkt Lernen wieder eingeführt werden. Wie dies ohne eine Zeitmaschine aus dem Science-FictionFilm „Zurück in die Zukunft“ geschehen soll, entzieht sich meiner Kenntnis.
Mir ist jedenfalls bei Durchsicht Ihres Gesetzentwurfs auch etwas schwindelig geworden. Erst lassen Sie sich im Jahr 2012 für die Einführung der Inklusion feiern, dann wollen Sie sie 2016 quasi
rückwirkend aussetzen, um sie dann in 2026/2027 wieder einzuführen. Und dann wollen Sie - wenn ich den Gesetzentwurf richtig verstehe - die ja schon vollzogene Einführung der Inklusion rückwirkend von der Zustimmung der Schulträger abhängig machen, denen wir aber landesseitig bereits seit 2015 die Kosten für die Inklusion erstatten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wollen wir dieses Chaos unseren Schulen wirklich zumuten? Sollen die Schülerinnen und Schüler, die zum Schuljahr 2016/2017 ein oder mehrere Jahre inklusiv auf einer allgemeinen Schule beschult wurden,
wieder zurück in die Förderschule Lernen eingeschult werden? Sollen die Schulträger ihre teilweise bereits mit anderen Schülerinnen und Schülern belegten ehemaligen Förderschulen wieder neu aufbauen oder freiräumen? - Ich sage nur: Konnexität lässt grüßen!
Die FDP will offensichtlich „Zurück in die Zukunft“, Teil 4, in Niedersachsen drehen. Anders ist der Gesetzentwurf nicht zu verstehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben erst die Voraussetzungen geschaffen, die Sie den Schulen nicht mit auf den Weg gegeben haben. Wir haben umfangreiche Fortbildungen auf den Weg gebracht. Wir haben zusätzliche Lehrkräfte eingestellt.
Das ist der Weg, auf den wir uns begeben müssen. Denn gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung ist die Zukunft.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Sie sind nicht einmal bereit, mit den Eltern zu reden! Unglaublich!)
zeit. Herr Kollege Försterling, so ist das zu verstehen? - Okay. Angesichts der Überziehung der Redezeit durch die Landesregierung und Ihrer Restredezeit lege ich das jetzt auf zweieinhalb Minuten fest. Wenn Sie es kürzer machen, umso besser.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Rede der Ministerin kann man eigentlich nur feststellen: Es war ein sehr technokratischer Vortrag. Sie hat sich sehr viel mit den juristischen Formulierungen beschäftigt. Sie hat am Ende wieder das gemacht, was sie immer macht, nämlich Zahlen in den Raum gestellt, indem sie aufsummiert, was man alles in fünf Jahren ausgibt. Das, was sie nicht gesagt hat oder wozu sie keine Stellung genommen hat, sind die aktuellen Probleme bei der Umsetzung der Inklusion in den Schulen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Frau Ministerin, Sie haben gerade wieder einmal gezeigt: Sie wissen nicht, was in den Schulen vorgeht. Die Schülerinnen und Schüler scheinen Ihnen völlig egal zu sein.
(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Christian Grascha [FDP]: So ist es! Genauso ist es!)
Vielen Dank. - Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte zusätzliche Redezeit in Anspruch nehmen. Weil es für Sie keine Restredezeit mehr gibt, Herr Scholing, kann ich nur die zeitliche Überziehung durch die Landesregierung in Ansatz bringen. Das ist eine Minute. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei wirklich kurze Bemerkungen: Erstens haben wir bei der Herbsttagung des Verbandes Sonderpädagogik - vds - einen Vortrag von Herrn Professor Werning gehört. Diese Debatte, die wir hier haben, und Ihr Gesetzentwurf konterkarieren alle wissenschaftlichen Ergebnisse, die dort vorgestellt worden sind.
Zweitens. Ich habe Herrn Fricke, den Vorsitzenden, sehr eindringlich uns Politiker ermahnen gehört: Hört auf, gerade dieses Thema Inklusive Schule zu eurem Kampfthema zu machen! Hört auf, es gegebenenfalls sogar in den Wahlkampf hineinzuziehen!
Ich habe diesen Appell sehr deutlich gehört. Insofern halte ich die Debatte, die wir hier führen, für absolut nicht zielführend, um die Inklusive Schule wirklich weiterzuentwickeln.
Herr Scholing, wenn Sie einen Moment am Pult stehen bleiben, können Sie gleich mit Ja oder Nein antworten, ob Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Dürr beantworten.
Herr Kollege Scholing, Sie haben gesagt, wir sollen aufhören, darüber zu sprechen. Ich möchte Sie einfach fragen, wie wir als Oppositionsfraktion mit den zahlreichen Beschwerden, die wir täglich zum Thema Inklusion bekommen, nach Ihrer Auffassung umgehen sollen.
Ich habe zwei Vorschläge dazu. Der erste Vorschlag ist negativ formuliert: Ein Gesetzentwurf, der eine Rolle rückwärts beinhaltet, hilft nicht weiter und würde die Arbeit, die in den Schulen in den Regionen stattfindet, wirklich konterkarieren.
Punkt 2: Wir werden im Januar eine sehr umfängliche Anhörung durchführen. Diese sehr umfängliche Anhörung wird hoffentlich dazu beitragen - - -
- Die Anhörung ist doch die Voraussetzung dafür, dass wir Expertenwissen nutzen, um damit parlamentarisch in die weitere Debatte zu gehen.