Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Nachmittagssitzung mit einer Unterrichtung durch die Landesregierung beginnt, die Herr Innenminister Pistorius vornehmen wird.

Wir machen jetzt bis 15 Uhr Pause. Ich wünsche Ihnen eine gute Mittagszeit!

(Unterbrechung der Sitzung von 13.23 Uhr bis 15.00 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung und rufe eine Unterrichtung außerhalb der Tagesordnung auf:

Außerhalb der Tagesordnung: Unterrichtung durch den Minister für Inneres und Sport über ein aktuelles Ereignis

Der Herr Innenminister hat den Herrn Landtagspräsidenten darüber informiert, dass er beabsichtigt, den Landtag gemäß Artikel 23 Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung über ein aktuelles Ereignis zu unterrichten. Er hat darum gebeten, dass die Unterrichtung jetzt erfolgen möge. Das wird natürlich so gemacht. Herr Minister, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der vergangenen Nacht ist der erste der beiden Gefährder aus Göttingen, gegen die wir eine Abschiebungsanordnung erlassen haben, abgeschoben worden. Der 22-jährige Nigerianer ist gestern, begleitet von Beamten des SEK, mit einem Helikopter zum Abflughafen verbracht und dort an die für die Flugbegleitung zuständige Bundespolizei übergeben worden.

Die Flugabschiebung im Rahmen eines Sammelcharters ist nach Auskunft der Bundespolizei ruhig und ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Der Nigerianer befindet sich nun seit den Morgenstunden in Lagos in Nigeria. Um 8.50 Uhr Ortszeit wurde der Betroffene zusammen mit den anderen aus Deutschland abgeschobenen Personen den nigerianischen Behörden übergeben. Eine Wiedereinreise nach Deutschland ist ihm auf Lebenszeit verboten. Eine legale Wiedereinreise ist ihm damit verwehrt. Sollte er auf illegale Weise wieder nach Deutschland einreisen, würde er bei einem Aufgriff unverzüglich erneut in Abschiebungshaft genommen.

Zum Hintergrund: Der 22-Jährige war in der Nacht zum 9. Februar 2017 gemeinsam mit einem ebenfalls als Gefährder eingestuften 27-jährigen algerischen Staatsangehörigen bei einem Polizeieinsatz in Göttingen in Gewahrsam genommen worden. Der Einsatz erfolgte im Zusammenhang mit einem möglicherweise konkret bevorstehenden terroristischen Anschlag.

In der Folge hat das Innenministerium Abschiebungsanordnungen nach dem Aufenthaltsgesetz gegen beide Gefährder erlassen. Nach § 58 a Aufenthaltsgesetz kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine solche Maßnahme zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr erforderlich ist.

Die vorliegenden sicherheitsbehördlichen Erkenntnisse und die Ermittlungsergebnisse, die im Zusammenhang mit den Durchsuchungen im Februar dieses Jahres erzielt worden waren, begründeten die Annahme einer solchen Gefahr. Auf der Grundlage der Abschiebungsanordnungen hatte das Amtsgericht Braunschweig Abschiebehaft gegen beide Männer angeordnet.

Gegen die Abschiebungsanordnung hat der 22jährige Nigerianer in erster und letzter Instanz beim Bundesverwaltungsgericht Rechtsmittel eingelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat darauf mit Beschluss vom 21. März 2017 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mangels Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt.

Auch das darüber hinaus vom Betroffenen kürzlich angerufene Bundesverfassungsgericht hat der Rechtsverfolgung keine ausreichende Aussicht auf Erfolg zuerkannt und daher die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Im Ergebnis konnte der Betroffene somit abgeschoben werden.

In einer Abschiebungsanordnung nach § 58 a Aufenthaltsgesetz hat Niedersachsen bundesweit erstmalig dieses schärfste Schwert des Ausländerrechts angewandt, um eine konkrete Gefahr abzuwenden. Wir senden damit als Landesregierung bundesweit ein klares Signal an alle Fanatiker, dass wir ihnen keinen Zentimeter für ihre menschenverachtenden Pläne lassen. Sie haben jederzeit mit der vollen Härte der uns zur Verfügung stehenden Mittel zu rechnen, völlig egal, ob sie hier aufgewachsen sind oder nicht.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Auch die Abschiebung des 27-jährigen Algeriers ist in Vorbereitung. Insbesondere bleibt noch die seitens des Bundesverwaltungsgerichts geforderte und vom Auswärtigen Amt einzuholende Zusicherung der algerischen Behörden abzuwarten, dass dem Betroffenen in Algerien keine Folter droht. Bis

zur Durchführung der Abschiebung bleibt der Algerier in der JVA Langenhagen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, nach unserer Geschäftsordnung ist über die Ausführungen die Besprechung zu eröffnen, wenn dies zehn Mitglieder des Landtags verlangen. Ich frage daher: Wird eine Besprechung verlangt?

(Jens Nacke [CDU]: Ja!)

- Das wird von der CDU-Fraktion verlangt. Sie hat mehr als zehn Mitglieder. Somit wird diese Besprechung stattfinden.

Die Unterrichtung des Ministers hat vier Minuten gedauert. Daher bekommen die großen Fraktionen auch jeweils vier Minuten und die beiden kleineren jeweils zwei Minuten Redezeit.

Herr Nacke, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind zufrieden, dass die Arbeit der Göttinger Polizei in den hier besprochenen Fällen herausragend gewesen ist. Auch im Untersuchungsausschuss ist bereits bei der Aussage des dortigen Polizeipräsidenten deutlich geworden, dass in Göttingen wirklich gute Polizeiarbeit geleistet wird, wie sich sehr schnell, nämlich bereits einen Tag später, konkret in der Festnahme dieser beiden Personen gezeigt hat.

Sie sind einen weiten Weg gegangen: von „Es gibt keine Probleme“ bis hin zu „Niedersachsen ist Vorreiter bei einem Abschiebeverfahren nach § 58 a“.

Wir können uns nur ungefähr vorstellen, welch weiter Weg es wohl auch für die Grünen gewesen sein muss, dass nunmehr mit ihrer Zustimmung ein niedersächsischer Innenminister Personen, die eine dauerhafte Duldung haben, die sich jedenfalls strafrechtlich nichts haben zu Schulden kommen lassen, abschieben lässt. Denn bei den Abzuschiebenden ist kein Anfangstatbestand festgestellt worden; lediglich die Polizei hat festgestellt: Diese Menschen sind so gefährlich, dass sie sich in Deutschland nicht aufhalten dürfen. Deswegen

müssen sie unser Land verlassen. - Das war eine richtige Entscheidung, aber ein verdammt weiter Weg für diese Landesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen wollen wir jetzt auch die Frage stellen - die stellt sich im Zusammenhang mit der Beratung des Niedersächsischen SOG -: Was wäre, wenn sie einen deutschen Pass gehabt hätten, Herr Minister? - Diese Frage ist unbeantwortet. Oder was wäre, wenn sie zwei Pässe gehabt hätten, zwei Staatsangehörigkeiten, von denen eine die deutsche gewesen wäre? - Dann wäre Ihnen der Weg, den Sie heute gewählt haben, verwehrt geblieben. Dann hätten Sie keine Antwort geben können. Sie hatten sogar bislang geplant, das mögliche Unterbindungsgewahrsam von zehn auf vier Tage zu kürzen. Für diese Spezialfälle wird das nun wieder aufgehoben. Sie sind dann bei zehn Tagen.

Die Frage, was nach diesen zehn Tagen mit Menschen, die so gefährlich sind, dass sie andere Menschen das Leben kosten könnten, geschehen soll, haben Sie nicht beantwortet. Diese Antwort bleiben Sie schuldig. Ich finde, Sie müssen den Menschen in Niedersachsen sagen, wie Sie auf solche Situationen reagieren wollen.

Die CDU-Fraktion hat mit ihrem Gesetzentwurf die Antwort darauf gegeben. Sie drücken sich bislang vor einer Antwort. Da hilft auch dieses einmalige Verfahren, das Sie hier heute angesprochen haben, nichts.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Nacke. - Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Watermann für die SPDFraktion. Bitte sehr, Herr Watermann! Sie haben die gleiche Redezeit.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die sozialdemokratische Fraktion ist froh, dass dieser Gefährder abgeschoben ist und der andere noch hinterhergeschickt wird. Es ist meines Erachtens wichtig, dass wir in diesem Parlament neben dem ganzen Streit noch ein paar Feststellungen treffen, bei denen wir gemeinsam und ganz deutlich Akzente setzen. Denn wenn man sich zurückerinnert, kann man sagen, dass es bei früheren Gefahrensituationen in der Bundesre

publik immer ganz gut funktioniert hat, wenn man als demokratische Kräfte gemeinsam gestanden hat. Menschen, die nicht unsere Staatsbürgerschaft haben und solche Gefährder sind, müssen festgesetzt und dann auch abgeschoben werden.

Dass ein Instrument benutzt worden ist, das man vorher noch nicht angewandt hat, zeigt, dass man verschärfte Gesetze auch anwendet. Diese konsequente Anwendung ist aus meiner Sicht genau der richtige Weg.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Nacke, genau das müssen wir auch mit Blick auf das Gefahrenabwehrgesetz bedenken. Wir müssen nämlich zunächst einmal festlegen, was Gefährder sind. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Viele diskutieren nämlich darüber, ohne diesen Begriff genau festgelegt zu haben. Ich glaube, auch das wird ein spannender Aspekt bei der Beratung der Gesetzentwürfe sein; denn wir reden immerhin über Menschen, die wir zwar als Gefährder einstufen, die aber noch keine Straftat begangen haben. Ich glaube, in einer Demokratie müssen wir auch diese Auseinandersetzung miteinander führen, weil hier an die Grenzen unserer Möglichkeiten gegangen wird.

Ich möchte dafür appellieren, dass wir nicht nur bei der Göttinger Polizei, sondern bei der Polizei in Niedersachsen insgesamt und auch an allen anderen Stellen eine Situation schaffen, die mich beruhigt, weil ich etwas sehe, was wir auch erwarten. Die Polizei und die Sicherheitskräfte analysieren alles, was sie machen, und schauen, wie man es danach besser machen kann. Das Wichtigste ist, dass wir uns darüber klar werden, dass wir vorher nie wissen, wie sich Gefahrenpotenziale entwickeln. Dann, wenn wir sie sehen, müssen wir aber auch unsere Lehren daraus ziehen. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Schritt ist.

Genauso wichtig ist es, dabei genau darauf zu achten, dass wir die Freiheit deshalb nicht infrage stellen. Deshalb bin ich froh, dass die Polizei und die Behörden in diesem Fall so gut gearbeitet haben. Ich sage ganz deutlich: Vielleicht sollten wir, wenn wir uns mit diesen Themen befassen, einmal darüber nachdenken, warum es in den 70er-Jahren besser geklappt hat, wenn man Runden beim Kanzler gemacht und genau überlegt hat, wie mit solchen Themen umzugehen ist. Damals war die Zielsetzung nicht, die Öffentlichkeit und den Streit zu suchen, sondern das Ziel bestand darin, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Vielleicht wäre das die richtige Lehre aus dieser Situation.

Wir haben den Entwurf eines Gefahrenabwehrgesetzes, den die Regierung eingebracht hat, und wir haben Ihren Vorschlag. Nun lassen Sie uns um den richtigen Weg streiten! Ich glaube, dass es sich lohnen wird. Die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit ist der schwierigste Weg, den wir vor uns haben. Beides gehört zusammen, beides geht. Das hat der aktuelle Fall gezeigt. Vielleicht ist es auch mal gut, geschlossene demokratische Fronten gegen diesen Terror zu haben. Vielleicht würde das auch in der Öffentlichkeit helfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Watermann. - Weitere Wortmeldungen liegen hierzu nicht mehr vor. Damit sind wir am Ende der Besprechung.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 21: 41. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 17/7680 - strittige und unstrittige Eingaben - Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/7766 - Änderungsantrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/7769

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die unter Nr. 46 aufgeführte Eingabe 02976/11/17 zunächst erneut an den Petitionsausschuss zurückzuüberweisen und dort beraten zu lassen. Ich halte Sie für damit einverstanden, so zu verfahren.

(Petra Tiemann [SPD]: Ja!)

Das ist so.

Dann erübrigt sich zugleich die Abstimmung über den auf diese Eingabe bezogenen Änderungsantrag der FDP.