Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bund und Länder stehen vor der Herausforderung, ihre Finanzbeziehungen neu zu ordnen. Dabei müssen sie die Frage klären, wie sie künftig die Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu verteilen wollen.
2019 laufen der Länderfinanzausgleich und der Solidarpakt II, also die Transferleistungen an die neuen Bundesländer, aus. Gleichzeitig haben die Länder spätestens zu diesem Termin die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten. Es ist nachvollziehbar, dass damit auch der Solidaritätszuschlag in den Fokus der Verhandlungen kommt.
Bei dieser komplexen Sach- und Interessenlage machen einzelne Vorfestlegungen keinen Sinn. Mit Vorschlägen, die - wie bei diesem Antrag - einseitig den Bund belasten, sollte man gerade auch im niedersächsischen Interesse sehr zurückhaltend sein.
Zwar ist der Solidaritätszuschlag im Zusammenhang mit der deutschen Einheit eingeführt worden. Aber seine Einnahmen fließen in den Bundeshaushalt zur Deckung allgemeiner Ausgaben ein. Wer - wie die Antragsteller - der Meinung ist, man könne den Solidaritätszuschlag ersatzlos streichen, muss den Ausfall durch geringere Ausgaben kompensieren. Diese Konsequenz hat die FDP in
ihrem Antrag völlig ausgeblendet und bleibt dort - nicht zum ersten Mal - jegliche Antwort schuldig, wo sie denn Einsparungen vornehmen möchte.
Frau Geuter, ich muss Sie eben unterbrechen. - Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grascha?
Vor diesem Hintergrund wundert es schon, dass die Vertreter der CDU-Fraktion im Haushaltsausschuss dem FDP-Antrag zugestimmt haben und wohl auch heute zustimmen werden. Das wird Frau Merkel sicherlich mit großer Freude zur Kenntnis nehmen.
Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Neuregelung der gesamten bundesstaatlichen Finanzbeziehungen gibt es inzwischen eine Vielzahl von Vorschlägen zur zukünftigen Verwendung der Mittel des Solidaritätszuschlages sowohl von der Bundeskanzlerin als auch von verschiedenen Ministerpräsidenten und von den kommunalen Spitzenverbänden. Selbst Herr Söder hat vor wenigen Tagen neben vielen anderen Vorschlägen den Anspruch erhoben, zumindest Teile der Mittel des Solis für die Zwecke der Länder zu verwenden.
Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Ergänzungsabgaben dürfen nur einen zusätzlichen, aufgabenbezogenen, nicht dauerhaften Finanzbe
darf abdecken. Nicht alle der jetzt bekannten Vorschläge zur Zukunft des Solidaritätszuschlages erfüllen diese verfassungsrechtliche Vorgabe. Dafür wären andere rechtliche Grundlagen erforderlich.
Es ist - darauf habe ich schon bei der letzten Diskussion verwiesen - im Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung vereinbart, dass für die Fragen, die mit der Neuregelung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen zusammenhängen, eine Kommission gebildet wird, die alle Themenbereiche mit einbezieht, nämlich den Länderfinanzausgleich, den Europäischen Fiskalpakt, die Einhaltung der Schuldenbremse, den Umgang mit den Altschulden der Länder, die Zukunft des Solidaritätszuschlages, aber auch die sogenannten Entflechtungsmittel und die Gemeindeverkehrsfinanzierung. Dazu sind inzwischen die ersten Schritte eingeleitet worden, und das weitere Vorgehen ist abgesprochen worden. In diese Diskussion sollten wir uns kritisch und konstruktiv einbringen, wie es auch die Landesregierung getan hat. Wir befinden uns da in voller Übereinstimmung mit unserem Finanzminister und auch mit dem Ministerpräsidenten.
Das macht im Interesse unseres Landes deutlich mehr Sinn als populistische Schnellschüsse zulasten Dritter, wie Sie sie hier mit Ihrem Antrag vorgelegt haben.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Mohr das Wort. Bitte schön!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach der Einführung des Solidaritätszuschlages 1991 - es war ja erst eine kurzfristige Angelegenheit - sind wir nun dank der Wiedereinführung 1994/1995 jetzt im 20. Jahr einer ununterbrochenen Phase „Solidaritätszuschlag“. Das ist
also nicht nur eine steuerrechtliche Realität, sondern quasi auch eine kassenwirksame tätige Hoffnung für den Aufbau Ost.
Viel ist erreicht worden. Darauf habe ich bereits in meiner Rede im Zuge der ersten Beratung am 16. Mai 2014 hingewiesen. Allerdings übersteigt das Steueraufkommen des Bundes aus dem Solidaritätszuschlag seit Jahren die Transferleistungen im Rahmen des Solidarpaktes II. Sicherlich besteht kein direkter, kein formaler Zusammenhang zwischen der gesetzlichen Regelung des Solidaritätszuschlages und dem Solidarpakt II, der bis 2019 läuft. Aber es ist doch eine Frage der politischen und auch der verfassungsrechtlichen Legitimation des Solidaritätszuschlages. Darauf hat auch Frau Kollegin Geuter eben hingewiesen. Denn das Gesamtaufkommen des Solidaritätszuschlages wird, wenn ich es bis zum Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahre 2019 hochrechne, dessen Leistungsaufkommen für den Aufbau Ost um rundweg 100 Milliarden Euro übersteigen. Spätestens dann sind wir in einer Legitimationskrise für den Solidaritätszuschlag.
Im Zuge der ersten Beratung hier im Plenum, im Fachausschuss und eben im Wortbeitrag der Kollegin Geuter hat es Hinweise an die CDU-Fraktion gegeben, was die Willensbildung in unserer Partei - auch in Berlin - angeht. Ja, wir haben hier ganz bewusst offensiv eine Position vertreten - Christian Grascha hat es eben auch angesprochen - und uns hier quasi frühzeitig aus der Deckung gewagt, indem wir gesagt haben: Eine befristete zusätzliche steuerpolitische Maßnahme muss, wenn der Hauptzweck erkennbar erfüllt ist, auslaufen. Hier muss ein Beitrag zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger geleistet werden.
Frau Ministerin Heiligenstadt hat eben in ihrer Rede davon gesprochen, dass sich das Land auch einmal frühzeitig festlegen und positionieren muss. So sehen wir das auch hier. Ich kann Christian Grascha nur beipflichten. Wenn SPD und Grüne in ihren Beiträgen immer sagen: „Es gibt viele Ideen, viele Optionen, viele Möglichkeiten. Wir wissen nicht ganz genau. Wir schauen mal. In dieser unklaren Position sind wir uns aber völlig einig.“, dann ist das doch relativ wenig.
„Die Leistungen an die ostdeutschen Länder im Rahmen des Solidarpaktes II sind bis 2019 festgeschrieben, sie sind also befristet. Auch wenn der Solidaritätszuschlag seit 1995 unbefristet erhoben wird - das ist vom Bundesfinanzhof auch so bestätigt worden -, ist er ab 2019 in der Form der Ergänzungsabgabe wohl nicht mehr zu rechtfertigen.“
Zitat Renate Geuter, 36. Plenarsitzung am 16. Mai 2014. Wenn er als Ergänzungsabgabe nicht mehr zu rechtfertigen ist, dann lassen Sie uns doch an einem solchen Freitagnachmittag von diesem Niedersächsischen Landtag aus einmal ein Signal nach Berlin und in diese Republik geben, indem wir sagen: Ja, dann muss 2019 damit auch Schluss sein!
Ich finde, wir können uns das gemeinsam zutrauen. Wir als CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag trauen uns das zu - auch ganz bewusst als Signal nach Berlin. Man kann zwar immer schauen und ein bisschen abwarten. Aber ich finde, man kann auch einmal mutig vorangehen und eine Position ganz selbstbewusst vertreten. Es wäre schön, wenn bei der ambitionslosen Haushaltspolitik, die Rot und Grün in diesem Landtag sonst vertritt und vorlegt, wir diesen Weg gemeinsam beschreiten könnten.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich nun Herrn Abgeordneten Heere das Wort. Bitte!
„Eine nachhaltige Finanzierung unserer öffentlichen Haushalte braucht klare Konzepte und kein Wahlkampfgetöse.“
Das ist ein Zitat aus meiner Rede zum gleichen Tagesordnungspunkt vor einem Monat, als die FDP neun Tage vor der Europawahl mit diesem Thema noch schnell ein par Stimmen abgreifen wollte. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der
FDP, ich glaube, die Wählerinnen und Wähler haben Ihnen am 25. Mai sehr eindrucksvoll gezeigt, dass Sie mit dieser Art von Wahlkampfgetöse nun wirklich keinen Blumenpott mehr gewinnen können.
Bis zur Ausschussberatung nahm ich an, dass zumindest die CDU an dieser Stelle etwas mehr Realismus an den Tag legt. Da habe ich mich wohl getäuscht. Die niedersächsische CDU-Fraktion ist bei der Finanzpolitik in ihrer eigenen Partei offensichtlich komplett isoliert und adaptiert völlig freischwebend die erfolglose Politik der FDP.
die Verhandlungen zur Neuordnung des Länderfinanzausgleiches werden sicher nicht leicht. Aber in einem können wir sicher sein: Der Soli wird in diesen Verhandlungen eine wichtige Rolle spielen. - Wenn Sie nun schon im Vorfeld dieser Verhandlungen den Solidaritätszuschlag komplett abräumen, dann schaden Sie willentlich den Interessen des Landes Niedersachsen. Gut, dass Sie keine finanzpolitische Verantwortung mehr für dieses Land tragen!