Protokoll der Sitzung vom 18.04.2018

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Da- rum geht es doch gar nicht!)

Ich sage es Ihnen hier offen und ehrlich: Ihr Entschließungsantrag ist ein politisches Kampfinstrument gegen missliebige und nonkonforme Eltern jedweder Couleur.

(Zustimmung bei der AfD)

Mit der Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung sollen Kinderrechte zukünftig so definiert werden, wie es der Staat für sinnvoll hält, um im Zweifel das im Grundgesetz festgeschriebene Erziehungsrecht der Eltern einfach umgehen zu können. Nichts anderes steckt dahinter.

Was hier also mit dieser wohlfeinen Parole „Kinderrechte in die Verfassung“ so harmlos und augenscheinlich wohlmeinend daherkommt, ist in Wahrheit nichts anderes als die Aushebelung des grundgesetzlich garantierten Erziehungsrechts der Eltern.

Meine Damen und Herren, der Staat fungiert damit als Anwalt der Kinder gegen die eigenen Eltern. Das Kindeswohl definiert dann gleichsam der Staat, und wehe dem, der sich anmaßt, seine Kinder eigenverantwortlich zu erziehen.

Hier muss abschließend unmissverständlich gesagt werden: Ihr Antrag ist ein Schlag gegen das in unserem Grundgesetz verankerte Erziehungsrecht der Eltern. Nicht mit uns! Wir stehen für Freiheit, Eigenverantwortung und Vertrauen in die Leistung der Eltern in unserem Land. Stärken wir lieber die Rechte der Eltern und der Familien!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Herr Bothe, vielen Dank für Ihren Beitrag. - Das Präsidium ist übereingekommen, sich hinsichtlich Ihrer Äußerungen zu Außenminister Heiko Maas den Stenografischen Bericht sehr genau anzuschauen und morgen gegebenenfalls dazu etwas zu sagen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ansonsten würde ich Sie bitten, Jugendämter nicht mit Stasimanier zu vergleichen. Das war ein absolut unparlamentarischer Sprachgebrauch. Bitte vermeiden Sie so etwas künftig!

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben jetzt die Wortmeldung zu einem Redebeitrag der Kollegin Immacolata Glosemeyer von der SPD-Fraktion vorliegen. Frau Glosemeyer, bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für Ihre Anmerkungen zu den Ausführungen, die hier zu den Jugendämtern gemacht worden sind; denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter sind sich sehr wohl ihrer Verantwortung bewusst, wenn sie Kinder aus einer Familie nehmen. Sie prüfen solche Maßnahmen sehr genau. Im Interesse des Kindeswohls belassen sie die Kinder so lange wie möglich in den Familien, um ihnen die familiäre Umgebung weiterhin zu erhalten.

Deshalb muss ich sagen, dass Ihre Rede, Herr Bothe, sehr abenteuerlich und von einer Paranoia geprägt war, die wir auch schon bei Ihrer ersten Rede wahrnehmen durften. Ich werde jetzt nicht weiter darauf eingehen, weil ich glaube, dass Sie in dieser Hinsicht ein wenig beratungsresistent sind.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kinder und Jugendliche haben als eigenständige Personen das Recht auf Achtung ihrer Würde und auf gewaltfreie Erziehung. Wenn es nach dem gehen würde, was Sie, Herr Bothe, hier vorgetragen haben, würde es heißen, dass Eltern auch weiterhin ihre Kinder schlagen dürfen, weil sie über diese die Gewalt haben.

(Zuruf von der AfD: Das ist jetzt schon verboten! Was haben Sie für Vorstel- lungen? - Weitere Zurufe)

- Genau. Das ist auch jetzt schon verboten. Das ist gut so, und alles andere - - - Ja, gut.

So steht es in unserer Landesverfassung. Kinderrechte haben bei uns in Niedersachsen Verfassungsrang. Das ist auch gut so.

Wir sind auf einem guten Weg. Dazu hat die UNKinderrechtskonvention beigetragen. Endlich gibt

es eine Regelung, die Kindern das Recht auf gewaltfreie Erziehung zusichert. Der Jugendarbeitsschutz wurde verbessert. Alle drei- bis sechsjährigen Mädchen und Jungen haben einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Wir treiben den Kindergartenausbau weiterhin voran, auch wenn die AfD jetzt wahrscheinlich suggeriert, wir wollten den Eltern die Kinder wegnehmen und in den Kindergarten stecken, damit sie ja nicht zu viel mit den Eltern zu tun haben. Heute gibt es außerdem mehr und bessere Mitbestimmungs- und Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Städten und Gemeinden als noch vor 15 oder 20 Jahren. Das alles sind Auswirkungen und Erfolge der UN-Kinderrechtskonvention. Und doch gibt es noch einiges zu tun.

Die Diskussion über die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz führen wir schon seit vielen Jahren. An politischen Initiativen mangelte es nicht. Die SPD beantragte schon 1992 erstmalig die Erweiterung des Grundgesetzes um Kinderrechte. Auch viele Organisationen haben sich in der Vergangenheit klar dafür ausgesprochen, Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen.

Sie alle haben sicherlich die aktuelle Presseerklärung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und des Landesjugendringes erhalten, in der sie ihre Freude zum Ausdruck bringen und der Niedersächsischen Landesregierung sogar ein Lob aussprechen. Das hat man ja auch nicht so oft. Insofern vielen Dank dafür! Ich freue mich daher sehr, dass auch die SPD und die CDU auf Bundesebene die Aufnahme der Kinderrechte in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kinderrechte zu gewährleisten und echte Chancengleichheit herzustellen, ist ein fortwährender und stetiger Prozess. Wir sind heute einen weiteren großen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Heute haben wir den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder eingebracht, um die Bildungseinrichtung Kita somit zum 1. August beitragsfrei zu machen. Ein großer Erfolg! Das ist existenziell, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn freie Bildung für alle ist der Schlüssel zur Teilhabe und der Grundstein für die Rechte der Kinder.

Wir werden unseren guten Weg fortsetzen. Gemeinsam mit der Kinderkommission werden wir an verbesserten Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche arbeiten. Wir werden den Kinderschutz verbessern und Maßnahmen zur Bekämp

fung von Kinderarmut auf den Weg bringen. Die Grundlage dafür wird unser Koalitionsvertrag sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass das Verfassungsrecht für sich allein kein Allheilmittel ist. Es ist aber ein wichtiger Baustein für die Teilhabe und einen verbesserten Kinderschutz.

Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen der FDP, der CDU und der Grünen für die konstruktive Beratung im Ausschuss und bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Glosemeyer. - Zu Wort gemeldet hat sich für die FDP-Fraktion Frau Sylvia Bruns. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe ganz ehrlich zu: Wir haben uns ein bisschen schwergetan, aber nicht aus den Gründen, die die AfD angeführt hat,

(Dirk Toepffer [CDU]: Gott sei Dank!)

sondern deshalb, weil verfassungsrechtlich geregelte Kinderrechte rechtlich schwierig zu handhaben sind. Man schafft damit ja irgendwie auch einen Ausnahmetatbestand. Wir haben beschlossen, dem zuzustimmen, nicht weil wir - nicht despektierlich für jemanden, der Jurist ist - gesagt haben, irgendetwas ist immer, sondern weil wir gesagt haben, wir würden da jetzt ganz gern ein Zeichen setzen. Deswegen stimmen wir dem Antrag auch zu.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Beim letzten Mal hat Julia Hamburg sehr schöne Beispiele zur UN-Kinderrechtskonvention gebracht, die ja verabschiedet worden ist. Zu Punkt 4, Recht auf Bildung und Ausbildung, möchte ich jetzt gern aus einer Anfrage der FDP-Fraktion im Rat der Landeshauptstadt Hannover zur Kita-Platzvergabe zitieren; denn wir sind uns ja einig darin, dass KitaPlätze und Kitas insgesamt auch ein Teil der Bildung sind. Ich zitiere aus der Antwort der Verwaltung auf die Anfrage der FDP-Ratsfraktion zum Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes, Ratssitzung am 22. Februar 2018:

„Es wurde daher eine Annahme zugrunde gelegt, dass rein rechnerisch rund 1 170 Kinder unter die neue gesetzliche Regelung fallen.“

- Also unter die Entscheidung der Eltern, ihre Kinder später einschulen zu lassen. -

„Wenn angenommen wird, dass davon 25 % der Sechsjährigen auf Elternwunsch zurückgestellt werden, wären dies 300 Kinder, die weiterhin im Kindergarten betreut werden müssen. Das entspricht einem Mehrbedarf von zwölf Kindergartengruppen Aufgrund der großen Nachfrage nach Betreuungsplätzen und der beabsichtigten kurzfristigen Planung kann“

- jetzt kommt der entscheidende Teil -

„nicht sichergestellt werden, dass der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zur Gänze erfüllt werden kann.

Das haben wir prognostiziert. Und ich muss sagen: Das müssen Sie sich jetzt schon ins Stammbuch schreiben lassen. Das ist jetzt nur ein Beispiel von vielen. Die Sorge ist tatsächlich, dass man das einfach hineinschreibt, sich dann ganz geflissentlich zurücklehnt und sagt: Wir haben unsere Pflicht und Schuldigkeit getan. - Ich kann Ihnen aber sagen: Wir werden schon nachprüfen, ob Sie auch das liefern, was Sie versprochen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Jetzt erteile ich der Kollegin Anja Piel, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon an der kurzen Dauer des Beratungsverlaufes haben Sie erkennen können, dass über die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz in diesem Haus große Einigkeit herrscht. Mein ausdrücklicher Dank für diese Vorlage geht an die SPD und die CDU.

Uns allen ist klar: Kinder haben eigene unveräußerliche Rechte, die über die allgemeinen Menschenrechte hinausgehen. Diese Rechte müssen Verfassungsrang erhalten. Immer noch leiden Kinder im reichen Deutschland unter Armut. Trotz aller

guten Weichenstellungen der letzten Jahre gibt es keine Bildungsgerechtigkeit. Nicht alle Kinder haben die gleichen Chancen, in der Schule und im Beruf zu Erfolg zu kommen. Immer noch - das ist ein sehr dunkler Teil - werden Kinder vernachlässigt, geschlagen und erfahren Gewalt. Da ist für uns in diesem Haus ein ausgesprochen wichtiges Signal, die Rechte der Kinder im Grundgesetz zu verankern und somit festzuschreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)