Für unangemessen halte ich dagegen Ihren Wortbeitrag zu diesem Thema. Insofern wird meine Fraktion Ihnen nicht folgen. Der Ministerpräsident ist heute ab 17.00 Uhr für diese Veranstaltung bei uns jedenfalls entschuldigt.
Nach Artikel 23 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung können der Landtag und seine Ausschüsse die Anwesenheit eines jeden Mitglieds der Landesregierung verlangen. Das entspricht ja dem, was Herr Dr. Birkner hier für die FDP-Fraktion eingebracht hat. Dann müssten wir über dieses Verlangen der FDP-Fraktion abstimmen.
(Zuruf von der SPD: War das das Be- gehren von Herrn Dr. Birkner? - Dr. Stefan Birkner [FDP] schüttelt den Kopf - Christian Grascha [FDP]: Das hat keiner beantragt!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht beantragt, den Herrn Ministerpräsidenten zu zitieren; denn er ist ja anwesend. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass die FDP-Fraktion diese Entschuldigung nicht akzeptiert, dass wir einerseits auf ein ordnungsgemäßes Entschuldigungsverfahren Wert legen und andererseits der Auffassung sind, dass die Entschuldigung inhaltlich nicht begründet ist.
Ob wir heute Nachmittag, wenn der Ministerpräsident dennoch gehen sollte - was ich nicht weiß -, einen Zitierungsantrag stellen werden, kann ich im Moment nicht sagen. Für den Moment haben wir einen solchen Antrag aber nicht gestellt.
Herr Dr. Birkner, Sie haben also keinen Antrag nach Artikel 23 gestellt, auch nicht für die Zeit ab 17.00 Uhr. Das bedeutet für uns seitens des Präsidiums, dass wir in der Tagesordnung fortfahren.
Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes (Nds. SVVollzG) - Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drs. 18/852
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In § 16 Abs. 4 des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes ist bisher Folgendes geregelt: In den Fällen, in denen bei Sicherungsverwahrten - das sind diejenigen, die aufgrund der Schwere ihrer Taten im Anschluss an die normale Strafhaft in eine Sicherungsverwahrungshaft überführt werden; im Regelfall sind das Gewaltdelikte - aus zwingenden Gründen keine vollzugsöffnenden Maßnahmen in Betracht kommen, sind ihnen auf Antrag Ausführungen zu gestatten. In Satz 2 dieses Absatzes heißt es, dass diese wenigstens einmal im Monat stattzufinden haben.
Das ist eine sehr weitreichende Regelung. Wir haben das im letzten Plenum im Zusammenhang mit einem Entschließungsantrag schon einmal kurz debattiert. Die Regelung ist insoweit ungewöhnlich, als die allermeisten Bundesländer eine strengere Regelung vorsehen, nämlich dass Sicherungsverwahrte lediglich einmal im Quartal Anspruch auf eine Ausführung haben.
Das Leitmotiv für diese weitreichende Regelung, die vor einigen Jahren eingeführt wurde, war der Resozialisierungsgedanke. Nach den ersten Jahren, in denen diese Regelung galt, hat sich gezeigt - wir haben das im Ausschuss schon diskutiert; die Landesregierung hat insoweit Bericht erstattet -, dass diese Regelung der Resozialisierung in keiner Weise förderlich ist. Sie bringt schlicht gar nichts. Sie hat keinen Nutzen.
Demgegenüber sind die mit den Ausführungen zusammenhängenden Aufwendungen und Belastungen des Justizvollzuges immens. Man muss sich vor Augen führen: Jede einzelne Ausführung muss vorbereitet werden. Der Justizvollzug muss sich erst einmal anschauen, wohin die Ausführung gehen soll. Denn das können die Sicherungsverwahrten selber bestimmen, wenn sie z. B. eine nahestehende Person besuchen wollen. Man muss gucken, ob dort Fluchtmöglichkeiten bestehen. Wenn ja, muss man Modelle entwerfen, wie die Gefahr einer Flucht zu reduzieren ist.
Dann ist die Ausführung selber vorzunehmen. Diese kann auch durchaus einen ganzen Tag dauern. Wenn die Sicherungsverwahrten von der JVA Rosdorf z. B. nach Lingen oder Meppen wollen, ist allein die Fahrzeit schon immens. Hinzu kommt, dass zwei Vollzugsbeamte die Ausführung zu begleiten haben.
Nach vollendeter Ausführung ist noch ein Bericht zu verfassen. Auch das nimmt einige Arbeitszeit in Anspruch.
Das heißt, jede Ausführung - sei sie noch so klein, z. B. weil der Sicherungsverwahrte nur im nächsten größeren Supermarkt einkaufen möchte, oder sei sie groß, sodass sie zwei Justizvollzugsbeamte einen ganzen Tag beansprucht - nimmt die Beamten sehr stark in Anspruch. Wie gesagt: Der Nutzen, der dem gegenübersteht, ist gleich null.
Es ist zudem zu berücksichtigen, dass diese Maßnahmen - wenn man sich mit betroffenen Justizvollzugsbeamten unterhält, erfährt man das sehr schnell - ein hohes Belastungspotenzial haben. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Justizvollzugsbeamten im Regelfall unbewaffnet sind, bis auf Pfefferspray. Das hängt zum anderen damit zusammen, dass die Sicherungsverwahrten in den überwiegenden Fällen - auch wenn es eine Einzelfallentscheidung ist, ist es in der Praxis in den meisten Fällen so - ungefesselt bleiben. Das heißt, die Beamten stehen ständig unter dem besonderen Druck, dass der Sicherungsverwahrte die Ausführung zur Flucht nutzen könnte.
Das, sehr geehrte Damen und Herren, führt noch zu einer anderen Betrachtungsweise: Der Justizvollzug hat ein Nachwuchsproblem. Wir haben ein Problem, genügend Bewerber für den Justizvollzug zu finden. Wir müssen den Justizvollzug attraktiver machen. Wenn aber solche Maßnahmen derart raumgreifend stattfinden - schon aufgrund ihrer Häufigkeit -, wie es vorliegend der Fall ist, und wenn sie zudem mit der besonderen Belastung
einhergehen, die ich gerade geschildert habe, dann hilft das nicht unbedingt dabei, den Justizvollzugsdienst attraktiver zu machen. Vielmehr konterkariert dies solche Bemühungen.
Insofern ist es umso wichtiger, dass wir jetzt - nachdem man festgestellt hat, dass die monatliche Ausführung überhaupt nichts für die Resozialierung bringt - nicht, wie es im letzten Plenum und im Entschließungsantrag hieß, erst einmal evaluieren und die Situation beleuchten, sondern sofort handeln. Wir sollten nicht noch Monate ins Land gehen lassen, sondern jetzt handeln und das Gesetz so ändern, dass der Anspruch von einmal monatlich auf einmal im Quartal reduziert wird.
Das ist verfassungsrechtlich völlig unbedenklich. Ich habe es eingangs schon gesagt: Die meisten Bundesländer haben eine wesentlich strengere Regelung. Es gibt auch insoweit keinerlei Grund, hier noch zuzuwarten.
Dass es zudem auch im Hinblick auf die Umsetzung des Resozialisierungsgedankens durchaus angebracht ist, auch in anderen Bereichen des Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes Nachjustierungen vorzunehmen, steht auf einem anderen Blatt. Mir bzw. der AfD-Fraktion geht es mit diesem Antrag maßgeblich darum, nicht länger zuzuwarten, nachdem wir erkannt haben, wo das Problem liegt, sondern das Problem jetzt anzugehen und jetzt eine Änderung herbeizuführen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es zu diesem Antrag kurz machen.
Was haben Sie am 19. April in der Zeit von 13.40 Uhr bis 14.13 Uhr gemacht? - Bevor jetzt jeder anfängt, hektisch im Kalender zu blättern, kann ich Ihnen diese Frage beantworten: Wir waren hier im Plenarsaal. Wir haben hier einen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD mit dem Titel „Qualität steigern, Sicherheit erhöhen - Anzahl der Ausführungen Sicherungsverwahrter überprüfen“ beraten.
Die Beratung endete mit einer einstimmigen Ausschussüberweisung. Federführend ist der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, mitberatend der Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“.
Derzeit findet im Ausschuss die Beratung statt, gemeinsam mit dem Ministerium. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist quasi fertig.
Liebe Fraktion der AfD, Ihr heutiger Antrag ist aus unserer Sicht zeitraubend und, ehrlich gesagt, überflüssig.
Sie sind sowohl im Rechtsausschuss als auch im Unterausschuss vertreten. Sie wissen um den Stand der Dinge und die laufenden Prozesse. Letztlich wäre es sogar möglich, sich dort mit einem Änderungsvorschlag oder wie auch immer einzubringen, statt hier im Plenum auf Wiederholung zu spielen.
Seit dem letzten Plenum haben sich überhaupt keine gravierenden Änderungen ergeben, die eine sofortige gesetzliche Regelung notwendig machen würden. Das Einzige, was sich an Ihrem heutigen Antrag ablesen lässt, ist Ihr Abstimmungsverhalten zu dem entsprechenden Vorhaben von SPD und CDU.
Aber sei’s drum: Wir haben es zur Kenntnis genommen. Unsere inhaltliche Position hat der Abgeordnete Ulf Prange im letzten Plenum umfassend dargestellt. Diese ist selbstverständlich unverändert. Zu dieser Position stehen wir vollumfänglich.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD ist jederzeit bereit, Anliegen einer demokratischen Fraktion aufzunehmen, sich damit auseinanderzusetzen und sich engagiert in politische Prozesse einzubringen. Wir sind aufgeschlossen und guten Anregungen zugeneigt.
Wir sind allerdings nicht bereit, unseren eigenen Antrag mit kleineren Abweichungen und einer anderen Unterschrift als neue Erkenntnis zu behandeln, und werden uns damit nicht länger als notwendig beschäftigen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Kollegin Osigus, ich bin ein bisschen erstaunt. Denn auch Ihnen ist doch sicherlich bekannt, was der Unterschied zwischen einer Gesetzesinitiative und einem Entschließungsantrag ist. Sie haben eben selber in Ihrer Rede ausgeführt, dass - so fasse ich es zusammen - der Entschließungsantrag sehr vage gehalten ist. Wir sind aber doch eigentlich alle einer Meinung: dass wir der Absicht, hier etwas zu ändern, Taten folgen lassen müssen.
Ich halte es für falsch - das war schon vor einem Monat meine Auffassung, als es um den Entschließungsantrag ging; wenn Sie sich noch an meine Rede erinnern, dann wissen Sie, dass ich das damals betont habe -, hier noch zu evaluieren, zu beleuchten und zuzuwarten.
Die Situation der Justizvollzugsbediensteten ist nun einmal, wie sie ist: Sie sind überlastet. - Das wird Ihnen jeder erzählen, den Sie ansprechen. Wir haben inzwischen volle Haftanstalten. Die schönen Zeiten, in denen die Häftlingszahlen rückläufig waren - sie sind noch gar nicht lange her -, sind vorbei. Das heißt, es liegt eine ganz besondere Belastung vor. Es liegt auch eine extreme Belastung durch die neue Situation vor, dass vielfach Gefährder in Haftanstalten sind, dass vielfach Radikalisierungen in Haftanstalten geschehen, auch islamische Radikalisierungen. Da muss viel mehr Arbeit hineingesteckt werden, und deshalb ist es dringend nötig, sofort zu einer Entlastung der Justizvollzugsbediensteten zu kommen.
Deshalb ist dieser Antrag so nötig, und deshalb ist es auch dringend nötig, diese Änderung bereits jetzt vorzunehmen.
(Beifall bei der AfD - Jens Nacke [CDU]: Den Unterschied zwischen Strafhaft und Sicherungsverwahrung kennen Sie schon, Herr Kollege, oder?)