Protokoll der Sitzung vom 22.11.2017

(Zuruf von Frank Oesterhelweg [CDU])

Sie bekommen, wenn Sie für diesen Antrag stimmen, mit Sicherheit keinen Zuwachs im Ansehen. Meine Damen und Herren, wenn Sie für diesen Antrag stimmen, dann beschädigen Sie das Ansehen der Politiker weiter,

(Glocke der Präsidentin)

und Sie beschädigen die Demokratie. Das ist der Preis, den Sie zahlen müssen.

Herr Wichmann, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Letzter Satz: Sie alle müssen sich wirklich überlegen, ob Sie bereit sind, diesen Preis zu zahlen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wichmann. - Vielleicht noch ein Hinweis für die neuen Kollegen und Kolleginnen: Wenn Sie einmal dieses Klingeln hören,

(Glocke der Präsidentin)

bleibt Ihnen eine Minute zur Vollendung Ihrer Rede. Wenn Sie es zweimal hören,

(Glocke der Präsidentin)

wird es ungemütlich; dann müsse Sie langsam - oder zügig - zum Ende kommen.

Wir fahren jetzt in der Rednerliste fort. Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Nacke das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beginnen diese neue Legislaturperiode mit einer Debatte zur Geschäftsordnung. Aber sie ist nicht unwichtig. Denn es geht in der Tat um die Frage: Wie können in einem Parlament, in dem die zukünftigen Regierungsfraktionen eine so breite Mehrheit stellen, die Rechte kleinerer Fraktionen, die Rechte der Opposition gewahrt werden?

Ein erster Schritt - aber tatsächlich nur ein erster Schritt - ist die Änderung dieser Geschäftsordnung. Weitere werden folgen. Wir haben darüber gesprochen, dass beispielsweise die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, die Möglichkeit, einen Antrag in die Ausschüsse zu überweisen, eine Aktenvorlage oder eine Unterrichtung zu beantra

gen, bis hin zur Normenkontrollklage so ausgestaltet werden sollen, dass nicht nur alle drei Fraktionen der Opposition gemeinsam, sondern auch zwei Fraktionen der Opposition die Möglichkeit bekommen, diese Rechte wahrzunehmen. All das werden wir - so ist es gemeinsam verabredet - im Dezember durch entsprechende Rechtsvorschriften deutlich machen.

Nun ging es um die Frage der Zusammensetzung des Präsidiums. Die CDU hatte eine sehr schwierige Frage zu beantworten; denn - das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen - uns verbindet eine lange gemeinsame Partnerschaft mit der FDP. Viele Jahre haben wir gemeinsam die Regierungsverantwortung in diesem Land getragen. Das waren gute Jahre für das Land. Das ist die Sicht der CDU, und das ist auch - so habe ich das jedenfalls bisher wahrgenommen - die Sicht der FDP.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in den vergangenen fünf Jahren gemeinsam die Aufgabe der Opposition in diesem Land wahrgenommen. In diesem Zusammenhang haben wir uns häufig gemeinsam abgestimmt, bestimmte Anträge gestellt oder bestimmte Unterrichtungen beantragt.

Jetzt war für die CDU die Frage zu beantworten: Ist es ein Oppositionsrecht, in diesem Haus einen Vizepräsidenten und damit eine Sitzungsleitung stellen zu können? - Dazu muss man sagen - ich gehe auch auf das ein, was Sie, Herr Wichmann, gesagt haben -: Dort oben sitzt jemand, der das Amt unabhängig ausführen muss. Anders geht es nicht. Wer dort oben sitzt, macht gerade keine Parteipolitik. Wer dort oben sitzt, wird gerade nicht unfair. Wer dort oben sitzt, leitet die Sitzung fair für alle Seiten und gerecht für jede Abgeordnete und jeden Abgeordneten. Anders ist dieses Amt einer Präsidentin oder eines Vizepräsidenten überhaupt nicht auszuführen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Aus Sicht der CDU-Fraktion macht gerade diese Unabhängigkeit, die dort oben zu wahren ist, deutlich, dass damit ein Oppositionsrecht auch gar nicht wahrgenommen werden kann. Dieses Amt muss unabhängig ausgeführt werden.

Das Recht der Opposition - das wollen wir zugestehen - liegt in der Gesamtzusammensetzung des Präsidiums. In den vergangenen Jahren haben wir es immer als richtig und gut empfunden, dass neben der jeweils leitenden Präsidentin oder dem

Präsidenten auf der einen Seite ein Mitglied einer Regierungsfraktion und auf der anderen Seite ein Mitglied der Opposition sitzt, damit gemeinsam die Entscheidungen getroffen werden, die für die Sitzungsleitung erforderlich sind. Diese Möglichkeit wollen wir einräumen. Deswegen erweitern wir die Anzahl der Mitglieder des Präsidiums, sodass jede Oppositionsfraktion die Möglichkeit hat, zwei Mitglieder ins Präsidium zu schicken.

Es bleibt der Hinweis auf die Repräsentanz im Lande: Muss die Ämterverteilung von Präsident und Vizepräsidenten nicht so erfolgen, dass die Vielfalt des Parlamentes im Lande dargestellt werden kann? - Ich darf Sie unterrichten - ich habe mir das bis zurück in das Jahr 1990 angeschaut -: Die CDU-Fraktion hat im Land immer zwei Mitglieder gestellt, entweder einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten oder zwei Vizepräsidenten. Die große CDU-Fraktion - immer eine der größten, häufig die größte Fraktion im Niedersächsischen Landtag - wurde immer durch zwei Personen repräsentiert, die die Leitung dieses Hauses innehatten.

Ich bedanke mich an der Stelle insbesondere bei unserem bisherigen Präsidenten Bernd Busemann, der das Amt einmal mehr in herausragender Weise für die CDU-Fraktion wahrgenommen hat.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage, an dieser Stelle gehen Sie, glaube ich, fehl. Dass Vertreter der Opposition, die das Haus als Vizepräsidenten leiten, die andere Oppositionsfraktion bislang gleich mitvertreten haben, wenn sie im Land unterwegs waren - dass also Sie als FDP mitvertreten wurden, wenn Bernd Busemann in der Fläche des großen Landes Niedersachsen Termine wahrgenommen hat -, können Sie mir am Ende nicht weismachen; das stimmt nicht. In dem Zusammenhang ist man doch als Parteivertreter wahrgenommen worden und nicht als Vertreter der Opposition oder der Regierung.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ich denke, er ist überparteilich tätig gewesen!)

Der Präsident selbst ist dann als Repräsentant des ganzen Hauses wahrgenommen worden. Das gilt auch zukünftig für die Vizepräsidenten, die von der CDU gestellt werden, und für die Präsidentin von der SPD und jene von den anderen Parteien. Das müssen Sie sich schon zurechnen lassen. Die Vertretung des gesamten Hauses wird von der Präsidentin und von den Vizepräsidenten wahrgenommen.

Am Ende gilt für uns der Berechnungsmodus. Es gibt einen Berechnungsmodus nach d'Hondt - Sie kennen das -, nach dem bestimmte Verteilungen in einem Parlament vorgenommen werden. Deswegen, Herr Wichmann, will ich noch auf den Hinweis hinsichtlich der ersten Reihe eingehen, dass die AfD nur einen Platz bekommen hat, während andere Fraktionen zwei Plätze bekommen haben.

Die Landtagsverwaltung hat uns noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die normale Verteilung für die erste Reihe nach d‘Hondt ergeben hätte: fünf Plätze für die SPD, fünf Plätze für die CDU, einen für die Grünen, einen für die FDP und keinen für die AfD. - Sie sind eine Oppositionsfraktion, die neu in den Niedersächsischen Landtag eingezogen ist. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass Sie die kleinste Fraktion in diesem Hause sind. So haben es die Wählerinnen und Wähler entschieden.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Auch an dieser Stelle, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir natürlich das Oppositionsrecht zu wahren gehabt. Und es wäre unfair gewesen, wenn man einer Fraktion nicht die Möglichkeit gegeben hätte, in diesem Rund, das wir hier bilden, in erster Reihe zu sitzen.

Bitte haben Sie also Verständnis: Die Normalverteilung hätte ergeben, dass FDP und Grüne je einen Platz in der ersten Reihe gehabt hätten und Sie keinen. Wenn Sie dann einen Platz bekommen, ist es nur gerecht und fair, dass FDP und Grüne zwei Plätze bekommen und sich die großen Fraktionen diesbezüglich zurücknehmen.

Sie wollen schon in der ersten Rede an dieser Stelle versuchen, sich in eine Opferrolle zu drücken. Es wird Ihnen nicht gelingen; das wird dieses Haus nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat gestern lange über die Frage beraten, welche Vizepräsidenten wir vorschlagen werden. Sie hat auch über die Frage beraten, ob wir unseren langjährigen Partnern und Freunden von der FDP einen solchen Platz abgeben wollen. Am Ende ist mehrheitlich die Entscheidung gefallen, dass die CDU-Fraktion zwei Vizepräsidenten vorschlagen wird. Es werden Frank Oesterhelweg und Bernd Busemann sein. Ich freue mich auf ihre Arbeit und

bin sehr zuversichtlich, dass sie gute Repräsentanten des ganzen Hauses werden.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Limburg das Wort. Bitte, Herr Limburg!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wichmann von der AfD, das Thema Sitzordnung scheint Sie ja umzutreiben. Sie haben die Sitzsituation Ihrer Fraktionsvorsitzenden mit Isolationshaft verglichen. Sie sollten wissen, dass das Wesen der Haft die Unfreiwilligkeit, der Zwang ist. Ihr Vorteil ist aber: Sie sind freiwillig hier, und es steht Ihnen jederzeit frei, diesen Plenarsaal für immer wieder zu verlassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir erleben - das ist schon mehrfach angesprochen worden - eine Große Koalition mit einer in der Geschichte Niedersachsens beispiellosen Mehrheit an Mandaten in diesem Parlament. Ob die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler von SPD, CDU und auch von der FDP diese Konstellation wirklich so gewollt hat, darf bezweifelt werden, aber es ist nun mal so.

Eine solche Konstellation braucht eine angemessene Repräsentanz der Opposition auf sämtlichen Ebenen. Insofern begrüßen wir ausdrücklich den Vorschlag von SPD und CDU, die Anzahl der Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten zu erhöhen. Sie beide ermöglichen damit eine Stärkung der Opposition - auch durch die Abtretung des Vorschlagsrechts der SPD. Auch das wissen wir ausdrücklich zu würdigen.

Aber ich möchte betonen - das ist in der Debatte auch zu Recht angesprochen worden -: Dabei kann es nicht bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Eine echte Opposition kann sich nur dann entfalten, wenn sie echte, harte parlamentarische Kontrollrechte hat. Wir fordern jeweils für zwei Fraktionen das Recht auf Akteneinsicht, das Recht auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses und in der Tat auch das

Recht, mittels einer Normenkontrollklage nach Bückeburg gehen zu können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Der Wunsch der FDP, als zweitgrößte Oppositionsfraktion ebenfalls einen Vizepräsidenten zu bekommen, ist aus unserer Sicht durchaus nachvollziehbar, und ich hätte es ausdrücklich begrüßt, wenn das im Wege des Abtretens eines Vorschlagrechts seitens der CDU möglich gewesen wäre.

Vorstellungen dahin gehend, die Anzahl der Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten grundsätzlich so festzuschreiben, dass jede Fraktion vertreten ist, würden sich in diesem Landtag vielleicht noch umsetzen lassen. Sie würden aber in einem Landtag mit sechs, sieben oder noch mehr Fraktionen zu einer beispiellosen Aufblähung der Ebene der Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten führen. Das können wir nicht befürworten.