Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

Die anderen Punkte können wir im Fachausschuss gerne inhaltlich diskutieren. Ich hoffe, dass sich dann bei Ihnen die eine oder andere Kenntnis ergibt.

Letzter Satz, Herr Bock, bitte!

Nur Zitate aus Stellungnahmen von zwei Verbänden in den Antrag zu kopieren und diese dann als die eigenen zu verkaufen, ist, wie ich finde, keine politisch solide Arbeit.

In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen im Fachausschuss.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege Björn Försterling.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD fordert in Nr. 1 ihres Antrags, dass für die Berufsorientierung an allen Schulformen Funktionsstellen und arbeitszeitrechtliche Regelungen geschaffen werden sollen. Gleichzeitig fordert sie eine Reduzierung der Berufsorientierung an den Gymnasien. Sie müssen einmal erklären, warum Sie ohne Ausweitung der Berufsorien

tierung an den Gymnasien Funktionsstellen schaffen wollen. Das versteht niemand.

In Nr. 2 des Antrags fordern Sie, dass Art und Umfang der Berufsorientierung anhand der bestehenden Unterschiede der verschiedenen Schulformen auszurichten sind. - Genau das macht der Erlass! Deshalb stehen in Nr. 6.1 Regelungen für die Hauptschule, in Nr. 6.2 Regelungen für die Realschule, in Nr. 6.3 Regelungen für die Oberschule, in Nr. 6.4 Regelungen für das Gymnasium usw. usf. Wenn Sie das lesen und verstehen, sehen Sie, dass genau das gemacht wird, was Sie hier fordern.

In Nr. 3 des Antrags fordern Sie, dass Schülerfirmen, Betriebserkundungen, Angebote der Berufsberatung und Ausbildungsplatzbörsen wieder als mögliche Maßnahmen der Berufsorientierung aufzunehmen sind. - Ich habe in dem Erlass keine Stelle gefunden, wo das gestrichen werden soll. Für den Fall, dass Sie sich die Erlassübersicht anschauen, gebe ich Ihnen den Hinweis: Links steht die alte Regelung, rechts die neue Regelung. Wenn Sie das mit dem Hinweis noch einmal neu lesen, betrachten Sie Ihren Antrag vielleicht ganz anders.

(Zustimmung von Frauke Heiligen- stadt [SPD])

Sie schreiben in Ihrem Antrag ferner, dass man Abstand davon nehmen solle, eine verpflichtende Potenzialanalyse einzuführen. - Aber eine verpflichtende Potenzialanalyse kommt in dem gesamten Erlassentwurf gar nicht vor. Vielmehr wird ausdrücklich gesagt, dass die Eltern einer solchen Potenzialanalyse zustimmen müssen.

Sie fordern gleichzeitig, Abstand zu nehmen von der Durchführung der Berufsausbildung in allen Fächern durch ein schuleigenes fächerübergreifendes Konzept. - Ehrlich gesagt: Ohne ein Konzept macht die Berufsorientierung keinen Sinn. Also, ein Konzept muss man haben. - Na ja, Sie wissen vielleicht, wie es ohne Konzept geht. Das merken wir hier ja fast täglich.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP - Zustimmung von Mareike Lotte Wulf [CDU])

Ferner fordern Sie, Abstand zu nehmen von der Festlegung der berufsorientierenden Maßnahmen auf mindestens 25 Tage. - Ich will die Rechnung des Kollegen Bock fortsetzen. Wir reden über 25 Tage. Wir reden auch darüber, dass das Abitur nach 13 Jahren wieder eingeführt worden ist. Das

heißt, wir haben im elften Jahrgang wieder die Möglichkeit - so wie früher -, ein dreiwöchiges Betriebspraktikum durchzuführen. Damit sind 15 der 25 Tage schon abgearbeitet. Wenn die Schülerinnen und Schüler in den Jahrgängen 7, 8, 9 und 10 an den Zukunftstagen teilnehmen, die Bestandteil der Berufsorientierung sein können, sind wir schon bei 19 Tagen angelangt. Dann fehlen noch sechs Tage. Davon entfallen Tage auf die Potenzialanalyse, sofern man daran teilnimmt. Letztlich reden wir also darüber, dass wir in den Jahrgängen 7, 8, 9, 10 und 11 vielleicht noch zwei oder drei Tage zusätzliche Berufsorientierung haben werden. Ich glaube, das wird den Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler nicht gefährden. Ganz im Gegenteil: Das zeigt ihnen vielleicht neue Wege für die Entwicklung auf.

Deswegen kann ich Sie, bevor wir im Kultusausschuss die Beratung aufnehmen, nur bitten: Lesen Sie nicht nur Pressemitteilungen und Internetseiten, sondern lesen Sie wirklich den Erlassentwurf! Und noch einmal der Hinweis: Links steht die alte Regelung, rechts die neue Regelung. Lesen Sie das mit dem Hintergedanken, und versuchen Sie, vorbereitet in die Diskussion im Kultusausschuss zu kommen. Das würde uns allen sehr weiterhelfen.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Kollege Försterling. - Für die SPDFraktion hat nun Herr Christoph Bratmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Försterling, ich würde Ihre Bitte in Richtung der AfD noch ergänzen wollen: Lesen Sie das nicht nur, sondern versuchen Sie auch, das zu verstehen! Denn offensichtlich haben Sie die Bedeutung der Berufsorientierung leider noch nicht ganz verstanden. Das jedenfalls wird in Ihren Ausführungen deutlich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist grundsätzlich wichtig, sich über Berufsorientierung Gedanken zu machen und hier über Berufsorientierung zu sprechen. Allerdings ist die Grundlage, anhand derer wir hier heute darüber sprechen, nicht gut - das haben die Kollegen Bock und Försterling schon deutlich gemacht -; denn es ist der Antrag der AfD. Ich versuche trotzdem, deutlich zu

machen, warum Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen - und zwar an allen Schulformen - von entscheidender Bedeutung ist.

Mir kommt in diesem Zusammenhang immer eine Karikatur in den Sinn: Eine Schülerin steht im Berufsinformationszentrum des Arbeitsamtes und sagt, sie möchte gerne mit Tieren arbeiten. Die Antwort ist: Dann werden Sie doch Fleischerin, da haben wir gerade eine Menge Stellen frei.

(Heiterkeit bei der SPD und Beifall bei der CDU)

Mein Fazit dieser Karikatur ist: Je konkreter die Berufswünsche am Ende der allgemeinbildenden Schule ausgeprägt sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass es bei der Berufswahl keine Missverständnisse gibt und man den richtigen Weg einschlägt.

Der Übergang von der allgemeinbildenden Schule in das Berufsleben stellt für unsere niedersächsischen Schülerinnen und Schüler eine große Herausforderung dar. Zur Bewältigung dieser Herausforderung haben sie die bestmögliche Unterstützung verdient. Dass der Erlass zur Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen diese Berufsorientierung auf neue Füße stellt und deutlich ausweitet, ist deshalb auf jeden Fall zu begrüßen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Der Erlass basiert u. a. auf den Empfehlungen des Bündnisses Duale Berufsausbildung. In die Überlegungen sind die Bedürfnisse der Betriebe eingeflossen. Es war ein langer Dialogprozess, der zur Entstehung dieses Erlasses geführt hat.

Man muss sich einmal vor Augen führen, wie das heutzutage aussieht - in einer Zeit, in der 70 % der Schülerinnen und Schüler, also rund zwei Drittel, Abitur machen und gleichzeitig massiv Fachkräfte fehlen, vor allem im Bereich der dualen Ausbildung. Es kann nicht sein, dass in einer solchen Zeit die berufliche Orientierung dazu führt, dass sich auf der einen Seite der Fachkräftemangel verstärkt und auf der anderen Seite die Schülerinnen und Schüler nicht in den Betrieben ankommen.

Der Antrag - das ist vom Kollegen Bock schon gesagt worden - strotzt zudem vor Falschbehauptungen. Sie sagen, dass Schülerfirmen, Betriebserkundungen und Angebote der Berufsberatung weiterhin Bestandteil der Berufsorientierung sein sollen. - Sie sind es weiterhin! Wenn Sie den Antrag verstanden hätten, würden Sie das nicht behaupten.

Sie beklagen, dass die Teilnahme am Zukunftstag nicht verpflichtend sein soll. - Das ist sie auch weiterhin nicht! Sie unterstellen sogar, dass es in der Geschlechterorientierung der Schülerinnen und Schüler ein Problem geben könnte, wenn sich Jungen einmal im Jahr mit sogenannten frauenspezifischen Berufen auseinandersetzen und Mädchen einmal im Jahr mit sogenannten jungenspezifischen Berufen. Das ist schon eine ziemlich hanebüchene Behauptung. Auch an dieser Stelle wäre es richtig gewesen, Sie hätten den Erlass richtig gelesen.

Sie fordern, auf die Potenzialanalyse zu verzichten, und Sie fordern auch, kein fächerübergreifendes Gesamtkonzept entstehen zu lassen. Das aber ist genau das, was wir in der Berufsorientierung brauchen. Das macht der Erlass deutlich. Denn - das lassen Sie mich abschließend sagen -: Die meisten Menschen bringen dort die beste Leistung, wo sie mit Spaß und Freude bei der Sache sind und zudem einen Sinn in ihrer Tätigkeit sehen. Wir sollten junge Menschen deshalb bestmöglich fördern und fordern und schauen, dass sie genau dorthin gelangen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Bratmann. - Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Julia Willie Hamburg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon viel Richtiges gesagt. Wir Grüne begrüßen eine Ausweitung der beruflichen Orientierung, insbesondere an den Gymnasien. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung - die zugegebenermaßen schon relativ lange zurückliegt - schildern, dass gerade dieser Bereich massiv zu kurz gekommen ist. Wenn ich mit Gymnasiastinnen und Gymnasiasten rede, fragen viele immer wieder: Oh mein Gott, wie läuft das denn dann? Wie wird das sein? Was kann ich machen? Wie läuft eigentlich ein Studium ab? Wie läuft eigentlich ein beruflicher Alltag ab? - Schülerinnen und Schüler dort praxistauglich zu machen und ihnen Einblicke zu ermöglichen, ist unserer Meinung nach ein unglaublich gewinnbringender Weg.

Vor dem Hintergrund begrüßen wir, dass das in diesem Erlass ausgeweitet wird. Trotzdem muss man darüber reden, dass das natürlich auch eine zusätzliche Herausforderung für die Lehrkräfte bedeutet. Das ist übrigens nicht nur im Bereich der beruflichen Orientierung so, sondern mittlerweile auch in ganz anderen Bereichen an Schulen. Und natürlich trifft das auch nicht nur auf die Gymnasien zu, sondern das trifft alle Schulformen.

Wenn man solche zusätzlichen Maßnahmen vorsieht, dann wollen die vorbereitet sein, dann wollen die gut begleitet werden, dann müssen Schülerinnen und Schüler auch Unterstützung erfahren, und Lehrkräfte brauchen Zeit für Vor- und Nachbereitung solcher Maßnahmen. Vor dem Hintergrund sehe ich es durchaus auch so, dass wir darüber reden müssen, welche Form von Entlastung oder Anrechnungsstunden hiermit einhergehen. Wir können den Schulen nicht immer grundsätzlich alles on top packen. Das wird auf Dauer nicht funktionieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der FDP)

Trotzdem muss ich hier einmal sagen, dass ich etwas irritiert bin, dass man einfach einen Brief von Verbänden nimmt, diesen kopiert und sagt: Das haben die alle gesagt, deswegen ist das auch richtig so, und wir fordern einfach mal das bunte Paket aus allem. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat mit seriöser Politik, mit umsetzbaren Forderungen, wenig zu tun!

Wir werden das im Ausschuss beraten, aber ich kann Ihnen sagen: Dieser Antrag wird bestimmt nicht so aus dem Ausschuss herausgehen und eine Mehrheit finden, wie er in diesen Ausschuss gekommen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Schönen Dank, Frau Hamburg. - Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Wer dafür ist, diesen Antrag federführend in den Kultusausschuss zu überweisen, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Dann haben Sie so entschieden.

Wir kommen nunmehr zu dem

Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung: Vertreibung und Gewalt nicht vergessen - Leistung der Deutschen aus Russland anerkennen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/1544

Es hat sich zuerst gemeldet Frau Doris SchröderKöpf für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Ohne Erinnerung gibt es keine Kultur. Ohne Erinnerung gäbe es keine Zivilisation, keine Gesellschaft, keine Zukunft.“

Diese Worte des Friedensnobelpreisträgers und Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel, geboren in Rumänien, sind in erster Linie ein Plädoyer für das kollektive und unaufhörliche Erinnern an die entsetzlichen Gräuel in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie treffen meines Erachtens aber ebenso für den Umgang mit der deutschen Geschichte insgesamt in all ihren Facetten zu. Und so können Wiesels Worte auch für die Erinnerung an ethnische Säuberungen, wie sie die Russlanddeutschen erfahren haben, gelten. Wiesel forderte zum ständigen Erinnern auf. Genau das tun wir. Das tut der vorliegende Antrag der Fraktionen von SPD und CDU mit dem Titel „Vertreibung und Gewalt nicht vergessen - Leistung der Deutschen aus Russland anerkennen“.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Schicksal beginnt mit dem wohl bekanntesten Anwerbemanifest der Geschichte: dem Kolonistenbrief der Zarin Katharina der Großen aus dem Jahr 1763. Gelockt mit Vorteilen wie Selbstverwaltung und Glaubensfreiheit folgten Zehntausende deutsche Siedlerinnen und Siedler dem Aufruf in das Zarenreich und wurden allmählich zu treuen und sich aufopfernden Untertanen. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges begann indes die lange Zeit der Unterdrückung. Während der Sowjetzeit verstärkten sich die Repressionen und mündeten in politisch-ethnisch motivierten Säuberungsaktionen.