Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

und dafür zu sorgen, dass die Verfassung auch wirklich zur Geltung kommt. Manchmal ist es ganz nett zu lesen, wo Sie immer das eine oder andere Papier durchstechen.

Aber ich muss Sie schon an den Artikel 26 der Verfassung erinnern. Er verpflichtet die Landesregierung, frühzeitig und vollständig über Gesetzesvorhaben, Landesplanung, Standortplanung und andere Dinge von grundsätzlicher Bedeutung zu unterrichten. Sie haben das offenbar nicht im Blick. Wie anders ist es zu verstehen, dass man in den Bilanzpressekonferenzen der NORD/LB mehr über die Zukunftspläne des Unternehmens erfährt als in

der Haushaltssitzung des Landtags? Auch im Aufsichtsrat soll es ähnlich sein.

Sie betreiben hier Geheimniskrämerei an einer Stelle, an der es für das Land Niedersachsen noch sehr teuer werden kann. Deswegen erwarten wir, dass die Opposition voll in Ihre Pläne eingebunden wird und dass hier voll transparent über Haushaltsrisiken gesprochen wird.

Auch Ihre Hauruckaktion bei den Finanzämtern ist ein interessantes Beispiel. Offenbar hat noch nicht einmal das Ministerium für den ländlichen Raum hierbei mitzeichnen dürfen. Die Beschäftigten haben Sie ebenso außen vor gelassen wie die Gewerkschaften und die Kommunen, meine Damen und Herren. Auch den Antrag zur Unterrichtung im Landtag haben Sie vertagt. Das ist eine Geheimniskrämerei, eine Intransparenz, die wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

Aber das ist auch ein Zeichen für die Schwäche dieser Großen Koalition. Wenn Ihre Pläne nämlich wirklich so gut wären, Herr Ministerpräsident und Herr Althusmann, dann bräuchten Sie gar keine Sorge zu haben, diese Pläne auch hier im Plenum diskutieren zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Aber nein, Sie versuchen sie durchzuzocken und möglichst nicht vorab zur Kenntnis zu bringen. Das ist in der Verfassung anders vorgesehen, meine Damen und Herren. Das fällt Ihnen auch langfristig auf die Füße, weil in dieser Art und Weise am Ende schlechte Entscheidungen getroffen werden.

Gucken Sie sich das an, welche Herausforderungen Sie beim internationalen Datenaustausch und bei der Verstärkung des Personals der Steuerverwaltung haben! An allen diesen Stellen gäbe es noch viel zu tun, gerade auch für die innere Sicherheit; denn dabei geht es beispielsweise um Fragen wie Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Während Sie beim Polizeigesetz um der symbolischen Härte willen die verfassungsrechtlichen Grenzen überschreiten, lassen Sie bei Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung die Akten liegen. Aber was nützen am Ende die neuen Ausrüstungsgegenstände für die Polizei, wenn Ihr Bundesinnenminister - Herr Schünemann ist jetzt leider nicht da - durch Berlin irrlichtert und sich am Ende

sagen lassen muss, dass er das größte Sicherheitsrisiko für dieses Land ist!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer, meine Damen und Herren, hätte es denn für möglich gehalten, dass sich 200 Polizeibeamte an den MP wenden und ihre Sorge über die Diskriminierung von Minderheiten zum Ausdruck bringen! Ich hätte mir das vor einem Jahr noch nicht vorstellen können.

Meine Damen und Herren, Sicherheit hat viel mit Vertrauen zu tun, aber eben nicht allein mit Polizei. Sicherheit hat auch etwas mit sozialer Sicherheit zu tun und mit dem Vertrauen in einen Rechtsstaat, der alle gerecht behandelt. Hier haben Sie ebenfalls eine offene Flanke: von der Kinderbetreuung bis zur Pflege. Warum schaffen es die großen Parteien nicht, für eine faire Bezahlung in den sozialen Berufen zu sorgen?

Das, was wir an Fachkräftemangel im Pflegebereich, in den Krankenhäusern, in den Schulen und in den Kindergärten spüren, hängt auch damit zusammen, dass diese sozialen Berufe oft viel schlechter bezahlt werden und dass man bislang oft noch für die Ausbildung selbst bezahlen muss. Das sind tatsächlich strukturelle Herausforderungen. Da bedürfte es wirklich einer Großen Koalition, um diese anzugehen, meine Damen und Herren; denn das sind oft gewachsene Fragen, die sich über lange Jahre so herausgebildet haben.

Meine Damen und Herren, leider kommt von Ihnen auch gerade zu diesen Verteilungsfragen viel zu wenig. Da reicht es nicht, die Gebührenfreiheit herzustellen, sondern da muss viel mehr strukturell angegangen werden. Wer könnte das denn anders als eine Große Koalition, die sich vielleicht über manchen Widerstand, der dabei entstehen könnte, hinwegsetzen könnte!

Aber: Sie scheuen das Risiko. Sie scheuen die Diskussion. Das ist genauso, wenn es an die großen Erben bei der Erbschaftsteuer, um die Grundsteuer oder darum geht, sich mit den Eigentümern von VW und Porsche bei der Neuausrichtung der Automobilindustrie anzulegen, oder wenn man sich mit Dow und der IG BCE anlegen müsste, wenn man dort tatsächlich plant, noch einmal ein Kohlekraftwerk zu bauen.

All das sind Zeichen für die Schwäche dieser Großen Koalition, meine Damen und Herren. Dies zeigt, dass Sie den wirklichen Konflikten oft ausweichen.

„Groß“ ist ein Synonym für bedeutend, für entscheidend, für erheblich. Aber für die Große Koalition in Hannover muss man feststellen: Sie sind groß, aber Sie sind nicht mächtig. Sie sind viele, aber Sie sind nicht stark. Sie haben die Mehrheit, aber Sie sind nicht souverän. Sie verwalten, wo Sie gestalten müssten. Niedersachsen hätte Besseres verdient.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hat für die Fraktion der SPD die Kollegin Frauke Heiligenstadt zusätzliche Redezeit beantragt. Vier Minuten!

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wie geht das, zusätzliche Redezeit?)

Der Minister hat überzogen. Ich habe zusätzliche Redezeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin, ganz herzlichen Dank. - Lieber Kollege Wenzel, ich glaube, so einfach kann man es sich im Rahmen einer Haushaltsrede nicht machen, wie Sie es hier gerade getan haben. Ich finde, auch deshalb ist es richtig und notwendig, das richtigzustellen, was Sie gerade hier ausgeführt haben.

Sie werfen dem Minister Geheimniskrämerei vor, weil er angeblich Angelegenheiten der NORD/LB nicht in Ausschusssitzungen thematisiert. Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall: Ich habe im Haushaltsausschuss selten so häufige Unterrichtungen erlebt wie in den letzten zehn Monaten.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Sie, Herr Wenzel, sind Vorsitzender. Sie wissen, dass in diesem Bereich, zur NORD/LB, mehrfach unterrichtet worden ist.

(Christian Grascha [FDP]: Aber nur das, was vorher schon in der Zeitung stand!)

Jeder Wunsch nach Unterrichtung wurde berücksichtigt. Wir haben in vertraulicher Sitzung getagt. Wir haben zum Teil in öffentlicher Sitzung getagt.

Hier so zu tun, als wäre das Geheimniskrämerei, ist nicht in Ordnung. Deshalb gehört das auch klargestellt. Dieser Minister ist bisher jedem Unterrichtungswunsch nachgekommen.

(Beifall bei der SPD - Christian Grascha [FDP]: Es kommt aber auch darauf an, was man dann sagt!)

Zum Thema Hauruckaktion Finanzamtsstruktur: Sie werfen ihm Intransparenz vor und sagen, das sei vertagt worden. - Wir sind übereingekommen, dass wir, sobald der Kabinettsbeschluss gefasst worden ist, in der nächstfolgenden möglichen Ausschusssitzung darüber unterrichtet werden. Auch das findet statt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist nicht in irgendeiner Form verschoben, vertändelt oder wegen Intransparenz nicht berücksichtigt worden, sondern auch das ist miteinander besprochen worden. Wir alle waren uns einig. Wenn das nicht der Fall ist, dann muss man das Signal geben, und wir müssen noch einmal darüber reden. Aber sich jetzt hier hinzustellen und das anders zu behaupten, finde ich an dieser Stelle nicht in Ordnung.

(Vizepräsident Frank Oesterhelweg übernimmt den Vorsitz)

Frau Kollegin, entschuldigen Sie, bitte! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grascha?

Nein. Ich möchte das jetzt ganz gerne zu Ende führen.

Dann zum Thema Vertrauen in den Rechtsstaat. Ja, ich glaube, das ist genau richtig. Da teile ich im Übrigen Ihre Auffassung, dass Menschen natürlich auch zu Politikverdrossenheit kommen, wenn sie erkennen, dass Berufe in unserem Land, die einer hohen Wertschätzung bedürfen, nicht angemessen entlohnt werden.

Aber ich hoffe, Sie sind mit mir einer Meinung, dass die Frage von Tarif und der Höhe der Besoldung oder Entlohnung - bei Erzieherinnen und Altenpflegekräften ist das ja keine Besoldung - auch Sache der Tarifpartner ist. Wir haben nun einmal die Tarifautonomie in unserem Land. Ich glaube, wir alle sollten dies weiterhin respektieren.

Wir sollten nicht so tun, als wären wir als Haushaltsgesetzgeber in der Lage, hier andere Tarife zu bezahlen, als es tatsächlich der Fall ist, und als ob wir das tatsächlich machen. Ich glaube, an der

Stelle muss man eine ehrliche Diskussion führen. Aber das ist nicht Gegenstand des Haushaltsplanentwurfs, der jetzt hier für 2019 auf dem Tisch liegt.

(Glocke des Präsidenten)

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren: Lassen Sie uns die Haushaltsplanberatungen redlich, gerne intensiv und mit Streit in der Sache führen, aber nicht Behauptungen aufstellen, die so tatsächlich nicht der Wahrheit entsprechen!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Heiligenstadt. - Ebenfalls zusätzliche Redezeit bekommt der Kollege Wenzel, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Zwei Minuten, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Finanzminister, sehr geehrte Frau Heiligenstadt, wir können das hier im Detail diskutieren. Aber ich habe im Kern gesagt, dass man in der Bilanzpressekonferenz der NORD/LB mehr erfährt als bei den vertraulichen Unterrichtungen dieses Finanzministers.

Es geht nicht nur darum, wie oft man unterrichtet, sondern es geht vor allen Dingen auch darum, was man unterrichtet und inwiefern man tatsächlich zum Kern der Sache kommt. Wenn man dann im Wochenrhythmus die Interviews des Finanzministers liest oder irgendwelche undichten Stellen offenbar dafür sorgen, dass Dritte Informationen bekommen, dann ist das nicht zufriedenstellend, und dann akzeptieren wir das nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Und was die Frage der Finanzämter angeht: Gucken Sie sich den Passus in der Verfassung an! Dort steht: Die Landesregierung muss den Landtag frühzeitig und vollständig über Angelegenheiten der Landesplanung informieren.

(Glocke des Präsidenten)