Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

Außerdem will die Junge Alternative Ausgangssperren für Flüchtlinge und Asylbewerber einrichten und diese Menschen gegebenenfalls abschieben, falls sie dagegen verstoßen.

Meine Damen und Herren, diese Aussagen sind - daran gibt es keinen Zweifel - ein ganz klarer unverhohlener Angriff auf unsere freiheitliche demokratische Grundordnung,

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

ein Angriff auf unsere gemeinsamen Werte, auf die Errungenschaften unserer freien Gesellschaft in Solidarität, sozialer Gleichheit und humanitärer Verantwortung.

Bei dieser Qualität von demokratiefeindlichen Sätzen - gleich, aus welcher Richtung sie auch kommen mögen - dürfen wir nicht wegschauen, dürfen wir als Staat und Politik nicht die Augen verschließen. Es war daher an der Zeit zu handeln, und wir in Niedersachsen haben gehandelt. So dient die Beobachtung und Aufklärung der Jungen Alternative Niedersachsen dem Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

Darüber hinaus ist es durchaus bemerkenswert, dass die Junge Alternative nach der Verkündung der Beobachtung durch den Verfassungsschutz mit der Ankündigung zur Auflösung ihrer Organisation in Niedersachsen reagiert. Diese Reaktion spricht - jetzt vorsichtig formuliert - nicht dafür, dass sich die Junge Alternative selbst als verfassungsmäßige Organisation betrachtet.

Ich möchte an dieser Stelle ebenfalls noch in die Waagschale werfen, dass bei Veranstaltungen der Jungen Alternative - übrigens auch der AfD in Niedersachsen - immer wieder Angehörige des Par

teinachwuchses mit T-Shirts oder Symbolen der Identitären Bewegung - ich wiederhole, dass die Identitäre Bewegung beobachtet wird - zu sehen sind, so z. B. bei der Demonstration der AfD in Salzgitter am 17. Juni 2018 im Stadtteil Lebenstedt und zuletzt auf Bildern vom Sommerfest der Jungen Alternative Niedersachsen im Juli 2018, die auf der eigenen Internetseite des Landesverbands veröffentlicht wurden.

Zu nennen ist hier auch der sogenannte „Frauenmarsch“ am 5. Mai dieses Jahres in Delmenhorst, bei dem der Landesvorsitzende Steinke eine Rede hielt und Mitglieder der Jungen Alternative bekannte Parolen der Identitären Bewegung skandierten. Dabei sind Steinkes Kontakte zur Identitären Bewegung seit langer Zeit bekannt,

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: In der Tat!)

wie dies am Rande des Bundeskongresses der Jungen Alternative im Februar dieses Jahres gegenüber Medienvertretern bestätigt wurde.

Steinke nahm bereits im Sommer 2016 an einer Demonstration der Identitären Bewegung in Wien teil und dokumentierte seine Reise zusammen mit anderen Angehörigen der Identitären Bewegung auf seiner persönlichen Facebook-Seite. Dort ist auch ein Bild von ihm zu finden, wie er in einem T-Shirt der Identitären Bewegung Niedersachsen posiert und sich dabei selbst fotografiert. Das Bild wurde am 28. Juli 2018 hochgeladen und ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD gegenüber rechtsextremistischen, vom Verfassungsschutz beobachteten Organisationen nur leere Worte sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Die Junge Alternative unterhält in Niedersachsen auch persönliche Kontakte zu Aktivisten der NPDJugendorganisation Junge Nationalisten aus Braunschweig. Hervorzuheben ist hier die im Namen der Jungen Alternative angemeldete Demonstration „Keine fremden Konflikte in unserer Stadt“ am 1. April 2017 in Peine, an der auch Aktivisten der Jungen Nationalisten und der Identitären Bewegung teilgenommen haben. Auf den im Internet veröffentlichten Bildern ist zu sehen, wie Angehörige der NPD-Jugend von einem Vertreter des Landesvorstands der Jungen Alternative persönlich begrüßt werden - ziemlich beste Freunde, möchte ich sagen.

Ein aktuelles Beispiel aus diesem Jahr ist die von der AfD angemeldete Demonstration am 21. April 2018 in Salzgitter. Auch hier zeigten sich Mitglieder der Jungen Alternative und der Jungen Nationalisten in freundschaftlicher Verbundenheit.

All dies bestärkt mich noch einmal in meiner Entscheidung von vergangener Woche, die Junge Alternative Niedersachsen zum Beobachtungsobjekt des Niedersächsischen Verfassungsschutzes zu erklären.

Zu Frage 2: Der Niedersächsische Verfassungsschutz arbeitet - das versteht sich von selbst - ausschließlich nach Recht und Gesetz. Er hat insbesondere die Aufgabe, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu beobachten, und dient so dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wurde nach den Erfahrungen mit der Zerstörung der Weimarer Republik das Prinzip der wehrhaften Demokratie verankert. Das bedeutet, dass der demokratische Staat in die Lage versetzt wurde, sich gegen seine Feinde zu wehren. Elemente der wehrhaften Demokratie sind z. B. die Unabänderbarkeit elementarer Verfassungsgrundsätze und die Möglichkeit, Parteien und sonstige Vereinigungen zu verbieten. Da die Verfassungsschutzbehörden im Vorfeld konkreter Gesetzesverstöße tätig werden und frühzeitig verfassungsfeindliche Bestrebungen erkennen sollen, sind sie ein Frühwarnsystem des demokratischen Rechtsstaates.

Rechtsgrundlage für die Beobachtungstätigkeit der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde ist § 3 Abs. 1 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes. Danach umfasst die Aufgabe des Verfassungsschutzes u. a. die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.

Der Begriff des Beobachtungsobjekts nach § 6 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes gehört dabei zu den zentralen Begriffen des Verfassungsschutzes. Ein Beobachtungsobjekt ist ein Personenzusammenschluss oder eine Einzelperson, der oder die zur Erfüllung der Aufgabe planmäßig beobachtet und aufgeklärt wird. Entscheidungsrelevant für die Bestimmung eines Verdachts oder Beobachtungsobjekts sind alleinig auf Fakten und Informationen beruhende tatsächliche Anhaltspunkte bzw. Tatsachen.

Soweit die Voraussetzungen vorliegen, ist der Verfassungsschutz zur Beobachtung verpflichtet. Ein rechtlicher Spielraum für Entscheidungen aufgrund parteipolitischer Erwägungen besteht daher selbstverständlich nicht.

Die Tätigkeiten des Niedersächsischen Verfassungsschutzes unterliegen dabei selbstverständlich - das wurde in der Anfrage unterschlagen - einer vielfältigen, unabhängigen und umfangreichen Kontrolle durch das Parlament, durch die weisungsfreie G 10-Kommission, die Landesbeauftragte für den Datenschutz und natürlich auch die Öffentlichkeit und die Presse. Die große Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes im Jahr 2016 hat hier weitreichende Kontrollinstanzen geschaffen. Der Einsatz eingriffsintensiver nachrichtendienstlicher Mittel, wie u. a. die längerfristige Observation oder die Telekommunikationsüberwachung, unterliegt der Kontrolle der G 10-Kommission. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass dieses weisungsfreie - ich wiederhole: weisungsfreie - Gremium einen Richtervorbehalt ersetzt. - So viel zur Aufklärung.

Das Bundesverfassungsgericht hat das wiederholt festgestellt, und das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport ist nach § 36 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes verpflichtet, den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes im Niedersächsischen Landtag regelmäßig und umfassend über seine Tätigkeit als Verfassungsschutzbehörde im Allgemeinen sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Hierzu gehört u. a. die Bestimmung von Beobachtungsobjekten. Auch die Landesbeauftragte für den Datenschutz hat umfangreiche Auskunfts- und Kontrollrechte. Über das gesetzliche Auskunftsrecht kann sich jedermann informieren, ob personenbezogene Daten zu ihm oder ihr gespeichert sind. Alle Tätigkeiten des Verfassungsschutzes unterliegen gemäß Artikel 19 Abs. 4 GG im Übrigen auch der gerichtlichen Kontrolle. Der dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verpflichtete Verfassungsschutz gewährleistet mit diesen Mechanismen ein rechtsstaatliches und vertrauensvolles Handeln im Interesse der Allgemeinheit, der Gesellschaft und der Demokratie.

Zu Frage 3: Der Verfassungsschutz beobachtet die Jugendorganisationen der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD), den Jugendverband REBELL, und der Deutschen Kommunistischen Partei, die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend, und der Nationaldemokratischen Partei

Deutschlands, Junge Nationalisten (JN), ehemals Junge Nationaldemokraten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Die erste Zusatzfrage für die AfD-Fraktion stellt Herr Lilienthal.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vor dem Hintergrund, dass in der Jungen Alternative, wie der Name schon sagt, vor allem junge Menschen - ab 14 Jahre - sind: Wie wird dem Spannungsverhältnis zwischen Jugendschutz und Aufklärungs- interesse des Verfassungsschutzes begegnet?

Für die Landesregierung antwortet der Innenminister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Es gibt klare Regelungen dafür.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Wir beobachten die Organisation. Soweit der Jugendschutz berührt ist, wird er selbstverständlich beachtet.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Die nächste Zusatzfrage für die AfD-Fraktion stellt Herr Bothe.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vor dem Hintergrund der Ausführungen des Innenministers: Plant die Landesregierung jetzt auch, die Jusos - die Jugendorganisation der SPD - zu beobachten vor dem Hintergrund, dass diese im Bündnis gegen Rassismus beispielsweise mit der Interventionistischen Linken zusammenarbeiten, welche beispielsweise bei G 20 für die heftigen Krawalle mit verantwortlich war?

Vielen Dank.

Ihnen ist klar, dass das eine Wertung war? - Der Innenminister antwortet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgesehen davon, dass das mindestens eine Wertung enthielt, weise ich darauf hin, dass die Jungsozialisten nicht im Verdacht stehen, die verfassungsmäßige Ordnung infrage zu stellen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der FDP)

weder die Grundrechte, noch die Menschenrechte, noch den Pluralismus, noch die Freiheit, noch den Rechtsstaat oder sonst irgendetwas, was zu den Pfeilern unseres Staates gehört. Das kann man über die Junge Alternative leider nicht behaupten.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Herr Ahrends für die AfD-Fraktion!

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Ich stelle der Landesregierung die Frage: In wie vielen Fällen wurden Mitglieder der Jungen Alternative rechtskräftig für Straftaten verurteilt, die eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz rechtfertigen?

Vielen Dank.

Der Minister antwortet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch hier gilt: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Voraussetzung für eine Beobachtung ist nicht die Verurteilung wegen Straftaten. Ich habe gerade ausführlich ausgeführt, was die Voraussetzungen sind. Es ist nicht die Verantwortung der Landesregierung, wenn Sie diesen Ausführungen nicht folgen mochten. Ich will Sie Ihnen gerne überstellen. Sie können das aber auch im Protokoll nachlesen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Die nächste Zusatzfrage stellt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Julia Willie Hamburg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass Herr Pistorius gerade auf die Demonstration in Salzgitter angespielt hat, bei der auch AfD-Landtagsabgeordnete zugegen waren und Mitglieder der Identitären Bewegung als Ordner eingesetzt wurden, aber auch der Kreisverband Salzgitter beispielsweise immer wieder Posts von „Ein Prozent“ oder auch der Identitären Bewegung likt oder teilt und auch Landtagsabgeordnete in diesen Reihen durchaus Seiten mögen, die die Identitäre Bewegung und ihr Emblem zeigen, wie sie das Agieren der AfD an dieser Stelle bewertet.

(Beifall bei den GRÜNEN)