Protokoll der Sitzung vom 14.11.2018

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Die Landesregierung ergreift unmittelbar noch einmal das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden über einen Sachverhalt, dem die - ich sage mal - Hypothese zugrunde liegt, dass ein V-Mann des Verfassungsschutzes durch Umstände, die aufzuklären wären - wenn es so wäre -, enttarnt worden ist. Das ist ein Sachverhalt. Wenn ich ihn dadurch, dass ich ihn hier in öffentlicher Sitzung kommentiere, bestätige, wird klar, dass es diesen Sachverhalt gibt und dass dieser Mann oder diese Frau - was auch immer - in Gefahr wäre oder sein könnte.

(Zuruf: Das ist er doch schon!)

So ist es schlicht und ergreifend, ob das jetzt bestätigt wird oder nicht. Wenn wir über einen Sachverhalt reden und ich ihn nicht bestätige, also wenn ich sagen würde, es stimmt nicht, und es ihn gäbe, würde ich das Parlament belügen. Wenn ich sage, es stimmt nicht, und es stimmt tatsächlich nicht, dann dementiere ich den Sachverhalt. Also, egal, was ich tue: Es sind aus öffentlicher Sitzung Rückschlüsse auf den Sachverhalt möglich. Das ist genau das Problem, weswegen ich mich in öffentlicher Sitzung dazu nicht äußern kann.

(Anja Piel [GRÜNE]: Aber eine Pres- sekonferenz kann man nicht absa- gen? - Christian Grascha [FDP]: Was haben Sie denn den Journalisten ge- sagt?)

- Mit den Journalisten haben wir über die Hintergründe gesprochen, darüber, wie die abstrakten Verfahren sind.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Dann sa- gen Sie uns das doch auch!)

So wie es Frau Brandenburger im öffentlichen Teil der Ausschusssitzung auch gemacht hat.

(Anja Piel [GRÜNE]: Dann sagt man doch die Pressekonferenz ab und geht nicht zur gleichen Zeit zur Pres- se!)

Um diese Fragen geht es: Wie könnte so etwas überhaupt passieren usw.?

Aber noch einmal: Es ist so, wie ich es sage. Wir können solche Fälle nicht in öffentlicher Sitzung kommentieren, bewerten, dementieren oder dergleichen mehr. Das muss jedem von Ihnen klar sein. Wir reden darüber nachher in der vertraulichen Sitzung des Ausschusses. Da stehen wir Rede und Antwort. Da reden wir über das, was Sie wissen wollen. Das alles kann passieren, und dann wissen wir alle hinterher am Ende gemeinsam das Gleiche, ob dieser Sachverhalt zutrifft oder nicht. Aber ich kann mich als zuständiger Minister nicht in öffentlicher Sitzung hinstellen und das bewerten. Ich bitte um Verständnis.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Ich stelle fest, dass der Herr Minister - aufgerundet - etwa weitere zwei Minuten gesprochen hat. Seine Gesamtredezeit liegt also bei drei Minuten. Jetzt hat sich Frau Julia Willie Hamburg zur Aussprache gemeldet. Ich wende auch hier noch nicht die Drittel- bzw. 50-%-Regelung an. Sie haben bis zu drei Minuten. Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Pistorius, ich muss Ihnen sagen: Das ist eine Missachtung des Parlaments! Da fehlen mir die Worte.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der FDP und bei der AfD - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Genau das ist es!)

Insbesondere von Ihnen, Herr Pistorius, hätte ich das an dieser Stelle nicht erwartet. Wir haben einen Fall, der öffentlich geworden ist, und Sie wollen mir jetzt doch nicht erzählen, dass Sie uns Parlamentariern hier nicht Rede und Antwort stehen können, aber oben am Pressetisch stehen und dort Rede und Antwort stehen können. Was ist denn das? Wo sind wir denn hier?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der FDP und bei der AfD - Wiard Siebels [SPD]: Das hat er doch gar nicht! - Gegenruf von Christian Grascha [FDP]:) Woher wissen Sie denn das? Waren Sie dabei?)

Er hat doch überhaupt nicht gesagt, was er dort oben zu dem Fall erzählt hat. Das hätte er hier ja ausführen können. Es muss doch wohl möglich sein, uns hier detailliert zu sagen, was er dargestellt hat, und dann hier die Debatte darüber zu führen.

Es gibt doch auch viele Dinge, die man offen diskutieren kann, etwa wie der Verfassungsschutz wieder das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen will oder wie er wieder das Vertrauen anderer Verfassungsschutzämter gewinnen will. Das sind alles Fragen, die wir hier heute offen diskutieren müssen. Darauf muss die Landesregierung Antworten finden, wenn so ein Skandal öffentlich wird. Das ist ein Kardinalfehler, das ist kein Lapsus, liebe Kolleginnen und Kollegen, und da erwarten wir hier eine Aussprache.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der FDP und bei der AfD)

Und vor allen Dingen erwarte ich, Herr Pistorius, dass Sie, wenn wir Sie in den Ausschuss bitten und Sie nicht kommen, auch nicht der Presse Informationen geben, ohne sie vorher uns zu geben. Was soll denn das? Wie arbeiten wir hier denn miteinander?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der FDP und bei der AfD)

Sie erwarten von der Opposition doch auch das Einhalten bestimmter Fairnessregeln. Dann können wir als Opposition auch erwarten, dass Sie genauso Fairness an den Tag legen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der FDP und bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es liegt noch eine Wortmeldung von Herrn Dr. Birkner und eine von Herrn Kollegen Wichmann vor.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anknüpfend an das, was die Kollegin Hamburg gerade ausgeführt hat, muss man sich doch einmal klarmachen, worum es hier geht. Es geht um eine zentrale Frage der inneren Sicherheit. Es geht um die zentrale Frage, wie eigentlich ein Verfassungsschutz, der radikale extremistische Bestrebungen beobachten soll, künftig arbeiten soll, wenn durch eine öffentliche Berichterstattung das Vertrauen in den Quellenschutz des Verfassungsschutzes nicht mehr gewährleistet ist.

Dann haben wir einen Minister, der heute Morgen nicht sprechfähig war, obwohl wir ja wissen, dass diese Presseberichterstattung mindestens seit gestern Abend kursierte. Das spricht eigentlich schon Bände. Wir haben einen Minister, der nicht in der Lage war, in den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zu kommen, obwohl das von uns angefordert wurde. Wir haben ausdrücklich darauf hingewiesen, aber von SPD und CDU wurde abgelehnt, dass der Minister kommt.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Dieser Minister sieht sich dann aber kurze Zeit später in der Lage, diese allgemeinen Einschätzungen gegenüber Journalisten abzugeben, selbstverständlich nicht gegenüber dem Parlament. Obwohl das Parlament parallel gerade zu einer Regierungserklärung des Ministerpräsidenten tagt, sieht er sich nicht in der Lage, dem Parlament etwas zu sagen.

Da stellt sich einerseits die Frage, welches Verständnis Sie von innerer Sicherheit haben. Wir wollen schon von Ihnen wissen - wie auch die Kollegin Hamburg ausgeführt hat -, wie Sie gedenken mit diesem Vertrauensverlust umzugehen. Aber zum anderen habe ich eine so unfassbare Missachtung des Parlamentes in den Jahren, in denen ich hier Mitglied bin, in dieser Form wirklich noch nicht erlebt. So dreist hat das noch keiner betrieben.

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und bei der AfD)

Ich muss sagen: Das ist unterirdisch, was Sie hier abziehen, anstatt sich hier einer Debatte zu stellen und die Punkte, die Sie zu machen haben, zu setzen. Auch die allgemeinen Punkte als Minister im Parlament vor der Öffentlichkeit zu vertreten, hat eine andere Bedeutung, als sich im Ausschuss durch eine Abteilungsleiterin des Hauses vertreten zu lassen. Wo ist denn Ihr politischer Anspruch, der es ja eigentlich ist, tatsächlich für die innere Sicherheit einzustehen? Immer dann, wenn es heikel wird, ducken Sie sich weg! Das kennen wir aus dem Untersuchungsausschuss.

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und bei der AfD)

Dann sind es individuelle Fehler, es ist das Versagen Einzelner, und im Hintergrund versuchen Sie dann immer, das gute Bild des starken Mannes zu vermitteln. Der sind Sie nicht! Immer dann, wenn es darauf ankommt, sind Sie nicht an dem Platz,

an den Sie gehören. Das wäre heute der Niedersächsische Landtag gewesen!

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Ich erteile jetzt für die AfD-Fraktion Herrn Kollegen Wichmann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich unterstütze ausdrücklich das, was die Kollegin Hamburg und der Kollege Dr. Birkner hier vorgetragen haben. Sie liegen beide völlig richtig.

Was ich überhaupt nicht verstehen kann und wofür ich überhaupt kein Verständnis habe, ist, dass Sie, Herr Minister Pistorius, hier vortragen, Sie haben bei der Presse eine abstrakte Lage durchdiskutiert und durchgespielt, was dann die Verfahren sind. Exakt das war Bestandteil des öffentlichen Teils der Ausschusssitzung! Es stellt sich wirklich die Frage, warum Sie eine Parallelveranstaltung durchziehen, wenn Sie dasselbe machen.

(Widerspruch von Wiard Siebels [SPD])

Herr Dr. Birkner hat völlig recht: Das ist eine Missachtung des Parlaments.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wichmann. - Sodann für die SPD-Fraktion Kollege Siebels, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich mich bei Herrn Minister Pistorius für die Erläuterungen zu diesem konkreten Sachverhalt bedanken. Ich habe mit einigem Interesse die hier soeben laufende Debatte verfolgt.

Herr Minister Pistorius hat aus meiner Sicht überzeugend erklärt, weshalb es hier im Parlament in öffentlicher Sitzung keine Erläuterungen zu dem konkreten Sachverhalt geben kann. Mich jedenfalls hat das eindeutig überzeugt.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

In der Mittagspause hat es eine Sitzung des zuständigen Ausschusses gegeben, die - wenn ich richtig informiert bin - wohl abgebrochen worden ist, weil zeitgleich das Plenum zu tagen begann. Parallel scheint - so habe ich das jetzt aus den einzelnen Wortmeldungen rekonstruieren können - Herr Minister Pistorius irgendeine Art von Gespräch mit Pressevertreterinnen und -vertretern geführt zu haben.

Den Ausführungen des Ministers habe ich entnommen, dass es in diesem Gespräch logischerweise eben gerade nicht um den konkreten Sachverhalt, sondern um allgemeine, abstrakte Erläuterungen zum Verfassungsschutz gegangen ist. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Im Rahmen einer solchen - - -

(Christian Grascha [FDP]: Das haben wir jetzt zum zweiten Mal gehört! Sehr glaubwürdig!)

- Sehr glaubwürdig: Sie müssen das ja nicht glauben; das ist Ihr gutes Recht. Für mich ist das absolut überzeugend, weil ich nicht unterstellen kann, dass der Minister in Pressehintergrundgesprächen nicht öffentliche Sachverhalte erörtert, die er hier nicht erörtert. Das kann er schlichtweg nicht, und das hat er überzeugend dargelegt.