Ich bitte bei Wortmeldungen um die Abgabe von Wortmeldezetteln, um uns zumindest in dieser Hinsicht den Überblick zu erleichtern.
a) Digitalisierung und Jobverluste - was kommt auf Niedersachsen zu? - Anfrage der Fraktion der AfD - Drs. 18/2074
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Digitalisierung und Jobverluste - was kommt auf Niedersachsen zu?
Mit dem der Öffentlichkeit im August 2018 zugänglich gemachten Masterplan Digitalisierung verschriftlicht die Landesregierung in einer ersten Auflage einen langen und unvermeidbaren gesellschaftlichen Veränderungsprozess, der alle betreffen wird. Für alle Teilbereiche des gesellschaftlichen Lebens, insbesondere für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt, birgt die Digitalisierung neue Chancen, aber auch Risiken. In Bezug auf Qualität und Quantität möglicher Jobverluste ist die Prognose- und Studienlage derzeit nicht einheitlich: Die Universität Oxford geht z. B. davon aus, dass die Digitalisierung in den nächsten 20 Jahren 47 % aller bisherigen Jobs verschwinden lassen werde (Manager-Magazin Online vom 26. Oktober 2018). Der Digitalverband Bitkom geht auf Basis einer Umfrage unter 500 deutschen Unternehmen von 3,4 Millionen verlorenen Arbeitsplätzen in Deutschland aus (Zeit Online vom 2. Februar 2018).
1. Ist es geplant, kurzfristig eine Studie in Auftrag zu geben, die der für Bürger und Unternehmen wichtigen Frage nachgeht, wie viele Arbeitsplätze in welchen Branchen durch die Digitalisierung in Niedersachsen verloren gehen und mit welchem Arbeitsplatzaufbau in welchen Branchen und in welcher Größenordnung im Gegenzug gerechnet werden kann?
2. Von welchen Zahlen geht die Landesregierung derzeit aus: Kommt es in einer Gesamtschau zu einem Aufbau oder einem Abbau der Beschäftigung durch die Digitalisierung, und welche Branchen sind besonders stark betroffen?
3. Welche konkreten landespolitischen Maßnahmen wird die Regierung in dieser Legislaturperiode einleiten, um Bürger und Wirtschaft vor einem möglichen Arbeitsplatzabbau zu bewahren?
Vielen Dank, Herr Kollege Henze. - Das Wort hat der Wirtschaftsminister. Herr Minister Dr. Althusmann, bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich die Fragen der AfD beantworte, lassen Sie mich Folgendes anmerken: Die von Ihnen zitierten Studien sind zum Teil veraltet. Zum Teil werfen sie sehr einseitig den Blick auf das Thema Arbeitsplatzabbau.
Mittlerweile bestimmen vielmehr die Chancen der Digitalisierung die wissenschaftliche Diskussion. Ich teile uneingeschränkt die Position des Sachverständigenrates, der gerade seine Studie zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland vorgelegt hat, aber auch anderer Forschungsinstitute, das parallel zum möglichen Abbau von Arbeitsplätzen auch in der digitalen Arbeitswelt neue Erwerbsmöglichkeiten entstehen und dass die Digitalisierung große Chancen bietet, „drohenden Engpässen beim Arbeitskräfteangebot zu begegnen.“
Perspektivisch haben wir bei uns in Niedersachsen nicht zu viele, sondern eher zu wenige Beschäftigte und gleichzeitig auch viele ältere Beschäftigte. Rund 1 Million niedersächsische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden bis zum Jahr 2035 in den Ruhestand treten. Hier wird die Digitalisierung helfen, personelle Engpässe durch eine steigende Arbeitsproduktivität zu kompensieren. Zudem können ältere Arbeitnehmer in ihrer täglichen Arbeit entlastet werden, z. B. bei schweren körperlichen Tätigkeiten auf einer Baustelle oder auch im Pflegebereich und im Gesundheitswesen.
Die Digitalisierung ist aus dieser Perspektive kein Risiko für den Arbeitsmarkt, sondern, so meine ich, eine große Chance für unser Bundesland, Wohlfahrtseinbußen durch Fachkräfteengpässe zu vermeiden.
Zu den Fragen 1 und 2: Die Landesregierung hat nicht vor, eine eigene Studie in Auftrag zu geben. Uns liegen bereits genügend Informationen vor.
So erwartet das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit in einer aktuellen Studie für die Nordländer Niedersachsen, Hamburg, Bremen und SchleswigHolstein bis zum Jahr 2035 keinen nennenswerten Beschäftigungsabbau.
Unter dem Strich steht ein geringfügiges Minus von 16 000 Erwerbstätigen bei insgesamt aktuell 5,25 Millionen Erwerbstätigen im ganzen Norden. Negativ dazu beitragen werden voraussichtlich einige Industriezweige. Auf der anderen Seite entstehen fast 200 000 neue Arbeitsmöglichkeiten, insbesondere im Dienstleistungsbereich, vor allen Dingen in den Bereichen Information und Kommunikation.
Zu Frage 3: Mit der Fachkräfteinitiative Niedersachsen und den laufenden Arbeitsmarktprogrammen leistet die Landesregierung einen wichtigen Beitrag zur Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, um so die Herausforderungen des digitalen Wandels tatsächlich zu bewältigen. Außerdem werden wir die Digitalagentur sowie die Demografieagentur den Unternehmen als Ansprechpartnerinnen zur Begleitung der digitalen Transformation im Betrieb zur Verfügung stellen; und diese stehen zur Verfügung.
Mit dem groß angelegten Breitbandausbau, dem Digitalbonus und vielen weiteren Maßnahmen des Masterplans Digitalisierung unterstützen wir die Unternehmen zudem dabei, die wirtschaftlichen Potenziale zu nutzen, um auch Wachstum und Beschäftigung zu fördern.
Abschließend: Letztendlich ist es auch unsere Aufgabe, die Sorgen der Bürger, der Beschäftigten und der Unternehmen vor den technologischen Veränderungen sehr ernst zu nehmen. Denn wenn man vergleicht, wie verschiedene Gesellschaften der Digitalisierung gegenüberstehen, können wir heute sagen, dass in den asiatischen Staaten 83 % der Bevölkerung eine positive Einstellung zu den technologischen Veränderungen und Folgen der Digitalisierung haben. In Deutschland ist das etwa hälftig: 50 % sehen sie positiv, und 50 % sehen sie mit Sorge.
Letztendlich geht es darum, die Zukunftschancen zu nutzen und die Chancen der Digitalisierung aktiv zu ergreifen. Am Ende geht es immer darum, einen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu schaffen. Deshalb sind wir sehr
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung: Wie verbreitet sind digitale Technologien in niedersächsischen Betrieben?
Bestimmte Fragen sind für das gesamte Land Niedersachsen von erheblicher Relevanz. Gerade mit diesen Fragen haben wir uns in der Vergangenheit bei der Bewertung des Masterplans Digitalisierung auseinandergesetzt. Wir haben dazu auch die Ergebnisse des IAB-Betriebspanels für Niedersachsen ausgewertet.
Insgesamt 94 % der Betriebe in Niedersachsen haben 2017 über digital gestützte Arbeitsmittel verfügt. Mobile Endgeräte - das berühmte Smartphone - werden in den meisten Betrieben zur Steuerung genutzt. Denken Sie an die heutige Berichterstattung in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung über Smart Farming bzw. über digital gestützte Melkbetriebe in Niedersachsen. All das findet inzwischen ganz überwiegend unter Nutzung von Mobilfunkgeräten, Smartphones und Tablets statt.
Wir haben inzwischen herausgefunden, dass spezifische Software zur IT-basierten Optimierung dagegen bislang nur in halb so vielen Betrieben Anwendung findet, nämlich in 44 % der Betriebe.
Generell ist festzustellen, dass etwa 50 % des deutschen Mittelstands - ich denke, das ist auch repräsentativ für den niedersächsischen - insgesamt sehr zukunftsgewandt und offen gegenüber dem Einsatz neuer Technologien sind und sich auch mit der Frage beschäftigen, wie es in den nächsten Jahren weitergeht, während der Rest noch abwartet. Wir müssen hier in den kommenden Jahren noch Überzeugungsarbeit leisten;
denn der technologische Fortschritt schreitet exponentiell - so wird es immer gerne genannt - voran. Alle gesellschaftlichen Bereiche in Deutschland, insbesondere der wirtschaftliche Bereich, werden von neuen digitalen Technologien betroffen sein. Die niedersächsischen Unternehmen werden wir über die Digitalagentur, die noch in diesem Jahr eingerichtet wird, dabei begleiten.
Im kommenden Jahr werden wir einen sogenannten Digitalbonus für Handwerksunternehmen auf den Weg bringen, der zukünftig mit 15 Millionen Euro ausgestattet sein wird, sodass digitale Produktionsprozesse auch in niedersächsischen mittelständischen Unternehmen Schritt für Schritt vorankommen können.
Meine Frage an die Landesregierung bezieht sich auf das Sondervermögen Digitalisierung: Welche Summe wird aus diesem Sondervermögen in welchem Rahmen für die Fort- und Weiterbildung bereitgestellt?
Ich erwähnte gerade den „Digitalbonus“ für Handwerksunternehmen, der mit 15 Millionen Euro ausgestattet sein wird. Wir haben darüber hinaus ein neues Programm zum Thema „Smart Factory“ an berufsbildenden Schulen - das ist bundesweit einmalig - auf den Weg gebracht, um junge Auszubildende schon frühzeitig an neue Ausbildungsberufe heranzuführen. Sie wissen, dass die Ausbildung der Dachdecker oder auch der Zahntechniker in Zukunft andere Inhalte und eine andere Qualität haben wird. In dem einen Fall werden zusätzlich Drohnen eingesetzt, die technisch gehandhabt werden müssen, und in dem anderen Fall spielt der Laserdruck, der 3-D-Druck, eine Rolle. Das
Aber Sie haben recht: Als größte Herausforderung beim Thema Digitalisierung erscheint mir nicht so sehr das Abwägen von Gefahren des Arbeitsplatzabbaus, sondern eher die Vorbereitung der heute im System befindlichen Menschen in den Betrieben Niedersachsens und Deutschlands auf Veränderungen der Berufsbilder, auf neue Anforderungen bei der Qualifikation. Von daher bleiben die deutsche und die niedersächsische Wirtschaft insgesamt aufgefordert, für eigene Fort- und Weiterbildungen in den Betrieben zu sorgen. So sieht es im Übrigen auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nur über eine sehr gezielte Aus- und Weiterbildung gelingen kann, bestimmte Effekte der Digitalisierung auszugleichen.
Danke Ihnen. - Die nächste Zusatzfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Frau Viehoff. Bitte!
Vor dem Hintergrund, dass sich Arbeitsort und Arbeitszeit durch die Digitalisierung flexibilisieren werden, frage ich die Landesregierung, welche Chancen sie in der Umsetzung von Work-LifeBalance sieht.