Denn eines gehört für jeden Demokraten dazu: Ja, wir müssen andere Meinungen tolerieren, wir müssen andere Meinungen aushalten. Ich sage das hier ganz in Abzielung auf Popper und die Frage der Toleranz.
Ich bin nicht bereit, Meinungen, die sich nach meiner Auffassung außerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen, einfach so hinzunehmen. Es ist auch gut daran getan, dass Schülerinnen und Schülern in den Schulen ein Bewusstsein dafür mitgegeben wird, was sich im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegt und was nicht. Es sind die Werte einer offenen Gesellschaft, einer freien Gesellschaft, einer toleranten Gesellschaft, die wir unseren Schülerinnen und Schülern in der Schule mitgeben wollen.
Wenn uns das tatsächlich gelingt, dann ist es noch nicht einmal problematisch, über die AfD im Unterricht zu reden. Das Problem haben vielmehr Sie, weil alle Schülerinnen und Schüler, die sich im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hin zu der Anerkennung einer freien und offenen Gesellschaft entwickeln, mit Sicherheit nicht AfD wählen werden. Und seien wir ehrlich: Das ist doch Ihr eigentliches Problem! Sie haben Angst davor, dass Schülerinnen und Schüler eine eigene Meinung entwickeln und am Ende nicht die AfD wählen! Das ist Ihr Problem.
Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Nun hat das Wort für die Landesregierung Herr Kultusminister Tonne. Bitte!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Rykena, ich habe bei Ihrer Rede festgestellt,
dass Ihr Reden und Ihr tatsächliches Handeln meilenweit auseinanderfallen. Ich bin nicht bereit, es Ihnen in dieser Debatte durchgehen zu lassen, dass Sie mit dieser Art und Weise, der Vernebelung dessen, was Sie eigentlich politisch wollen, an diesem Tag hier durchkommen.
Meine Damen und Herren, ich will zunächst den Fraktionen von SPD und CDU recht herzlich danken, dass sie über die politische Liste der Demokratiebildung einen noch größeren Stellenwert zugeschrieben haben und das auch unterstützt haben. Ich glaube, das ist ein guter, ein richtiger, aber leider auch nötiger Schritt. Demokratie ist die einzige politisch verfasste Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss, und zwar immer wieder, tagtäglich und bis ins hohe Alter hinein. Wir werden nicht als Demokratinnen und Demokraten geboren oder bleiben es dann, einmal gelernt, ein Leben lang. Nein, wir müssen uns die Demokratie als Lebens-, als Gesellschafts- und als Herrschaftsform erschließen und beständig an ihrer Verwirklichung und konkreten Ausgestaltung mitwirken.
Demokratie ist auch nicht selbstverständlich gegeben. Sie kann sogar zerbrechen. Darauf haben zuletzt Steven Levitsky und Daniel Ziblatt in ihrem beeindruckenden Buch „Wie Demokratien sterben: Und was wir dagegen tun können“ hingewiesen, für das sie in diesem Jahr mit dem NDR Kultur Sachbuchpreis ausgezeichnet worden sind.
Wenn wir uns die verschiedenen Entwicklungen der letzten Wochen und Monate vergegenwärtigen, dann wird deutlich, wie wichtig es ist, die Demokratie und einen guten demokratischen Umgang miteinander zu lernen und immer wieder neu mit Leben zu füllen. Damit setzen wir in der Schule an. Das ist der richtige Ort, um damit zu beginnen.
Meine Damen und Herren, Akteure von Rechtsaußen setzen bei Ressentiments an und versuchen so, die Spaltung der Mitte der Gesellschaft voranzutreiben, und das immer mit denselben Mitteln: Sie schüren Ängste, sie schüren Vorurteile gegenüber Minderheiten, Zugewanderten und Geflüchteten. Sie stellen immer wieder die Grundwerte und Institutionen unserer Demokratie infrage.
Ich halte nämlich diese Angriffe für absolut inakzeptabel, ja auch für gefährlich; denn es bleibt oft nicht nur bei Worten. Denken Sie an die fremdenfeindlichen, an die rassistischen Übergriffe im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Chemnitz Ende August dieses Jahres oder an die zahlreichen Übergriffe und Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte! In zweiter Reihe in Chemnitz war der bildungspolitische Sprecher der AfDFraktion hier im Landtag dabei. Ich finde, das ist ein beschämender Vorgang.
Dann vergegenwärtigen wir uns einmal Reden und Handeln der AfD. Herr Rykena steht hier und spricht von den Vorteilen der Demokratie, der freien Meinungsäußerung. Sie wollen aber ein Meldeportal einrichten. Was hat das mit freier Meinungsäußerung zu tun?
Er stellt sich hier hin und sagt: Abweichende Meinungen müssen respektiert werden. - Ich kann Ihnen jedoch sagen, dass es Briefe der AfD an niedersächsische Schulen gibt, wo genau diese abweichende Meinung nicht respektiert werden soll. Abgehängt werden soll sie. Das ist doch Fakt und das, was hier in Niedersachsen seitens dieser Fraktion passiert.
Damit einmal beleuchtet wird, um was es uns eigentlich geht, bringe ich Ihnen mal ein kleines Beispiel und stelle Ihnen im Anschluss eine Frage.
Bitte Ruhe! - Herr Henze, diese Gelegenheit haben Sie im Rahmen einer Frage nicht. Bitte stellen Sie Ihre Frage! Sonst muss ich Ihnen das Wort entziehen.
Das bekommen wir hin. - Herr Minister, wenn an einer Schule hier in Niedersachsen jemand den Schülern am Begriff der Bayernwahl aufzeigen möchte, wie es 1933 bei der - - -
Wir haben in den Schulen Leute, die die AfD mit der NSDAP vergleichen. Das sind Schulunterlagen, die mir inzwischen vorliegen. Das sind - - -
Und jetzt die Frage, Herr Kollege! Sie hatten mir zugesagt, eine Frage zu stellen. Bitte halten Sie sich daran!
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen die Beispiele genannt, die wir hier in Niedersachsen festgestellt haben. Ich sage Ihnen, genau diesen Versuch, Meinungsfreiheit und das Äußern von Meinungen einzuschränken, werden wir nicht mitmachen - an keiner einzigen Stelle, an keiner einzigen Schule in Niedersachsen!
Die Schule ist genau der richtige Ort, an dem alle Kinder und Jugendlichen unabhängig vom Elternhaus und von ethnischer und sozialer Herkunft erreicht werden und für das Demokratielernen erreichbar sind. Genau das werden wir auch nutzen und entschlossen weiter ausbauen.
Wir wollen und brauchen Schulen, die klar und deutlich Position für Demokratie und Menschenrechte beziehen und die sich kritisch mit kontroversen Diskussionen, Politik und Gesellschaft auseinandersetzen. Dazu gehört natürlich auch - und hier gibt es kein Vertun - die kritische Auseinandersetzung mit Diskriminierung, mit Ausgrenzung und allen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Ich kann Ihnen sagen: Ich habe in den letzten Wochen noch nie so oft das Wort „Neutralitätsgebot“ gehört, und ich habe noch nie so viel Unfug zu diesem Begriff gehört. Selbstverständlich umfasst das Neutralitätsgebot, dass Lehrkräfte eine eigene Meinung haben und diese auch sagen dürfen. Das bleibt auch so, meine Damen und Herren.
Wir werden mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln u. a. unsere Titelschulen „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ stärken, wir werden u. a. Friedensschulen stärken, und wir wollen ein Netzwerk der Kinderrechteschulen in Niedersachsen ausbauen, genauso wie es im nächsten Jahr einen Grundsatzerlass „Demokratiebildung“ geben wird.
Gerade heute, am Tag der Menschenrechte, an dem sich die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen zum 70. Male jährt, ist dieser Schritt ein wichtiges Zeichen. Wir stehen an der Seite derer, die für Demokratie, Partizipation und Miteinander eintreten.
Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich diesen Teil der Aktuellen Stunde schließen kann.