b) „Wer lesen, rechnen, schreiben kann, ist klar im Vorteil!“ - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/2314
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einem Jahr wurde die IQB-Bildungsstudie veröffentlicht, nach der die Viertklässler in Niedersachsen nur zu 10 % den Optimalstandard im Bereich Lesen erreichen. Nur 10,5 % erreichen den Optimalstandard im Bereich Zuhören. 28 % der Schülerinnen und Schüler erreichen noch nicht einmal den Mindeststandard im Bereich der Orthografie. Im Bereich Mathe erreichen 16,3 % nicht den Mindeststandard für Viertklässler.
Was hat sich seitdem mit der Großen Koalition in Niedersachsen getan? - Nicht viel. Es wurde zwar ein neues Kerncurriculum in Deutsch verabschiedet, aber ehrlicherweise greift das an einem der Kernprobleme vorbei.
Die CDU hatte sich noch im Landtagswahlkampf groß dafür ausgesprochen, die Methode „Lesen durch Schreiben“ - im Volksmund „Schreiben nach Gehör“ genannt - abzuschaffen. Nichts ist davon übrig geblieben. Im Koalitionsvertrag gab es lediglich einen Prüfauftrag für die Methode. Den Prüfauftrag hat der Kultusminister letzte Woche in seiner Pressekonferenz mal eben so abgeräumt.
Gleichzeitig haben natürlich noch einige CDUAbgeordnete eine schriftliche Anfrage auf den Weg gebracht, um diese Absage des Kultusministers an den Prüfauftrag sozusagen noch einmal schriftlich verifiziert zu bekommen. Vielleicht ist das dann ein notwendiges Dokument für den Koalitionsausschuss. Man würde es sich ja zum Wohle der Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen wünschen.
Was ist nun die Strategie des Kultusministeriums? - Die Strategie des Kultusministeriums ist es, ab Klasse 5 mehr im Deutsch-Bereich zu fördern und insbesondere die Rechtschreibung in den Blick zu nehmen. Wir halten es für die falsche Antwort darauf, ab Klasse 5 jetzt mehr daran zu arbeiten, die Fehler, die vorher eingeübt worden sind, zu korri
gieren. Wir würden eher dafür plädieren, schon in den ersten vier Jahren dafür zu sorgen, dass die Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen nach Klasse 4 über ausreichende Rechtschreib-, Mathe- und Lesekompetenzen verfügen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Was kann dazu neben der Abschaffung der Methode „Lesen durch Schreiben“ dienen? - Klammer auf: Andere Bundesländer mit SPD-Regierungsbeteiligung, mit CDU-Regierungsbeteiligung und mit Regierungsbeteiligung der Grünen gehen hier schon wegweisend voran. Andere Bundesländer machen sich auf den Weg und ziehen sozusagen die richtigen Konsequenzen aus der Studie.
Wir hätten uns auch gewünscht, dass man im Kerncurriculum Deutsch wieder den Mut gehabt hätte, Diktate ab Klasse 3 verbindlich vorzuschreiben. Klar wissen wir alle, dass das nicht immer das Beliebteste bei den Schülerinnen und Schülern ist. Aber ein Diktat schon ab Klasse 3 kann nicht schaden, wenn es darum geht, die Rechtschreibung richtig einzuüben.
Wir plädieren auch dafür, unseren Grundschülern genauso viel Unterricht zu erteilen wie in anderen Bundesländern auch. Man muss sich das einmal an den Stundentafeln vergegenwärtigen: Die Schülerinnen und Schüler in Bayern bekommen in den Jahrgängen 1 bis 4 insgesamt 400 Unterrichtsstunden mehr als die Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen. Warum geben wir unseren Schülerinnen und Schülern nicht die gleichen Bildungschancen wie den Kindern in Bayern, meine sehr geehrten Damen und Herren? Hier ist dann genügend Potenzial, in Mathe und Deutsch gerade die Kernkompetenzen unserer Kinder noch deutlich zu verbessern.
Wir brauchen darüber hinaus auch endlich die notwendigen Ressourcen in den Grundschulen, um tatsächlich diese Kernkompetenzen zu vermitteln. Ich glaube, wir alle haben Hochachtung vor den Lehrerinnen und Lehrern, die in 26er-Grundschulklassen in Wilhelmshaven, Salzgitter oder in anderen schwierigen sozialen Umfeldern wirklich versuchen, den Kindern Deutsch beizubringen, Mathe beizubringen und auf eine saubere Schreibschrift zu achten. Es stellt sich tatsächlich die Frage: Kann ich das mit 26 Schülerinnen und Schülern, die alle ihre individuellen Herausforderungen
Ich glaube, es ist notwendig, hier den nächsten Schritt zu machen und mehr multiprofessionelle Teams auf den Weg zu bringen, damit sich Lehrkräfte gezielt um die Kernkompetenzen einzelner Schülerinnen und Schüler kümmern können. Nordrhein-Westfalen ist da auf einem guten Weg. Es hat in diesem Jahr 600 zusätzliche Kräfte für multiprofessionelle Teams eingestellt und stellt in 2019 noch einmal für 600 multiprofessionelle Teams Mittel zur Verfügung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch auf diesen Weg sollten wir uns machen. Denn eines muss klar sein: Wer lesen, rechnen und schreiben kann, ist klar im Vorteil. Diesen Vorteil sollten wir unseren Schülerinnen und Schülern in Niedersachsen nicht nehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja: Lesen, Rechnen, Schreiben - das sind elementare Kulturtechniken, ohne die sich unsere Gesellschaft nicht weiterentwickeln kann. Natürlich sind sie unabdingbar für einen erfolgreichen Bildungsweg unserer Kinder, und sie legen den Grundstein für das spätere Berufsleben. Kinder - das ist schon mehrfach angesprochen worden - müssen diese Grundtechniken bis zum Ende des vierten Schuljahres beherrschen. Denn wer in der Grundschule nicht richtig lesen, rechnen oder schreiben kann, wird das bis zum Schulabschluss nur schwerlich nachholen. Daher, liebe FDP, kann ich der Aussage des Titels dieser Aktuellen Stunde nur zustimmen.
Leider - das wurde ausgeführt - sieht die Realität in den Klassenzimmern aber anders aus. Das belegen die Ergebnisse der letzten IQB-Studie, aber auch die IGLU-Studie, die 2017 veröffentlicht wurde. Die Zahlen wurden genannt: 28 % der Schüler und Schülerinnen können am Ende der vierten Klasse nicht richtig schreiben; 13 % haben Schwierigkeiten beim Lesen, und 16 % sind zu schlecht in Mathe.
Das ist seit Jahren so. Auch niedersächsische Unternehmen klagen über Mängel in den drei Grundkompetenzen bei ihren Auszubildenden. Das muss sich ändern, und ich sage Ihnen: Das wird sich auch ändern. Denn wir sind ja schon dabei - und das werden wir in den kommenden Jahren fortsetzen -, intensiv daran zu arbeiten.
(Björn Försterling [FDP]: Wir sind ge- spannt! - Christian Grascha [FDP]: Ist das ein Versprechen oder eine Dro- hung?)
Zum Schuljahr 2018/2019 wurden die Lehrpläne für das Fach Deutsch an Grundschulen überarbeitet. Im letzten Monat bekamen die Lehrkräfte die neuen Materialien für den Rechtschreibunterricht ab Klasse 5. Sie haben das vorhin beklagt, aber auch das ist notwendig; denn wenn die Defizite behoben werden sollen, muss man auch in der Sekundarstufe I noch weiter helfen.
Das sind wichtige Maßnahmen, die dazu beitragen, die Rechtschreibkenntnisse unserer Kinder zu verbessern. Und: Das Kultusministerium erarbeitet zurzeit weitere Maßnahmen und Projekte zur erfolgreichen Vermittlung der Grundkompetenzen. Hier darf ich beispielhaft das Projekt „Lesen macht stark“ oder die Etablierung von Schülerwettbewerben zur Rechtschreibung nennen. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart ist, soll evaluiert werden, welche Lernmethoden die Schulen in Niedersachsen im Sinne der Eigenverantwortlichen Schule einsetzen. Hier wird - das wird gemacht! - die Methode „Schreiben nach Gehör“ kritisch überprüft.
Es ist kein Geheimnis, dass aus Sicht der CDU die Methode „Schreiben nach Gehör“ sofort abgeschafft werden könnte bzw. einer zusätzlichen Überprüfung nicht mehr bedürfte.
Meine Damen und Herren, für die bessere Bewertung des Lernstandes der Kinder und die nötige Information an die Eltern, auch mit Blick auf die Entscheidung, welche weiterführende Schule die richtige ist, wollen wir ab der vierten Klasse wieder Noten einführen.
rade diese Kenntnisse und das damit verbundene Gespür für Zahlen, Formen und komplexe Zusammenhänge sind in Zeiten zunehmender Digitalisierung in nahezu allen Lebensbereichen elementar und besonders für den Beruf existenziell. Schon heute unterstützen Fachberater für Mathematik unsere Schulen in der Weiterentwicklung ihres Unterrichts.
Wir setzen bei der Bildung auch schon vor dem Grundschulbereich ein. Es gibt für die Kitas den Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für die Drei- bis Sechsjährigen.
Die Sprachförderung beginnt bereits beim Kitabesuch, damit möglichst kein Kind seine Schullaufbahn mit Sprachdefiziten beginnt.
Bei allen Maßnahmen aber gilt: Bildungspolitik muss langfristig gedacht und geplant werden. Und sie muss sich ebenfalls kontinuierlich an die sich ändernden Schülerschaften anpassen und diese im Blick haben.
Vorhin war die Rede von multiprofessionellen Teams. Sie wissen, dass zurzeit an verschiedenen Schulen als Pilotprojekt das Programm „Schule [PLUS]“ läuft. Das ist schon mal ein Ansatz. Wir haben Schulen mit einem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund; die Inklusion greift usw. All das muss beachtet werden, und eigentlich muss man jede Schule individuell im Blick haben.
Deshalb setzt der aktuelle Haushalt, den wir in diesem Plenum beschließen werden, einen starken Schwerpunkt bei der Bildung. Meine Damen und Herren, wir lassen nicht zu, dass unsere Kinder bei den Grundkompetenzen abgehängt werden. Mit klugen Weichenstellungen sorgen wir dafür, dass sie bis zum Ende der vierten Klasse richtig rechnen, schreiben und lesen können.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Wer lesen, rechnen, schreiben kann, ist klar im Vorteil!“ Das möchte man manchmal hier in der Debatte auch einzelnen Kolleginnen und Kollegen zurufen.
Aber es ist ein ernstes Thema, das die FDP in ihrer Aktuellen Stunde aufgemacht hat. Die genannten Studien, die IQB-Studie, die PISA-Studie, die IGLU-Studie - diese Studien sind ja nicht alle neu; die IQB-Studie ist z. B. zwei Jahre alt -, haben sich insbesondere mit diesen Grundkompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler befasst und kamen zum Teil zu alarmierenden Ergebnissen. Die Medien sind auf das Thema angesprungen; insbesondere in den überregionalen Medien - Bild, Spiegel, Welt etc. - war zu lesen, dass unsere Schülerinnen und Schüler, was die sogenannten Kulturtechniken angeht, angeblich immer weniger können.
Manchmal ist der Tenor: Früher war alles besser; in den 50er-, 60er-Jahren waren die Rechtschreib- und Lesekompetenzen viel besser ausgeprägt. - Man erwischt sich auch manchmal selber dabei, dass man denkt: Früher hatten wir noch keine Handys, keine Smartphones; da gab es die Digitalisierung noch nicht. Damals waren noch ganze Sätze erforderlich, wenn man z. B. einer Mitschülerin oder einem Mitschüler seine Zuneigung in Form eines Liebesbriefs mitteilen wollte. Da musste man noch ganze Sätze schreiben, um zum Erfolg zu kommen. Heute reichen ein paar Emojis oder Abkürzungen bei WhatsApp - da kann man schon etwas neidisch drauf gucken.