Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

(Beifall bei der FDP und bei der AfD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es stellt sich auch die Frage, wie die Optionskommunen in Niedersachsen - von denen wir Gott sei Dank eine große Zahl haben; denn sie machen eine gute Arbeit - mit dieser Situation umgehen sollen. Bisher sind es nur die Jobcenter, die Rückforderungen gegenüber den Bürgschaftsgebern stellen. Aber gibt es eine Leitlinie der Landesregierung, wie die Optionskommunen damit umgehen sollen, verehrte Kolleginnen und Kollegen?

Nach meiner Auffassung ist es so: Wenn Bürgen richtig beraten worden sind, wenn sie darüber aufgeklärt worden sind, welche Risiken es gibt, wenn richtig geprüft worden ist, ob die Bürgschaften tatsächlich tragfähig sind, und diese Bürgschaften abgegeben worden sind, dann müssen die Bürgschaftsgeber natürlich auch für ihre Bürgschaft eintreten. Das steht für mich außer Frage.

(Beifall bei der FDP und bei der AfD)

Aber genauso steht außer Frage, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass das Land endlich seine Fehler eingestehen muss, dass gesagt werden muss: Jawohl, wir haben im Mai eine falsche Rechtsauskunft gegeben! Jawohl, vor Ort ist möglicherweise falsch beraten worden, bei dem Thema Bürgschaften ist falsch geprüft worden!

Diese Landesregierung kann dafür sorgen, dass das, was Sie wollen - nämlich dass die Bürgschaftsgeber nicht für ihre Bürgschaft eintreten müssen -, geschieht. Die Kollegin Piel hat darauf hingewiesen. Es geht um atypische Fälle. Ein atypischer Fall liegt dann vor, wenn beispielsweise eine falsche Beratung stattgefunden hat. Das kann dann von den Jobcentern im Ermessen ausgelegt werden.

Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dann geben Sie den Jobcentern doch bitte den Hinweis, dass ein atypischer Fall vorliegt, weil Sie eine falsche Rechtsauskunft gegeben haben. Damit lösen Sie selbst das Problem.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Ich möchte Sie sehr herzlich bitten: Schaffen Sie Abhilfe, bevor Hunderte von Fällen hier in Niedersachsen vor Gericht landen und diese Klagen unsere Sozialgerichte noch mehr belasten, als es derzeit schon der Fall ist!

Verehrter Herr Minister, ein freundlicher Brief an die „liebe Katarina“ löst dieses Problem nicht. Damit allein ziehen Sie sich nicht aus der Affäre.

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Für die CDUFraktion erteile ich nun dem Kollegen Schünemann das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Schröder-Köpf, die Überschrift der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde ist sicherlich etwas irritierend. Denn es war die Große Koalition, die Bundesregierung, die im Sommer 2016 das Aufenthaltsgesetz geändert hat. Bis dahin musste jeder, der eine Verpflichtungserklärung unterschrieben hat, davon ausgehen, dass

das finanzielle Risiko dann auch für den gesamten Aufenthalt des Flüchtlings gilt. Mit der Änderung durch die Große Koalition findet erstmals eine zeitliche Begrenzung statt. Es sind maximal fünf Jahre und für diejenigen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Verpflichtungserklärung unterschrieben haben, drei Jahre.

Meine Damen und Herren, es ist mitnichten so, dass die Flüchtlingshelfer im Regen stehen gelassen werden, sondern das ist eine klare Regelung und insofern auch eine Verbesserung für diejenigen, die aus humanitären Gründen helfen wollen.

(Beifall bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Herr Schünemann, Sie sind seit Ende November mit Frau Schrö- der-Köpf in einer Koalition! Ich wollte nur darauf hinweisen! - Christian Meyer [GRÜNE]: Das ist eine Opposi- tionsrede!)

Worum geht es? - Es geht um die Landes- und Bundesprogramme, die seit 2013 im Zusammenhang mit den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien stattgefunden haben. Hier gab es zur damaligen Zeit ein Aufenthaltsrecht, wonach die Verpflichtungserklärung nicht gilt, wenn der Aufenthaltstitel zu einem anderen Zweck geändert wird. Der Bundesinnenminister hat schon 2013 klargemacht, dass kein anderer Zweck vorliegt, wenn aufgrund der Folgen des Bürgerkrieges in Syrien ein Aufnahmeprogramm aufgelegt, ein Asylverfahren durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen wird und es aufgrund der Folgen des Bürgerkrieges in Syrien erfolgreich ist. Dies klingt zunächst auf jeden Fall logisch. Deshalb hat die Bundesarbeits- und -sozialministerin es genauso anerkannt. Die Große Koalition hat das dann im Aufnahmegesetz rechtlich eindeutig präzisiert.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Dann hat die Landesregierung falsch beraten!)

Deshalb ist die rechtliche Situation sehr eindeutig. Was bleibt - darauf hat die Kollegin Schröder-Köpf hier hingewiesen -, ist natürlich die humanitäre, die menschliche Komponente. Da ist die Frage - wie es auch die FDP hier dargestellt hat, Herr Oetjen -, ob vernünftig beraten worden ist, ganz entscheidend.

Der Bundesinnenminister hat deutlich gemacht, dass er bereits im Jahr 2013 seine Rechtsauffassung hierzu sehr klar dargestellt hat. Sicherlich ist dann auch im Jahr 2014 von Innenminister Pistorius darauf hingewiesen worden, dass es hierzu

unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt. Aber ich glaube, im Zuge der Menschlichkeit ist es richtig, dass man hierbei für Rechtssicherheit sorgt und denjenigen hilft, die vielleicht nicht von Anfang an gewusst haben, worauf sie sich hierbei eingelassen haben.

Ich sage Ihnen eindeutig - ich habe die Botschaft des Ministerpräsidenten anlässlich seiner Regierungserklärung noch im Ohr -: Eine Große Koalition ist dafür da, Großes zu leisten. - Wenn man das umsetzt, bedeutet das, Maximales für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land zu erreichen. Deshalb unterstützen wir die Bemühungen des Innenministers Pistorius, zusammen mit Minister Beuth aus Hessen die Bundesregierung davon zu überzeugen, hierzu eine Härtefallregelung umzusetzen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Es ist wenig hilfreich, wenn man in dem Zusammenhang, Frau Schröder-Köpf, die Bundesregierung derartig angreift und sagt, dass sie Ehrenamtliche im Regen stehen lässt. Da sind manchmal eben auch Geheimdiplomatien durchaus hilfreicher.

(Jörg Bode [FDP]: Geheimdiplomatien?)

Meine Damen und Herren, da ich an den Vorkonferenzen zur Innenministerkonferenz teilnehmen kann, darf ich Ihnen deshalb, Herr Minister, noch einmal anbieten, dass wir uns in so wichtigen Fragen im Vorfeld abstimmen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich in irgendeiner Weise in Ihre Ressortkompetenz eingreifen will. Aber wenn wir im Sinne des Ministerpräsidenten Maximales für die Bürgerinnen und Bürger erreichen wollen, dann ist es sinnvoll, sich auf beiden Seiten im Vorfeld einzusetzen, um genau dieses zu erreichen. Wir haben diese Botschaft verstanden.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, im Sinne derjenigen, die sich verpflichtet haben, sind wir bereit, das Anliegen zu unterstützen, auch im Sinne der Großen Koalition und der geschäftsführenden Bundesregierung in Berlin.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Schünemann. - Für die Landesregierung hat nun das Wort Herr Innenminister Pistorius. Bitte!

(Beifall bei der SPD - Gegenruf von Dr. Stefan Birkner [FDP]: Er hat doch noch nichts gesagt!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich freue mich über diese Aktuelle Stunde; denn wir reden über ein Thema, das wir auch in der vergangenen Woche - wie schon gehört - auf der Innenministerkonferenz in Leipzig auf unseren Antrag hin diskutiert haben und das mir sehr am Herzen liegt.

Es geht um die einfache Frage und um die einfache Herausforderung, diejenigen Menschen nicht im Regen stehen zu lassen, die sich als Bürgen für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge eingesetzt haben. Sie haben damit verhindert, dass sich noch mehr Menschen in die Hände von Schleusern und auf eine lebensbedrohliche Reise in überfüllten Schlauchbooten begeben mussten.

Im Jahr 2013 spitzte sich die Lage in Syrien so weit zu, dass der Bund und die Länder es für dringend erforderlich hielten zu handeln. Das Bundesinnenministerium hat eine Aufnahmeaktion für 5 000 syrische Flüchtlinge initiiert. Auch Niedersachsen und die meisten anderen Länder entschieden sich, durch eigene Aufnahmeanordnungen syrischen Flüchtlingen die Einreise und den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Bis auf Bayern übrigens haben alle Länder entsprechende Aufnahmeanordnungen erlassen.

Voraussetzung war dabei, zu gewährleisten, dass für diese zusätzliche Flüchtlingsaufnahme zumindest zunächst keine weiteren Belastungen für die öffentlichen Haushalte, insbesondere für die Kommunen, entstehen sollen. Deswegen musste Voraussetzung für die Aufnahme sein, dass der Lebensunterhalt der syrischen Angehörigen durch die hier lebenden Verwandten oder andere Bürgschaftsgeber sichergestellt wurde. Hierfür hatten die hier lebenden Verwandten die Verpflichtungserklärung nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes abgegeben, um die es hier heute geht.

Durch diese Erklärung haben die Angehörigen und Unterstützer die Verpflichtung übernommen, die Kosten für den Lebensunterhalt zu tragen und

zunächst durch öffentliche Mittel abgedeckte Kosten zu erstatten, die während des Aufenthalts entstehen. Um aber die finanzielle Belastung der Angehörigen und Unterstützer nicht unverhältnismäßig auszugestalten, wurde der Umfang der abzugebenden Verpflichtungserklärung begrenzt. So wurden die Kosten für Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt, Pflegebedürftigkeit und Behinderung im Sinne des Asylbewerberleistungsgesetzes sukzessive von den Verpflichtungserklärungen ausgenommen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte nun im Januar dieses Jahres die Frage zu klären, wann eine solche Verpflichtungserklärung endet, und hat - ich darf aus meiner Sicht hinzufügen: leider - entschieden, dass die abgegebene Verpflichtungserklärung eben nicht endet, wenn die Angehörigen als Bürgerkriegsflüchtlinge erfolgreich einen Asylantrag gestellt haben, wovon nach der 2013 geltenden Rechtslage - ich wiederhole es - seitens meines Hauses und übrigens auch der anderen Länder ausgegangen worden war.

Auch die Tatsache, dass die Verpflichtungserklärung zur Ermöglichung der Einreise syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge im Rahmen einer Landesaufnahmeanordnung und damit zu einem humanitären Schutzzweck abgegeben wurde, änderte daran nichts. Daher, so das Bundesverwaltungsgericht weiter, sind die Verpflichtungsgeber weiterhin zur Erstattung der den Flüchtlingen durch die öffentliche Hand gezahlten Sozialleistungen verpflichtet.

Um es sehr deutlich zu sagen, meine Damen und Herren: Das entsprechende Landesprogramm war keinesfalls darauf angelegt, dass die Einreisenden im Bundesgebiet einen Asylantrag stellen. Eine Aufenthaltsperspektive hatten sie bereits aufgrund des Programms. Gleichwohl wurde der Weg des Asylverfahrens von vielen beschritten.

Niedersachsen hat - wie auch viele andere Länder - bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die Rechtsauffassung vertreten, dass die Verwandtenaufnahme im Rahmen einer Landesaufnahmeanordnung einen anderen Aufenthaltszweck als eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung darstellt und deswegen die Gültigkeitsdauer der Verpflichtungserklärung mit dem Zeitpunkt der Anerkennung endet.

Im Ergebnis wurde diese Auffassung auch von anderen Ländern sowie übrigens auch von Teilen der Rechtsprechung vertreten. So eindeutig, wie es gelegentlich dargestellt wird, war die Rechtslage nämlich keineswegs. Der Bund sorgte leider

erst im August 2016 für Rechtsklarheit, als er mit dem Integrationsgesetz eine gesetzliche Änderung geschaffen hat. Aufgrund der bis zu dieser Regelung bestehenden skizzierten unklaren Rechtslage sind viele Verpflichtungsgeber bei der Abgabe ihrer Erklärung davon ausgegangen, dass ihre Verpflichtung mit der Anerkennung des Betroffenen endet.

(Zurufe von der SPD: Genau so ist es!)

Diese Ansicht teilte das Bundesverwaltungsgericht leider nicht. Das wissen wir nun. Die Angehörigen und Verpflichtungsgeber sehen sich nunmehr mit hohen, zum Teil sogar existenzbedrohend hohen Forderungen zur Erstattung öffentlicher Leistungen konfrontiert.

Nach meinem Eindruck konnten mit den an die Ausländerbehörden ergangenen Hinweisen bestehende Unsicherheiten nicht oder zumindest nicht vollständig ausgeräumt werden. Die entsprechenden Erlasse meines Hauses sind bereits zitiert worden. Ich will sie hier nicht wiederholen, sondern nur deutlich machen: Wir haben alles getan, was möglich war, um unsererseits auf Rechtsunklarheiten aufmerksam zu machen.

Nach meiner Einschätzung hat die bis zur gesetzlichen Neufassung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen geltende unklare Rechtslage - die unklare Rechtslage! - maßgeblich dazu beitragen können, dass sich Verpflichtungsgeber der Reichweite ihrer eingegangenen Verpflichtungen nicht stets bewusst waren. Deswegen ist es mir ein persönliches Anliegen, diese Verpflichtungsgeber eben nicht im Regen stehen zu lassen, und habe deshalb die entsprechende Initiative ergriffen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Anja Piel, das ist mehr als ein lieber Brief an die „liebe Katharina“: Das ist ein Brief an die geschäftsführende Bundesarbeitsministerin mit der klaren Absprache, noch vor Weihnachten über dieses Thema zu sprechen und eine Lösung herbeizuführen.