Protokoll der Sitzung vom 28.02.2019

Vielen Dank. - Herr Minister Lies!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Grupe, nach dieser Entscheidung hat es im Gebiet dieses Rudels einen Riss gegeben: ein Pony. Nur damit wir hier nicht mit Zahlen operieren, die nicht stimmen!

(Hermann Grupe [FDP]: Seit August: 18!)

- Seit der Entscheidung, die wir getroffen haben, hat es einen weiteren Riss gegeben. Man darf nicht alle Zahlen durcheinanderbringen. Man kann damit, glaube ich, ganz sachlich umgehen. Das wird auch der entscheidende Punkt auf dem Weg sein, dass wir Akzeptanz für das Vorgehen schaffen.

Erstens erbringen wir eine präventive Leistung, nämlich die Beratung und die Finanzierung von Herdenschutzmaßnahmen. Dabei kann es sich um Zäune oder um Herdenschutzhunde handeln.

Zweitens, wenn es zu Rissen gekommen ist, geht es um die Rissentschädigung.

Das Dritte, was notwendig ist und was aus meiner Sicht auch für die Akzeptanz dringend notwendig ist, ist, zu wissen, welche Konsequenzen Risse haben, wie wir sie mit der Ausnahmeentscheidung nach § 45 Abs. 7 auf den Weg gebracht haben.

Sie haben einen vierten Punkt beschrieben, eine organisierte Form von Unterstützung und Betreuung der Betroffenen. Sie gibt es über die Wolfsberater, die vor Ort sind.

Ich glaube, Sie sprechen einen ganz entscheidenden Punkt an: Dort, wo Tiere gerissen werden, geht es nicht nur um die monetären Folgen, sondern es geht auch um die Belastungssituation: In welchem Umfeld hat der Riss stattgefunden? Es gibt Bindungen zu den Tieren, z. B. weil sie als Hobby gehalten werden. Da gibt es eine ganze Menge, die über das bisher berücksichtigte Maß hinausgeht.

Deswegen halte ich es für so wichtig, Akzeptanz für den Wolf zu haben, weil es nicht nur um die Frage eines monetären Ersatzes geht, sondern es geht vor allen Dingen um eine selbstverständlich vorhandene psychische Belastung und um eine Situation, die zur Verärgerung der Betroffenen vor Ort führt.

Deswegen sieht unser Vorgehen vor, sehr genau zu prüfen, wann der Handlungsmaßstab und -spielraum gegeben ist. Dann werden die entsprechenden Ausnahmen, die nach dem Bundesnaturschutzgesetz möglich sind, auf den Weg gebracht. Parallel ist dafür zu sorgen, dass wir mit den möglichen Herdenschutzmaßnahmen präventiv so arbeiten können, dass es möglichst - das ist ja unser gemeinsames Ziel - nicht zu Rissen bzw. zumindest nicht zu einer vermehrten Zahl von Rissen kommt.

Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Für Bündnis 90/Die Grünen stellt nun der Kollege Meyer die dritte Zusatzfrage. Bitte sehr!

(Dragos Pancescu [GRÜNE]: Was war die zweite? - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Es wurde nur eine beantwortet!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum hat die Landesregierung - anders als bei der Entnahme von MT6 unter Rot-Grün - nicht die Beratungsstelle des Bundes im Hinblick auf die Verhaltensauffälligkeit des Wolfs beteiligt, sondern das Bundesnaturschutzgesetz ohne Beteiligung des Bundes interpretiert?

Danke schön, Herr Kollege Meyer. - Herr Minister Lies!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Meyer, es ist eine fachliche Entscheidung, ob der Grund für die Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 gegeben ist oder nicht.

Egal, ob man eine Beratung hinzuzieht oder nicht, diese Entscheidung wird immer nur derjenige treffen können, der sie auf den Weg bringt. Das sind wir im Umweltministerium und in der Umsetzung der nachgeordnete Bereich, der NLWKN.

Eine Anfrage beim DBBW, wie sie im Falle des Cuxhavener Rudels ja stattgefunden hat, hat zu einer völligen Fehlentscheidung geführt. Gegenüber dem Cuxhavener Rudel hat man nicht gehandelt. Das Nichthandeln gegenüber dem Cuxhavener Rudels hat nicht dazu geführt, dass sich die Zahl der Risse reduziert hätte. Was noch viel dramatischer ist: Im Raum Cuxhaven hat das dazu geführt, dass nicht der Staat auf der Grundlage einer Ausnahmegenehmigung, die das Land auf den Weg hätte bringen können, und mit der Entnahme des Tieres gehandelt hat. Vielmehr - unabhängig davon, wen ich dafür in die Verantwortung ziehe - ist es am Ende dazu gekommen, dass die Wölfe jetzt nicht mehr da sind. Das ist aus meiner Sicht der falsche Weg!

Ich habe immer gesagt: Der Staat muss handlungsfähig sein. Wir haben eine klare Bewertung vorgenommen, ob eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 gerechtfertigt ist. Ich stehe zu dieser Entscheidung. Ich bin sehr froh, dass das Gericht diese Entscheidung bestätigt hat. Deswegen war es richtig, an dieser Stelle nicht ein Gutachten einzuholen, das in der Vergangenheit aus meiner Sicht in der Bewertung ein falsches Signal geliefert hat. In der Verfolgung des Ziels, das uns eigentlich eint, nämlich zu vermeiden, dass Tiere entnommen werden, die gar nicht zu entnehmen wären, hat das DBBW-Gutachten nicht geholfen. Vielmehr ist es am Ende im Raum Cuxhaven leider gerade dazu gekommen. Deshalb halte ich unsere Entscheidung für absolut richtig.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die erste Frage für die AfD-Fraktion stellt der Kollege Wirtz. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Sie vorhin mit einem knap

pen Ja bestätigt haben, dass die Rechtsgrundlage für eine Ausnahmeverordnung nach § 45 Abs. 7 für Niedersachsen möglich ist und auch Brandenburg und Sachsen bundesländerweise Verordnungen haben: Welchen Sinn sieht die Landesregierung noch in einem Umweg über die Bundesratsinitiative, die Sie auch erwähnt haben?

Danke schön. - Herr Minister, bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wirtz, die Bundesratsinitiative ist kein Umweg.

Es gibt einen Handlungsmaßstab, den wir in dem Fall des Rüden im Rodewalder Rudel angewendet haben: die Ausnahme nach § 45 Abs. 7. Übrigens: Das, was Grundlage der Entscheidung war, wäre nie Teil einer Verordnung gewesen, weil wir noch gar nicht hätten klären können, ob eine Herde mit erwachsenen Rindern einen ausreichenden Schutz darstellt. Das ist glücklicherweise vom Gericht bestätigt worden. Wir lassen unsere Erfahrungen in die Verordnung einfließen. Sie verschafft uns ohnehin keine anderen Möglichkeiten, als sie uns das Recht sowieso schon einräumt. Sie erleichtert nur die Anwendbarkeit angesichts der Häufigkeit der Fälle.

Die Bundesratsinitiative hingegen verfolgt ein ganz anderes Ziel. Sie will nicht nur die Rechtsgrundlage über die Übernahme des kompletten Artikel 16 anpassen, sondern sie will auch dafür sorgen - und das halte ich für ganz wichtig -, dass wir uns nicht nur mit dem Hier und Jetzt beschäftigen, sondern dass wir auch den Blick in die Zukunft richten.

Die Menschen wollen von mir wissen, wie sich die Population entwickeln wird. Sie wollen von mir wissen, wie viele Wölfe in welchen Regionen des Landes es zukünftig sein werden. Aber das kann nicht ich definieren, sondern das kann nur der Bund in seiner Verantwortung. Also erwarte ich eine Antwort auf die Frage, was der Bund unter dem „günstigen Erhaltungszustand“ versteht. Ob der erreicht ist, kann man einmal im Jahr feststellen, indem man durch ein gemeinsames Monitoring die Gesamtpopulation dieses Grauwolfes erfasst. Das kann der Bund direkt machen. Und dann muss er die Frage beantworten, wie wir damit weiter umgehen, wie wir den Bestand regulieren; denn die Population hört ja nicht auf, sich zu entwickeln.

Ein weiterer Teil der Bundesratsinitiative war, unter Hinweis auf das französische Modell zu fragen, ob wir die Population mit der heutigen Geschwindigkeit von 30 % pro Jahr anwachsen lassen oder ob wir hier eine geringere Geschwindigkeit wollen. Es geht ja auch um Maßnahmen zur Verbesserung der Akzeptanz.

Das heißt, die Bundesratsinitiative geht über die Frage der Ausnahme und der dafür notwendigen rechtlichen Grundlagen weit hinaus. Sie zeigt ein Gesamtbild dessen, was in nächster Zeit zu klären ist. Ich erwarte, dass der Bund im Rahmen der nächsten Umweltministerkonferenz erste Antworten darauf gibt, wie der „günstige Erhaltungszustand“ aussieht bzw. bewertet wird und wie wir, wenn er erreicht ist, mit der Population in unserem Land umgehen wollen.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

Danke schön, Herr Minister. - Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Birkner die nächste Frage. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Lies, vor dem Hintergrund, dass Sie davon sprachen, dass es 22 Rudel sind - was in etwa wohl 200 Tiere sein dürften -, dass die Zunahme im Jahr 30 % beträgt, dass die räumliche Ausdehnung zunimmt, dass Sie nach einem Jahr nicht ein einziges Tier besendert haben und dass Sie beim Rodewalder Rüden gewartet haben, bis über 40 Tiere gerissen worden waren, frage ich die Landesregierung, ob sie auf diesem Weg der Einzelfallentscheidungen und des abwartenden Verhaltens weitergehen will oder ob sie nicht zu einem Weg kommen will, der eine Wolfsverordnung ermöglicht, für die sie ja die Rechtsgrundlage sieht.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Minister Lies!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Dr. Birkner, die Wolfsverordnung kann am Ende nur das abbilden, was recht

lich möglich ist. Deswegen ist es erforderlich, das Bundesnaturschutzgesetz entsprechend anzupassen. Mehr als den Spielraum, den uns das Bundesnaturschutzgesetz gibt, kann ich in einer Wolfsverordnung auch nicht regeln.

Hier gab es 47 Risse des Rüden. Bewertbar waren die Rinderrisse und vielleicht die Schafsrisse bei einmal 1,05 m und einmal 1,20 m Zaunhöhe. Dass es so viele Risse waren, hat uns zwar eine schwierige Debatte beschert, stellt aber erst einmal keine Grundlage für eine Ausnahme nach dem Bundesnaturschutzgesetz dar. Gerade mit Blick auf die Schafsrisse kommen wir gar nicht darum herum, dafür zu werben, dass wolfsabweisende Zäune - die wir zu 100 % fördern wollen - errichtet werden.

Wir gehen aber davon aus, dass es noch andere Möglichkeiten gibt. Deswegen habe ich das französische Modell genannt. Diese anderen Möglichkeiten sind im Bundesnaturschutzgesetz aber noch nicht abgebildet und können damit auch nicht Teil einer niedersächsischen Verordnung sein.

Noch einmal: Im Moment können wir nur das, was rechtlich gegeben ist, anpassen, und genau das haben wir auch gemacht. Unterhalb des Bundesnaturschutzgesetzes haben wir keinen Handlungsspielraum. Das könnten wir auch nicht in einer Verordnung abbilden; denn eine solche muss mit dem Bundesnaturschutzgesetz kongruent sein.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das sehen wir anders!)

Danke schön, Herr Minister. - Für Bündnis 90/Die Grünen stellt Herr Kollege Meyer die vierte Frage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass Herr Minister Lies von der illegalen Ausrottung des Cuxhavener Rudels gesprochen hat und trotzdem behauptet - eben auch wieder -, dass es in Niedersachsen 22 Rudel gibt - in Cuxhaven kann aber nur noch maximal ein Elterntier vorhanden sein -, frage ich ihn, ob er an seiner Aussage mit den 22 Rudeln festhält bzw. ob es sich in Cuxhaven um ein Phantomrudel handelt.

(Zustimmung von Dragos Pancescu [GRÜNE])

Danke schön. - Herr Minister Lies hat das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Meyer, die Zahl von 22 Rudeln ist festgestellt - auch durch die enge Partnerschaft mit der Landesjägerschaft.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Ja, da steht auch Cuxhaven!)

- Dort ist wieder ein Wolf dazugekommen, und es lässt sich nicht ausschließen, dass es dort zu weiteren Nachkommen gekommen ist.

Natürlich ist die Zahl, die die Landesjägerschaft für uns ermittelt, genau die Zahl, von der wir ausgehen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass in Cuxhaven Wölfe - ich sage es einmal so - „verschwunden“ sind,

(Christian Meyer [GRÜNE]: Illegal ge- tötet!)

nachdem die Entscheidung, die wir heute getroffen haben, damals nicht getroffen worden ist.