Protokoll der Sitzung vom 28.02.2019

Hierzu will ich ganz bewusst auf das Beispiel Cuxhaven eingehen. In Cuxhaven haben wir gesehen, dass nicht nur die Elterntiere für Risse verantwortlich waren. Die Elterntiere haben es zunächst gemacht, dann hat sich dieses Verhalten auf die Jungtiere übertragen, und die Jungtiere haben auch, nachdem die Elterntiere nicht mehr da waren, Rinder gerissen. Es zeigt sich also, dass wir in der Prognose nicht nur von dem Verhalten des einen Tieres ausgehen können, sondern darüber hinaus in den Blick nehmen müssen, wie - auch an anderer Stelle - die nachfolgenden Tiere Rinderrisse vollziehen werden.

Dies alles hat in der Abwägung dazu geführt, dass wir diese Ausnahmeentscheidung auf den Weg gebracht haben.

Nun komme ich zur Beantwortung der von Ihnen gestellten Fragen.

Zu Frage 1: Es ist veranlasst worden, dass von der Ausnahmegenehmigung Gebrauch gemacht wird. Diese Ausnahmegenehmigung wird bis zum 31. März 2019 verlängert.

Zu Frage 2: Das Land Niedersachsen hat gemeinsam mit den Ländern Brandenburg und Sachsen einen Entschließungsantrag zum Umgang mit dem Wolf in den Bundesrat eingebracht. Dazu habe ich schon mehrfach hier im Haus berichtet. In diesem Antrag sind einige Punkte genannt. Unter anderem geht es darum, dass die Regelungen, die in Artikel 16 der FFH-Richtlinie definiert sind, in Gänze in das Bundesnaturschutzgesetz übernommen werden. Dabei geht es um den Buchstaben e, der es in besonderer Form ermöglicht, Tiere zu entnehmen, und es geht auch um die Definition des „erheblichen“ und des „ernsten“ Schadens, der im Bundesnaturschutzgesetz anders definiert ist, als dies, genau genommen, in der Originalübersetzung der FFH-Richtlinie erfolgen wird.

Weitere Punkte sind enthalten, auf die ich bereits mehrfach eingegangen bin. Hierbei geht es darum, wie sich die Population entwickelt und wer den günstigen Haltungszustand feststellt. Das kann ja nur der Bund machen. Er kann es jährlich machen. Ich glaube, dass wir national in der Verantwortung sind, zu sagen, wie wir damit umgehen, wenn dieser günstige Haltungszustand erreicht ist. Hierauf müssen wir Antworten geben. Aber u. a. ist darin

auch enthalten - das halte ich für sehr wichtig -, dass wir Herdenschutz dort, wo er sinnvoll und möglich ist, unterstützen. Wir haben in der Bundesratsinitiative die Forderung nach einer 100prozentigen Herdenschutzfinanzierung aufgestellt. Das haben wir auch im letzten Jahr, als ich in Brüssel gewesen bin, schon gefordert.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Und nichts ist passiert!)

Ich bin sehr froh, dass das gelungen ist und dass es damit auch möglich ist, Herdenschutzmaßnahmen, die nötig sind, zu 100 % zu fördern. Ich glaube, das schafft noch einmal mehr Akzeptanz sowohl für die Herdenschutzmaßnahmen als auch, was die Frage des Umgangs angeht.

Zu Frage 3 kann ich mit Ja antworten.

Herzlichen Dank, Herr Minister Lies. - Zur ersten Zusatzfrage für die SPD-Fraktion hat sich Herr Kollege Marcus Bosse gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Lies, wie bewertet das Ministerium das Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg in Bezug auf den Wolf, und welche Chancen und auch Möglichkeiten werden in Zukunft dementsprechend geboten?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bosse, das Verwaltungsgericht hat gesagt und das Oberverwaltungsgericht hat bestätigt, dass die Ausnahmetatbestände, die wir angeführt haben, berechtigt sind.

In diesen Ausnahmetatbeständen geht es - deswegen habe ich das eingangs gesagt - vor allen Dingen um das Thema Rinderhaltung. Wir finden vergleichbare Entscheidungen noch nicht. Ich halte aber gerade das Thema der Rinderhaltung neben der Frage der Schaf- und Ziegenhaltung für Niedersachsen für von ganz elementarer Bedeutung, weil wir als Weideregion diese weiter wollen und fördern wollen.

Durch das Urteil ist unsere Auffassung bestätigt worden, die vom Landwirtschaftsministerium logi

scherweise geteilt wird, dass die Herde den Schutz darstellt und dass dies ein ganz wesentliches Element ist. Das eröffnet uns - was ich für ganz wichtig halte - die Möglichkeit, die Zumutbarkeit zu erklären, Kälber, wenn sie nicht wolfsabweisend eingezäunt sind, nicht alleine, sondern im Herdenverband mit erwachsenen Tieren auf der Weide zu lassen.

Das heißt auf der anderen Seite auch, dass sich die Forderung, über die immer wieder diskutiert wurde, quasi alle Weiden in ganz Niedersachsen - gerade was den Nordwesten angeht - müssten eingezäunt werden, nicht bestätigt hat. Das halte ich für ein ganz wichtiges Signal. Das ist durch die Bestätigung durch das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht übrigens auch ein Signal, das wir in dieser Form bisher nicht nur in Deutschland, sondern nach meinem Wissen im restlichen Europa noch nicht hatten.

Deswegen halte ich das für eine Entscheidung, die für uns sehr wichtig ist. Wir definieren, was Herdenschutz ist und was notwendig ist. Wir definieren damit aber auch, was nicht notwendig ist. Das halte ich für den weiteren Umgang und für die Akzeptanz des Wolfes ebenfalls für wichtig.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage für Bündnis 90/Die Grünen stellt der Kollege Meyer. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage ganz konkret - denn Herr Lies ist ja oft ein Meister der Ankündigung -: Wie viele Wölfe sind - Stand: heute - in Niedersachsen besendert? Denn seit rund einem Jahr kündigen Sie an, jedes Rudel in Niedersachsen besendern zu wollen, was Sie sowohl für die Verhaltensauffälligkeitsfeststellung als auch natürlich für eine Entnahme - - -

Herr Kollege, das ist eine sehr lange und sehr umständliche Frage.

Wie ist die Bilanz der Besenderung von Wölfen?

(Stephan Bothe [AfD]: Wie viele Fra- gen waren das? - Weitere Zurufe)

Das waren jetzt zwei Fragen. Ich glaube, da sind wir uns einig. Von daher streiche ich gleich eine weitere Fragemöglichkeit und nehme den nächsten Wortmeldezettel der Grünen weg. Oder wollen Sie ihn anrechnen? Sie können sich das aussuchen. Trotzdem waren das zwei Fragen.

Herr Minister!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Meyer, Besenderungen haben noch nicht stattgefunden. Das habe ich auch schon beim letzten Mal gesagt.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Null?)

- Ja, null. Genau.

Das kann man so zur Kenntnis nehmen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Man kann es auch kritisieren!)

Wir haben uns - ich will das an der Stelle gerne noch einmal sagen - bemüht und gewünscht, damit schon weiter zu sein. Wir haben als Partner die Tierärztliche Hochschule, die das macht, die mit ihren Fallen, die sie einsetzen darf, das Fangen und dann die Besenderung vornimmt. Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass für das Fangen nur die Kastenfalle zugelassen war - ein schwieriges Instrument! Jetzt ist es gelungen, eine tierschutz- und eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung, die man braucht, für ein anderes Verfahren zum Fangen zu erhalten.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das hat ein Jahr gedauert?)

- Herr Meyer, Sie wissen, wie diese Kommission arbeitet und wie oft sie sich trifft. Ich denke, das wird Ihnen aus Ihrer Zeit als Minister noch in Erinnerung geblieben sein, sodass man ein bisschen von der Praxis ausgehen kann.

(Dragos Pancescu [GRÜNE]: Wir ha- ben jetzt eine neue Landesregierung!)

Diese Kommission hat beschlossen, dass jetzt auch Schlingenfallen eingesetzt werden können, die ein deutlich besseres Instrument zur Besenderung sind und was uns zumindest optimistisch stimmt - wir aus dem MU machen das nicht selbst; wir verlassen uns auf die Fachleute, die das machen -, dass die Besenderung erfolgreicher sein

werden, sodass wir in der nächsten Zeit hoffentlich Tiere fangen und besendern können.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Für die FDP stellt der Kollege Grupe die erste Zusatzfrage. Bitte schön!

Herr Minister, welches Vorgehen plant die Landesregierung - Sie haben das angedeutet -, wenn das Töten von wolfssicher gehaltenen Weidetieren durch das Rodewalder Rudel weitergeht, obwohl der Leitrüde entnommen worden ist?

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. - Herr Minister!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Grupe, das wird genauso eine Einzelfallentscheidung sein, wie die aktuelle eine Einzelfallentscheidung ist. Das heißt, wenn es vermehrt zu Rissen kommt - - -

(Hermann Grupe [FDP]: Das dauert dann wieder ein Jahr?)

- Ich habe schon vorhin versucht, das deutlich zu machen: Der Weg, der zu dieser Entscheidung geführt hat, verläuft nicht nach einem Formular, weil es schon in der Vergangenheit so gemacht worden ist, oder nach einem Standard, wie er in anderen europäischen Ländern zur Anwendung kommt, sondern er hat sich gerade mit Blick auf die Rinderhaltung entwickelt; das ist ein ganz entscheidender Punkt. Diesen Punkt setzen wir genauso als Maßstab an, wenn es zu weiteren Rissen kommt - aber nicht präventiv, sondern immer in der Bewertung.

Kommt es zu vermehrten Rinderrissen - egal, ob durch das Rodewalder Rudel oder durch andere Tiere -, wird genauso, wie wir es im aktuellen Fall gemacht haben, geprüft, wann die Schwelle des mehrfachen Eindringens erreicht ist, z. B. zweimal. Wenn das erfolgt ist, würde in gleicher Form eine Ausnahmegenehmigung auf den Weg gebracht. So sieht es das Gesetz vor. Andere rechtliche Möglichkeiten gibt das Bundesnaturschutzgesetz an dieser Stelle nicht her.

Danke schön, Herr Minister. - Herr Kollege Grupe, Sie stellen gleich die nächste Zusatzfrage für die FDP. Bitte!

Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass es seit Ihrer Ankündigung, diesen Rüden zu entnehmen, zu 23 weiteren Übergriffen gekommen ist, man also davon ausgehen muss, dass es weitergeht, wenn dieses Rudel nicht unschädlich gemacht wird, frage ich Sie, welche Möglichkeiten es gibt, die Tierhalter und ihre Familien, denen es nicht nur ums Geld geht, sondern die vor ihren zerstückelten Tieren stehen, zu betreuen und ihnen in dieser schwierigen Situation weiterzuhelfen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Minister Lies!