Protokoll der Sitzung vom 27.03.2019

Eine moderne, leistungsfähige Mobilfunkstruktur ist nicht nur Technik; sie ist ein Konjunkturprogramm, und zwar eines, das für die Gestaltung unserer Zukunft entscheidend ist. Auch das haben wir mehrfach hier im Hause festgestellt.

Bereits im Juni 2017 hat Minister Olaf Lies als Ziel eine flächendeckende Mobilfunkversorgung gefordert. Ich glaube, wir müssen wirklich davon wegkommen, die Erreichung von 98 % der Haushalte als Maßstab zu nehmen, sondern wir müssen weiter die flächendeckende Versorgung fordern und vorantreiben. Die jetzige Landesregierung handelt für mich schlüssig, wenn sie diesen Weg weitergeht. Ich habe 2017 das MW unterstützt, und ich tue das auch heute, wenn es mit unterschiedlichen Maßnahmen auf eine Verbesserung setzt.

Wir haben die Funklöcher definiert. Wir wissen, wo die Masten fehlen. Wir werden diese Lücken schließen, aber nicht irgendwann, sondern - das hat Frau Wulf richtig gesagt - das muss schnell erfolgen. Dafür sind wir da, und das ist unser Auftrag.

Insofern ist es richtig, dass die Bundesnetzagentur mehr Verpflichtungen in den Ausbau gelegt hat. Auch da war es der Vorsitzende des Beirats, Olaf Lies, der mit so vielen Verpflichtungen beinahe Klagen der Mobilfunkunternehmen provozierte. Aber mit einem bloßen „bitte, bitte!“ kommen wir nicht weiter. Diese Verpflichtungen wirken. Vodafone und Telekom stärken ihr Mobilfunknetz mit

über 300 Mobilfunkstationen allein Anfang 2019 zusätzlich. Das ist zu begrüßen, aber auch wirklich notwendig.

Starke Netze, z. B. durch die Verbesserung der Versorgung an Fernstraßen, sind wichtig. Ich persönlich telefoniere gerne, auch mehrmals, während meiner Zug- und Autofahrten. Dass ich aber mehrmals mit derselben Person telefoniere, weil der Empfang nicht ausreichend ist, muss der Vergangenheit angehören. So, wie sich nur die Älteren unter uns an das Einwahlgeräusch des Modems erinnern, so muss ein Verbindungsabbruch ebenfalls in die Schublade der Vergangenheit gehören. Lassen Sie uns also eine unendliche Geschichte beenden und mit einem Maßnahmenmix agieren!

Dabei - auch das gehört zur Wahrheit dazu - wird es immer Gegenden geben, in denen sich ein privatwirtschaftlicher Ausbau nicht lohnt. Dass wir daher 20 Millionen Euro aus dem Landesetat für diese sogenannten weißen Flecken zur Verfügung stehen, ist richtig und wird helfen. Wir können es uns einfach nicht leisten, nicht voranzukommen.

Daher sollten wir uns auch überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, dass wir vom flächendeckenden Ausbau aller Mobilfunkunternehmen abkehren, sondern verstärkt darauf drängen, dass sich unser Handy bei schlechtem Empfang in das Netz eines anderen Betreibers einwählen kann. Der darf dann gerne die Nutzung meinem eigentlichen Anbieter in Rechnung stellen. Wichtig für mich als Endkunde ist doch der Empfang und weniger, wer diesen Empfang gewährleistet.

Setzen wir also nicht mehr auf eine lange Leitung! Steigen wir gemeinsam in die neue Zeit ein - in eine Zeit ohne Funklöcher im Mobilfunk!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Domeier. - Nun folgt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Schulz-Hendel. Bitte, Herr Kollege!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Titel der Aktuellen Stunde hat es schon in sich: Funklöchern den Kampf ansagen. - Ich finde, Hunger und Armut kann man bekämpfen. Funklöcher - nun gut, das weiß ich nicht so genau.

Laut HAZ und NDR vom 20. Dezember 2018 hat unser Ankündigungsminister Althusmann erklärt, alle 100 Funklochregionen bis Ende 2019 bis auf eine Restlücke zu schließen. Da muss man schon fragen, ob dafür 20 Millionen Euro aus dem Sondervermögen ausreichen. Es muss heute von Ihnen, Herr Minister Althusmann, geklärt werden, ob Sie dies den Menschen in Niedersachsen hier und heute verbindlich zusichern können. Ich zumindest bezweifele das sehr stark. So bleibt diese Aktuelle Stunde eher eine Nullnummer und ist keinesfalls eine Feierstunde.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Auch in Ihrer Halbjahresbilanz findet sich dieses konkrete Ziel nicht wieder. Wahrscheinlich haben Sie im Weihnachtstrubel gemerkt, dass Sie einmal wieder über das Ziel hinausgeschossen sind. Ich zitiere:

„Wir haben 99 Bereiche identifiziert, in denen wir keine Mobilfunkabdeckung haben. Gemeinsam mit der Industrie müssen wir diese Lücke schnellstmöglich schließen.“

Sind es denn wirklich nur 100 Bereiche, und sind es wirklich nur 3 700 Funklöcher? Was heißt eigentlich „schnellstmöglich“?

Wie sieht es mit den 5G-Versteigerungen aus? - Dieses Verfahren läuft derzeit in Mainz. Bei der Ausgestaltung der Kriterien wurden erneut, wie auch in den vergangenen Jahren, eklatante Fehler gemacht. Wir haben Sie mehrfach darauf hingewiesen, zum einen in einem offenen Brief an die Minister Althusmann und Lies und zum anderen durch einen Antrag, den die GroKo im Ausschuss einfach ignorant hat versanden lassen. Dabei ging es uns einfach um mehr Engagement dieser Landesregierung gegenüber der Bundesregierung. Doch statt des notwendigen Nachdrucks gegenüber der Bundesregierung wollen Sie jetzt die Probleme und Missstände mit Landesgeld reparieren. Das ist Geld, welches an anderer Stelle fehlen wird; denn jeden Euro können Sie bekanntermaßen nur einmal ausgeben.

Sie haben den notwendigen Konflikt mit der Bundes-GroKo gescheut und geben nun Geld aus dem Sondervermögen für etwas aus, wofür - rechtlich gesehen - der Bund bezahlen muss.

In Ihrer Halbjahresbilanz zum Masterplan finden sich auch sonst nur wohlklingende Aussagen und Zielbeschreibungen, aber keine Erkenntnisse, was Sie wirklich konkret bis heute geschafft haben.

Im September letzten Jahres haben Sie Ihre Mobilfunkpartnerschaft mit Vodafone gefeiert. Obwohl allen klar ist, dass Vodafone ein Wirtschaftsunternehmen ist, auf Gewinnmaximierung aus ist und deshalb kein großes Interesse hat, den ländlichen Raum bis an letzte Milchkanne zu versorgen, setzen Sie auf diese Partnerschaft und feiern diese.

Auf unsere Anfrage hin kam heraus, dass die Versorgung mit Gigabitanschlüssen bis 2025 11 Milliarden Euro kosten wird, während Vodafone eine Investitionssumme von lediglich 180 Millionen Euro zugesagt hat.

So können wir heute ernüchternd feststellen, dass der Masterplan und die Mobilfunkpartnerschaft das eine sind, aber die Lebenswirklichkeit in den ländlichen Räumen immer noch trostlos bleibt. Dazu einige Beispiele aus dem Landkreis Lüneburg:

Ein Mitarbeiter eines holländischen Unternehmens arbeitet im Home Office und wohnt in der Nähe von Lüdersburg. Telefonate mit dem Handy sind für ihn nur in einem sehr günstigen Winkel seines Küchenfensters möglich, wenn überhaupt. Einen Internetzugang hat er nur zu horrenden Preisen per Satellit. Datenübertragungen sind komplett unmöglich.

Nun haben sich er und andere Menschen in der Region bei der Telekom nach einem Mobilfunkausbau erkundigt. Antwort der Telekom: Grundsätzlich machbar, aber die Kosten in Höhe von 10 000 Euro müssen die Interessenten selbst tragen.

Nun wurden auch noch die Telefonanschlüsse gekündigt, weil die Voice-Over-IP-Telefonie - also das Telefonieren über das Internet - eingeführt wird. Das klingt ja so ein bisschen wie Hohn: telefonieren über das Internet, ohne Zugang zum Internet zu haben.

In Barnstedt im Landkreis Lüneburg wurde sogar der Breitbandausbau gestoppt mit der Begründung, es gebe akutere Fälle. Zugesagt wurde aber ein Breitbandausbau zum Ende des Jahres.

Ein Bäckereibetrieb musste sich für viel Geld eine Standleitung legen lassen, und ein Zahnlabor kann bei sich gescannte Zähne nicht auslesen und muss dafür extra in die Stadt fahren. Ein Medizincontroller wollte sich vor Ort selbstständig machen, hat aber nun abgesagt, weil er ohne schnelles Internet nicht arbeiten kann.

Diese Beispiele zeigen doch sehr deutlich: Für Privatpersonen sind die Zustände unerträglich und für Gewerbetreibende eine wirtschaftliche Katastrophe.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP - Glocke der Präsidentin)

- Ich komme zum letzten Satz.

Die Menschen vor Ort brauchen konkrete Maßnahmen und nicht immer nur Ankündigungen, wie sie hier seit anderthalb Jahren von dieser Landesregierung gemacht werden. Handeln Sie jetzt, Herr Minister, und hören Sie auf mit puren Ankündigungen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank. - Nun hat für die Landesregierung Herr Wirtschaftsminister Dr. Althusmann das Wort. Bitte!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema Mobilfunk ist ein für die Wirtschaftspolitik Deutschlands und auch Niedersachsens viel zu ernstes Thema, als dass es sich für parteipolitische Vorwürfe eignet. Denn betrachte ich einmal die Entwicklung des Mobilfunks in den letzten zehn Jahren, dann haben verschiedene Landesregierungen - auch Bundesregierungen - Verantwortung getragen, und bestimmte Entwicklungen sind so rasant - um nicht das Wort „exponentiell“ zu benutzen - vonstattengegangen, dass man mit dem Ausbau des Mobilfunks in Deutschland - das ist keine Entschuldigung - schlicht nicht hinterhergekommen ist. Ich zeige Ihnen einmal eine Kurve:

(Der Redner hält eine Grafik hoch)

Sie zeigt das Datenvolumen im Mobilfunk von 2011 bis 2017. Die Kurve geht von 100 Millionen Gigabyte auf 1 388 Millionen Gigabyte.

Der Ausbau der mobilen Infrastruktur in Deutschland ist diesem benötigten Datenvolumen, das in der Wirtschaft existenziell wichtig ist, nicht hinterhergekommen. Es ist einzuräumen, dass auch der Bund schon mit der ersten Frequenzversteigerung die Weichen für Deutschland nicht so gestellt hat, wie es wünschenswert gewesen wäre, und es ist anzuerkennen, dass es für einen Industriestandort

Deutschland im Jahr 2019 schlicht nicht akzeptabel ist, wie der Mobilfunk derzeit ausgebaut ist.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ich war jetzt mit drei Delegationen in Polen, in China und - diese gemeinsam - in Südkorea und Japan. In allen diesen Ländern - auch gerade in Polen - hatten wir fast durchgängig LTE-4G-Standard. Daran ist erkennbar, dass wir in Deutschland einen erheblichen Ausbaubedarf haben.

Die derzeit auf Bundesebene laufende Frequenzversteigerung - ich habe mir die aktuelle Zahl geben lassen - hat zurzeit allerdings erst 871 Millionen Euro an Versteigerungserlösen erzielt. Die Auktion ist noch nicht abgeschlossen. Dieser Betrag wird also noch weiter steigen. Hoffentlich wird am Ende dieser Auktion das Ziel von bis zu 12 Milliarden Euro erreicht. Ich sehe das aber noch nicht, weil das Ganze natürlich noch mit bestimmten Auflagen und mit Klagerisiken verbunden ist.

Was mich aber in diesem Zusammenhang mit der Versteigerung schon ein wenig nachdenklich macht - die Telekom möge das bitte nicht als Vorwurf verstehen -, ist, dass ich zur Kenntnis nehmen muss, dass die Telekom in Österreich jetzt mit 1 Milliarde Euro in den Ausbau der 5G-Technologie eingestiegen ist, um in den nächsten beiden Jahren gesamt Österreich mit dem 5G-Standard auszubauen.

Auch hier appelliere ich an unsere Mobilfunkbetreiber in Deutschland, sich nicht immer nur über „flächendeckend“ und „haushaltsbezogen“ aufzuregen, sondern hier gemeinsam, wenn wir sagen „Markt vor Staat“, jetzt auch in Deutschland - also nicht nur in Österreich oder den USA - alle Anstrengungen zu unternehmen, damit die Mobilfunkindustrie in Deutschland a) Geld verdienen kann und b) die Bürger dieses Landes besser versorgt werden. Da müssen sich jetzt alle gemeinsam anstrengen.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Umso wichtiger bleibt es, dass wir in Niedersachsen unsere Mobilfunkversorgung zum ersten Mal mit eigenem Landesgeld flächendeckend verbessern wollen, dass wir erstmals konkrete Verabredungen mit den Mobilfunkbetreibern Vodafone, Telekom und Telefónica geschlossen haben - einen Gigapakt - und dass erstmals diese Landesregierung dieses eigene Landesgeld zur Verfügung stellen wird, um bedarfsgerecht und flächende

ckend die LTE-Versorgung bis Ende 2021 in Niedersachsen zu sichern.

Für den Wirtschaftsstandort Niedersachsen ist eine optimale Mobilfunkversorgung entscheidende Voraussetzung für wirtschaftlichen Wohlstand, für den wirtschaftlichen Erfolg unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen, aber ebenso der Industrie.

Nur einmal eine Zahl: Wir hatten im Jahr 2017 135 Millionen SIM-Karten. Das heißt dem Grunde nach: je Einwohner zwei Handys. Das muss aber nicht zwingend so sein, wenn man es entsprechend zählt. Aber das Datenvolumen liegt, wie gesagt, bei rund 1,4 Milliarden Gigabyte. Das ist erheblich. Daran wird erkennbar, dass die Mobilfunkversorgung für die Steuerungsfähigkeit unserer mittelständischen Betriebe immer mehr Bedeutung hat.

(Beifall bei der CDU)