Protokoll der Sitzung vom 27.03.2019

(Beifall bei der CDU)

Wir haben erstmalig in Niedersachsen einen Überblick - erstmalig! -, wo wir Cluster haben, wo wir gar keine Mobilfunkversorgung haben. Wir haben 99 Cluster mit 2G-Versorgung und 136 Cluster mit 4G-Versorgung identifiziert. Wir werden jetzt den Landkreisen 20 Millionen Euro dafür zur Verfügung stellen, um diese Funklöcher Schritt für Schritt - das gilt insbesondere für 4G - bis Ende 2021 tatsächlich zu schließen.

Die Kollegin Wulf hat bereits erklärt, dass 120 Mobilfunkstationen im vierten Quartal 2018 mit LTE aufgerüstet wurden. Bis 2019 werden 1 000 kommen. Vodafone hat im ersten Quartal 2019 bereits 234 Mobilfunkstationen und die Telekom 54 Mobilfunkstationen zusätzlich aufgestellt.

Wir werden darüber hinaus das sogenannte BOS-System, die landeseigene Sicherheitsinfrastruktur, dazu nutzen, um unsere Mobilfunkkapazitäten bei Wahrung der Sicherheitsinteressen entsprechend auszubauen, und wir werden - das sage ich zum Schluss - erstmalig in Niedersachsen - auch das wird ein Highlight sein; bitte besuchen Sie diese Messe; alle Abgeordneten sind gebeten und aufgefordert, die Hannover-Messe International zu besuchen - nächste Woche eine 5G-Anwendermesse im Rahmen der Hannover-Messe International haben. Mit einem Mobilfunkbetreiber werden wir in Niedersachsen demonstrieren, was es bedeutet, die 5G-Technologie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten - „Jahrzehnte“ ist vielleicht etwas übertrieben - anwenden zu können.

Wir werden darüber hinaus in Niedersachsen fünf Modellprojekte, für die sich mehrere Bewerber interessieren, auf den Weg bringen, in denen 5G als Piloten auf den Weg gebracht werden sollen.

Das Thema Infrastrukturausbau ist entscheidend. Ich kann nur dazu raten, das mit entsprechender Ruhe anzugehen, wobei ich bitte, „Ruhe“ nicht mit „Untätigkeit“ zu verwechseln. Aber wir werden alles tun, damit wir in den nächsten zwei Jahren eine gute Bilanz vorweisen können. Es geht nicht von heute auf morgen. Wir brauchen die Mobilfunkbetreiber. Wir brauchen die Kommunen. Wir müssen die entsprechenden Richtlinien auf den Weg bringen. Wir müssen die Förderprogramme auf den Weg bringen. Wir müssen die Beihilfefähigkeit solcher Maßnahmen durch die Europäische Union zertifizieren lassen.

Das ist nicht mal eben so gemacht. Aber Niedersachsen ist jetzt erstmalig auf einem richtig guten Weg. Ich gehe davon aus, dass sich die Mobilfunkversorgung in unserem Bundesland in den nächsten Jahren deutlich verbessern wird. Das ist letztendlich das Entscheidende. Deshalb ist die Landesregierung hier auf einem sehr guten Weg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Althusmann. Es wäre freundlich, wenn Sie die Grafik, die Sie hier gezeigt haben, auch den Fraktionen zur Verfügung stellen würden, weil wir sie so nicht im Protokoll abbilden können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wir fahren in der Aussprache fort. Für die FDPFraktion hat noch einmal Herr Kollege Bode um das Wort gebeten. Sie haben noch eine Restredezeit von 2:11 Minuten. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Althusmann, die von der CDU in dieser Aktuellen Stunde groß angekündigten Fortschritte beim Mobilfunkausbau beziehen sich auch nach Ihren Ausführungen über Ihr eigenes Handeln auf das Auswerten, wo Funklöcher sind, und das Clustern von Funklöchern. In über einem Jahr Regierungszeit der GroKo hier in Hannover ist also im Bereich Mobilfunk nicht mehr

passiert als zu clustern. Das ist aus unserer Sicht zu wenig.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben Sie, als Sie Ihren Masterplan Digitalisierung hier vorgelegt haben, ja durchaus gelobt. Wir haben Sie für eine richtige und - wie wir damals gesagt haben - ambitionierte Zielsetzung gelobt, den LTE-4G-Mobilfunkstandard flächendeckend in ganz Niedersachsen bis zum Jahr 2021 auszubauen.

Sie haben jetzt in Ihrem Wortbeitrag die Katze aus dem Sack gelassen, nämlich dass Sie dieses Ziel nicht erreichen werden. Sie haben es mal eben so schlank um ein ganzes Jahr verschoben. Dem einen oder anderen ist es vielleicht nicht aufgefallen, aber bis eben galt noch der 1. Januar 2021, nämlich „bis 2021“. Das macht auch Sinn. Ausweislich Ihrer Antwort auf unsere Anfrage in der Drucksache 18/1683 haben Sie auch Ihre Förderprogramme für den Mobilfunkausbau bis zum 31. Dezember 2020 befristen wollen. Gerade haben Sie gesagt, 4G werden Sie „bis Ende 2021“ als Standard erreichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie gerade mal eben so Ihre Zielsetzung salopp um ein Jahr verlängern, hätte ich schon erwartet, dass Sie das deutlicher sagen und nicht versuchen, hier klammheimlich durchs Loch zu kommen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Und warum eigentlich so unambitioniert? Warum wollen Sie BOS, den Sicherheitsfunk, nur für die Behörden ausbauen? Warum wollen Sie ihn nicht, wie es auch die Bayern machen, freigeben, damit auch Mobilfunkanbieter auf der vorhandenen Infrastruktur aufbauen können, die der Steuerzahler schon mal bezahlt hat, damit man noch schneller herauskommen kann? Warum gehen Sie dann nicht auch andere, alternative Wege? Warum überlegen Sie nicht auch, wie Sie Glasfaser in die Fläche bekommen, damit dort dann die Mobilfunkanlagen draufgesteckt werden können? Warum nutzen Sie nicht das Landesglasfasernetz, das es dafür tatsächlich gibt?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man möchte, kann man sehr viel mehr tun, als hier nur auf den Bund zu zeigen!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Bode. - Nun erhält nach § 71 Abs. 3 Herr Kollege Schulz-Hendel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Sie haben zwei Minuten.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Althusmann, das, was Sie hier zu den Mobilfunkunternehmen beschrieben haben - Markt vor Staat -, ist der beste Beleg dafür, dass wir es hier mit einem klassischen Marktversagen zu tun haben.

Das, was Sie weiter gesagt haben, ist für mich jetzt keine neue Erkenntnis; denn der Masterplan Digitalisierung liegt ja schon einige Zeit vor. Wir haben heute wieder nur eine Beschreibung des trostlosen Zustands der Mobilfunksituation in Niedersachsen bekommen.

(Jörg Hillmer [CDU]: Aus der rot-grünen Zeit!)

Wenn man Ziele ankündigt und sagt „Wir wollen uns jetzt flotter auf den Weg machen“ und heute das Eingeständnis offenbart „Wir schaffen das nicht, wir sind mit der Aufgabe der Digitalisierung überfordert und können die Ziele aufgrund eines Versagens dieser Bundesregierung“ - denn nichts anderes ist das ja - „nicht erreichen“, dann ist das quasi eine Entschuldigung auf Vorrat oder eben die Erkenntnis, die Sie den Menschen heute mit dieser Botschaft geben: Wir werden das alles nicht so erreichen, wie wir Ihnen das mit dem Masterplan Digitalisierung versprochen haben. - Ich finde, das ist ein Riesenproblem.

Wenn Sie sagen, Vodafone hat jetzt schon 234 Mobilfunkstationen auf den Weg gebracht, dann frage ich mich: Wo? - Ich glaube, die sind allesamt nicht in den ländlichen Regionen, wo sie hingehören.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Weitere Wortmeldungen zur Aktuellen Stunde der CDU liegen nicht vor. Damit ist der erste Teil der Aktuellen Stunde beendet.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 3: Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit Behinderungen im Niedersächsischen Landeswahlgesetz (NLWG) und im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/29 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 18/3271 - Schriftlicher Bericht - Drs. 18/3342

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf mit Änderungen anzunehmen.

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPDFraktion Herrn Kollegen Lynack das Wort.

(Anja Piel [GRÜNE]: Bitte?)

- Herr Kollege Lynack, das ist ein grüner Gesetzentwurf. Ich denke, wir verfahren hier der Üblichkeit entsprechend so, dass wir zunächst der Fraktionsvorsitzenden, Frau Kollegin Piel, das Wort erteilen.

Bitte, Frau Kollegin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe heute die große Freude, 10 000 Erstwählerinnen und Erstwählern in Niedersachsen Glückwünsche zu übermitteln - 10 000 Menschen, die bisher das nicht tun konnten, was für uns alle hier im Raum selbstverständlich ist, nämlich Menschen in Parlamente zu wählen, die unsere Interessen, die ihre Interessen vertreten, 10 000 Menschen, denen man jahrelang nicht zugetraut hat, eine eigene Wahlentscheidung zu treffen. Ab heute gilt ein Wahlrecht für alle in Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD und bei der CDU)

Zehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention wurde das aber auch Zeit. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich für Deutschland klargestellt, was in anderen Ländern längst gelebt wird.

(Vizepräsident Bernd Busemann über- nimmt den Vorsitz)

Die grundlegenden Rechte von Bürgerinnen und Bürgern dürfen nicht davon abhängen, was sie können oder eben nicht können. Diese Rechte gelten für alle. Trotzdem wird es hier im Landtag wahrscheinlich einige wenige geben, die dieser Wahlrechtsänderung nicht zustimmen werden. Aber ein inklusives Wahlrecht ist gut für die Demokratie und keine Gefahr. Wenn Sie hier heute ein Gesetz ablehnen sollten, für das wir einen ganz eindeutigen Auftrag vom Bundesverfassungsgericht bekommen haben, dann wäre das ein weiterer Beleg dafür, dass die Idee der Demokratie nicht begriffen wird.

Meine Damen und Herren, bei aller Freude über die heutige Entscheidung, die wir fällen werden, kann ich auch nicht umhin, den Blick nach vorne zu richten. Da sehe ich noch einen langen Weg vor uns, vor allen Dingen einen langen Weg für die Betroffenen.

Erstens. Wir machen heute den Weg dafür frei, dass Menschen mit Behinderungen das aktive und das passive Wahlrecht bekommen. Wir als Parteien und auch als Fraktionen dieses Landtages müssen aber auch etwas dafür tun, damit diese Menschen es jetzt in Anspruch nehmen können. Das heißt, es ist unsere Aufgabe, besser und klarer zu erklären, sodass es alle verstehen können. Es ist unsere Aufgabe, Veranstaltungen so zu planen, dass alle daran teilnehmen können. Es ist unsere Aufgabe, Funktionen und Ämter so zu gestalten, dass alle sie übernehmen können. Da sehe ich in der Tat noch eine Menge Arbeit vor uns.

Zweitens. Dort, wo im Mai neue Hauptverwaltungsbeamte gewählt werden, also Bürgermeister oder Landräte, dürfen einige der betroffenen Menschen nun bereits mitwählen. Das ist auch gut so. An der gleichzeitig stattfindenden Europawahl im Mai dürfen sie aber nicht teilnehmen. Das ist eine ziemlich absurde Situation.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von der CDU, mit Ihrer Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf werden Sie zeigen, dass Sie für die gute Sache auch mal mit der Opposition stimmen können - anders als Ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin. Die haben die Entscheidung, dass alle wählen können, so lange vertagt, bis es für die Europawahl zu spät war.

Drittens. Die HAZ hat den Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Jürgen Dusel, gestern gefragt, welche Note er Deutschland für die Umsetzung der UN-Konvention geben würde. Seine

Antwort war: Eine Drei bis Vier. - Das ist, finde ich, ziemlich schlecht für ein Land, in dem die meisten Entscheiderinnen und Entscheider dieser Konvention zugestimmt haben und sich auch daran gebunden fühlen sollten.

Die Diskussion um die Wahlrechtsausschlüsse zeigt ganz deutlich, dass die Barrieren in den Köpfen einiger noch schwieriger zu überwinden sind als so mancher Bordstein mit dem Rollstuhl. Das erleben wir auch in Niedersachsen, wo sich die Landesregierung monatelang nicht darauf einigen kann, wie sie das Bundesteilhabegesetz genau umsetzen wird. Auch zum Behindertengleichstellungsgesetz wird offenbar ein Gesetz geplant, in dem Bedenken die Hauptinhalte sind und in dem nicht die Vision entsteht, dass Inklusion wirklich etwas Gutes für alle Menschen ist.