Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Zusammengefasst: Ich bin dankbar, dass die Große Koalition dieses Thema aufgegriffen hat - obwohl es nicht Bestandteil des Koalitionsvertrages ist, aber weil es eine solche Bedeutung hat - und sagt: Wir werden das Kommunalabgabengesetz ändern und die Interessen der Anlieger an dieser Stelle besser vertreten. Dazu gehören dann auch die Punkte, die in der Diskussion immer wieder auf die Agenda gebracht worden sind. Und diese Diskussion ist ja breit geführt worden. Wir als CDU Niedersachsen haben eine große Konferenz gemacht, in der wir die verschiedenen Lager haben zu Wort kommen lassen und in der wir die verschiedenen Positionen gegeneinander abgewogen haben. Und hier im Niedersächsischen Landtag gab es die große Anhörung im ehemaligen Plenarsaal mit einer riesigen Beteiligung.

Insbesondere bei unserer CDU-Konferenz war ein wichtiger Punkt - wir hatten dort einen Juristen, der auch die anderen Bundesländer berät -, dass uns aufgezeigt wurde, dass Niedersachsen noch Luft nach oben hat, im Kommunalabgabengesetz bürgerfreundlichere Lösungen zu treffen. Deswegen finden sich jetzt Punkte wie die langfristige Verrentung oder ein nicht horrender Zinssatz in dem Vorschlag der regierungstragenden Fraktionen wieder. Das geht auf die Argumentation zurück, dass der Basiszinssatz derzeit schon bei 3,6 % liegt und dementsprechend gar keine Verbesserung für die Bürgerinnen und Bürger eintreten würde. Aber ich habe eben noch einmal nachgeschaut: Der Basiszinssatz liegt derzeit negativ bei 0,88 %. Die Situation ist also eine völlig andere.

Wir gehen mit den Vorschlägen, die jetzt gemacht worden sind, endlich Schritte in die Richtung, die Interessen der Anlieger besser zu berücksichtigen. Das ist unser Ziel. Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir werden bei dieser Debatte auch zukünftig in engem Dialog mit allen Anliegern und mit allen Betroffenen bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Seefried. - Nun hat für die Landesregierung Herr Innenminister Pistorius das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der Straßenausbaubeiträge beschäftigt uns heute nicht zum ersten Mal. Das ist auch richtig und grundsätzlich in Ordnung, weil diese Frage viele Menschen in Niedersachsen bewegt. Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen kann eben für die Bürgerinnen und Bürger zu großen finanziellen Belastungen führen. Damit sollten und können wir die Menschen nicht alleinlassen, und das werden wir auch in Zukunft nicht tun, meine Damen und Herren.

Eine ersatzlose Abschaffung der Straßenausbaubeiträge halte ich aber für den falschen Weg. Das habe ich mehrfach betont. Mit der Abschaffung des § 6 NKAG würde nämlich gleichzeitig - und das darf man nicht vernachlässigen - der verfassungsrechtliche Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung beschädigt werden und damit jegliche Möglichkeit der Kommunen, ihre Aufgaben im Straßenausbau zu finanzieren.

Wer die ersatzlose Abschaffung fordert, weiß, dass in einem solchen Fall das Konnexitätsprinzip gilt. Dies wiederum würde eine massive finanzielle Mehrbelastung für das Land bedeuten. Die dabei anfallenden Kosten müssten entsprechend kompensiert werden. Und das - so kann man es sich leicht ausmalen - ginge zulasten anderer Aufgaben.

Ganz ehrlich, meine Damen und Herren: Der Ansatz von 50 Millionen Euro entbehrt jeder seriösen Grundlage. Das ist eine mehr oder weniger willkürliche Annahme; das zeigen die ersten Erkenntnisse aus Bayern sehr deutlich. Am Ende muss man sagen: Die Einstellung von 50 Millionen Euro als Ersatz für die Abschaffung des § 6 NKAG ist gewissermaßen ein Blankoscheck zulasten anderer.

Klar ist aber auch: Wir sollten und müssen die Stellschrauben, die es gibt, nutzen, um die Situation für die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern.

Das Straßenausbaubeitragsrecht ist für die niedersächsischen Kommunen bereits in der vergangenen Wahlperiode flexibilisiert worden. Zusätzlich verpflichtet das bestehende Beitragsrecht nur diejenigen dazu, Beiträge zu zahlen, die auch einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil von der Ausbaumaßnahme haben. Das Bundesverfassungsgericht weist in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass die Grundstücks- und Wohnungseigentümer von einem Ausbau der Straßen profi

tieren. Das leuchtet ein. Die Beiträge zu den Straßenausbaukosten berücksichtigen dabei die wirtschaftlichen Vorteile, die die Grundstücke aus der Verkehrsanlage ziehen. Gleichzeitig wird aber auch der Benutzung durch die Allgemeinheit Rechnung getragen - durch einen Gemeindeanteil, den die Kommunen zu tragen haben.

Entscheidend ist, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern auch in der Frage der Straßenausbaubeiträge zur Seite stehen und nicht untätig bleiben. Wenn einige Grundstückseigentümerinnen und eigentümer finanziell überfordert sind, dann dürfen wir das nicht ignorieren. Ich halte es daher für angezeigt, Veränderungen in das NKAG aufzunehmen, die einerseits den Sorgen aus der Bevölkerung Rechnung tragen, aber andererseits auch das kommunale Selbstverwaltungsrecht, die kommunale Selbstverwaltungsgarantie unangetastet lassen. Deshalb befürworten wir es als Landesregierung ausdrücklich, die Belastungen von Bürgerinnen und Bürgern im NKAG durch Straßenausbaubeiträge abmildern zu können, und zwar durch die Kommunen.

Die Fraktionen von CDU und SPD haben daher einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des NKAG eingebracht. Dieser Änderungsvorschlag zur Neufassung der Straßenausbaubeiträge sieht eine Reihe von flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten für die Kommunen vor, ohne dass in deren Selbstverwaltungsrecht eingegriffen wird. Ziel ist es, die Möglichkeiten zu schaffen, die es braucht, um Grundstückseigentümer finanziell dort zu entlasten, wo dies möglich und angezeigt ist.

Künftig soll es z. B. möglich sein, die entsprechenden Beiträge in Raten über einen Zeitraum von 20 Jahren abzuzahlen bei einer flexiblen Verzinsung der Beitragsschuld von bis zu 3 % über dem Basiszinssatz.

Wichtig ist auch: Mit einer sogenannten Tiefenbegrenzung sowie durch Eckgrundstückvergünstigungen wird dafür Sorge getragen, dass große Grundstücke nicht überproportional belastet werden, soweit das nicht schon geschieht.

Die Kommunen sollen darüber hinaus in die Lage versetzt werden, den beitragsfähigen Aufwand nach ihrem Ermessen insgesamt geringer ansetzen zu können. So ergibt sich eine weitere neue Steuerungsmöglichkeit der Kommunen, um gegebenenfalls die Belastungen der Beitragspflichtigen abfedern zu können.

Hinzu kommt schließlich, dass Zuschüsse Dritter den beitragsfähigen Aufwand verringern können.

Insgesamt soll das Verfahren für die Beitragspflichtigen transparenter gestaltet werden. Auch das ist wichtig, wenn man Akzeptanz erhöhen will. So sollen diese frühzeitig über die Vorhaben informiert werden und mindestens drei Monate vor Beginn der Maßnahme die voraussichtliche Beitragshöhe mitgeteilt bekommen. Zudem sollen überhaupt nur dann Straßenausbaubeiträge für Erneuerungen erhoben werden können, wenn die Kommune ihrer Unterhaltungspflicht während der letzten 25 Jahre nachgekommen ist.

Meine Damen und Herren, mit den derzeit bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen und den beschriebenen Erleichterungen für die Beitragspflichtigen wird es gelingen, einen gerechten Ausgleich zu schaffen. Die Bedürfnisse der Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer werden genauso berücksichtigt wie die Möglichkeit der Kommunen, ihre Aufgaben finanzieren zu können. Das ist ein fairer Interessenausgleich, der allen Beteiligten gerecht wird, meine Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Aktuelle Stunde der FDP jetzt schließen kann.

Ich eröffne die Besprechung zu dem Antrag

b) Artensterben so dramatisch wie der Klimawandel: Wildbienen retten - Agrarwende jetzt! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 18/3716

Das Wort hat die Fraktionsvorsitzende, Frau Piel. Bitte, Frau Kollegin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Genau jetzt, während ich diese Rede halte, stirbt irgendwo auf diesem Planeten eine Tierart. Das sagt der Bericht der Vereinten Nationen zum Artensterben. 1 Million Arten weltweit sind vom Aussterben bedroht. Weltweit - das heißt: nicht nur da

draußen irgendwo im Regenwald, sondern auch hier bei uns in Niedersachsen.

Der UN-Bericht dazu ist vieles. Erschreckend ist er aber nicht. Denn zum Schreck gehört Überraschung. Aber wir wissen schon lange, dass die Artenvielfalt rapide abnimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wissen auch schon lange, dass es immer weniger Insekten gibt. Und wir kennen auch die Ursachen - gerade wir in Niedersachsen -: Flächenverbrauch, der Einsatz von Pestiziden, Überfischung, Jagd und natürlich auch der Klimawandel.

All das ist lange bekannt. Aber Bundesumweltministerin Svenja Schulze nennt den Bericht einen „Weckruf“. Mal im Ernst: Wie lange schläft denn diese Bundesregierung schon?

Und wie steht es um den Schlaf der Landesregierung? Von Frau Otte-Kinast z. B. kein Wort zu dem UN-Bericht! Ich habe gehört, dass sie auch heute nicht zu diesem Punkt sprechen wird. Das enttäuscht mich ein bisschen, aber es überrascht mich nicht wirklich.

Für Olaf Lies, der nachher die Güte hat, zu diesem Punkt zu sprechen, war zumindest der Dürresommer im letzten Jahr ein Weckruf.

Während also Klimawandel und Artensterben das Leben auf diesem Planeten für viele Tierarten immer schwerer machen, halten die GroKos in Berlin und Hannover ein gepflegtes Nickerchen. Und wann dann der Wecker einmal klingelt, immer dasselbe Ritual: Bei Klimawandel und Artensterben schrecken alle einmal kurz auf und sind sich einig: Das ist ein Weckruf! Es muss etwas passieren! - Und genau verlässlich passiert dann wieder nichts.

Aber mal ehrlich: Wie oft hat der Wecker schon geklingelt? Und wie oft haben Sie, Frau OtteKinast, wie oft haben Sie, Herr Lies, die Schlummertaste eigentlich schon gedrückt? - Stehen Sie endlich auf!

Wenn wir die Wissenschaft ernst nehmen, dann sind Klimawandel und Artensterben unsere zwei wichtigsten Probleme. Wenn wir die nämlich nicht in den Griff kriegen, dann brauchen wir uns irgendwann auch nicht mehr um Wirtschaftsförderung, Sozialpolitik oder Schulpolitik zu sorgen.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen ist das größte Agrarland Deutschlands. Hier werden Getreide, Obst und Fleisch für den Weltmarkt produziert. Daran hängt die Existenz vieler Landwirte mit

ihren Familien. Wenn das Insektensterben hier aber so weitergeht, drohen uns wieder Ernteausfälle in Milliardenhöhe. Am Ende des Tages sind die Landwirte mit ihren Familien die Verlierer der Arbeitsverweigerung der GroKos in Berlin und in Hannover.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Lies, Frau Otte-Kinast, ein paar Naturschutzgebiete alleine werden nicht helfen. Die sind sicherlich auch wichtig, aber werden nicht reichen. Wildbienen kann man nicht in Reservaten retten. Die fliegen. Die brauchen eine Lebensgrundlage, und zwar dort, wo Pflanzen bestäubt werden - also überall.

Frau Otte-Kinast, wann sorgen Sie endlich dafür, dass die Landwirtschaft sich wieder an Ressourcen orientiert? Wann stoppen Sie die Überdüngung der Böden? Wann kümmern Sie sich um sauberes Grundwasser? Wann investieren Sie in Wasser und Naturschutz, und sei es nur, um Strafzahlungen an die EU wegen der hohen Nitratwerte zu verhindern?

Wann und wie fördern Sie endlich angemessen den Ökolandbau? Unter Landwirtschaftsminister Meyer hat er fast um ein Drittel zugenommen. Wo ist Ihre Bilanz für den Ausbau? - Eine andere, verträglichere Landwirtschaft ist möglich, und sie ist auch wirtschaftlich.

Herr Lies, wann sorgen Sie dafür - dass betrifft mich als Hamelnerin und viele andere ganz persönlich -, dass die Niedersächsische Bauordnung eingehalten wird? Schottergärten sind kein Lebensraum für Insekten. Das sind tote Gärten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben es hier gemeinsam in der Hand. Tun Sie doch das, was Sie tun müssen, bevor Sie - wie in Bayern - ein Volksbegehren zum Schutz der Bienen bekommen!

Und geben Sie in der Großen Koalition sich einen Ruck! Schützen Sie endlich Grünland und Weidewirtschaft! Weiten Sie die Gewässerrandstreifen auf die erforderlichen 5 m aus. Dass Sie das mit uns nicht machen wollten, das haben wir ja gemerkt.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Aber als Große Koalition könnten Sie doch die Kraft entwickeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)