Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

Aus unserem Entschließungsantrag „Hilfe für wohnungslose Menschen“ entstehen gerade zwei Ar

beitsprojekte im Modellversuch. Sie sind kurz vor dem Start und eröffnen hoffnungsvolle Perspektiven für obdachlose Menschen.

Mit dem Landesprogramm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit aus der vergangenen Legislaturperiode und den Impulsen, die Bundesarbeitsminister Heil mit seinem Programm eingeleitet hat, leisten wir einen starken Beitrag dazu, dass Menschen, die schon lange ohne Job sind, nachhaltige Unterstützung bekommen, um wieder ins Arbeitsleben einsteigen zu können mit dem Ziel, dort zu bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Stichwort Mindestlohn: Arbeit muss gut sein und vor allem gut bezahlt werden, damit am Ende auch anständige Renten stehen, die im Alter ein Leben in Würde ermöglichen. Auch da bin ich Bundesminister Heil sehr dankbar für seinen Impuls und für seine Vorlage zur bedingungslosen Grundrente, die wir nicht ohne Grund als „Respektrente“ bezeichnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, wo ist denn Ihr Programm zur Rente? - Wie immer Fehlanzeige.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU und bei den GRÜ- NEN - Zuruf von der SPD: So ist es!)

Hier im Land fördern wir die Landesarmutskonferenz, auf der sich Vertreterinnen und Vertreter der Wohlfahrtspflege, des DGB und der Verbände und Initiativen vernetzen mit dem Ziel, konzentriert gegen Armut und Arbeitslosigkeit aktiv zu werden.

Meine Damen und Herren, die AfD ist keine soziale Partei. Wenn Sie von der Absenkung der Staatsquote sprechen, dann beschreiben und fordern Sie einen Magerstaat. Ihr Magerstaat fußt darauf, die notwendigen Ausgaben für Investitionen, öffentlichen Dienst und Soziales zu sparen. Nur wer viel Geld hat kann sich diesen schwachen Staat leisten. Ihre Politik richtet sich gegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und überdurchschnittlich gegen Menschen mit kleinen Einkommen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Julia Willie Hamburg [GRÜNE])

Das einzig Gute ist, dass die Menschen, die in Armut leben und von Armut bedroht sind, nicht auf Sie angewiesen sind. Wir von der SPD - das verspreche ich Ihnen - werden alles in unserer Macht Stehende daransetzen,

(Dana Guth [AfD] lacht)

dass es auch so bleibt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Lottke. - Jetzt hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Fraktionsvorsitzende, Frau Piel, das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn mir das Thema nicht so ernst wäre, könnte ich es jetzt sehr kurz machen. Sie beantragen eine Aktuelle Stunde zu wichtigen sozialen Fragen, und dann ziehen sie blank. Das, was Sie hier von sich gegeben haben, ist nichts weiter als eine zusammengestoppelte Mischung aus Problembeschreibungen; nicht im Ansatz irgendeine politische Idee, wie Sie das alles lösen wollen. Die bleiben Sie schuldig. Nichts zur Rente, nichts zur Grundsicherung; kein Mittel gegen Kinderarmut. Eine Kampagne mit Großflächenplakaten ersetzt keine Konzepte.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wer ist in Niedersachsen von Armut betroffen? - Erstens Kinder. Jedes siebte Kind in Niedersachsen lebt von Hartz IV. Aber es geht nicht allein um das fehlende Geld. Kinder aus armen Familien werden vielfach ausgegrenzt. Sie haben schlechtere Chancen in der Schule. Wer mit wenig Geld aufwächst, hat auch wenig Chancen für einen sozialen Aufstieg. Es ist gut und richtig, dass sich diese Ministerin und auch diese Landesregierung auf Bundesebene für eine Kindergrundsicherung einsetzen. Das tun auch wir. Das ist Teil unseres umfassenden Konzeptes gegen Kinderarmut, das Annalena Baerbock gerade vorgelegt hat.

Auch in Niedersachsen gibt es genug zu tun. Eine Kindersozialberichterstattung würde uns mehr darüber sagen, wie die Situation in Niedersachsen ist und wie sie sich entwickelt. Wir brauchen auch mehr konkrete Hilfe. In meiner Heimatstadt, in Lübeck, gibt es so etwas. Da gibt es einen klugen Bildungsfonds, aus dem Kinder aus armen Familien Dinge wie Mittagessen, Klassenfahrten, Nachmittagsbetreuung, Musikangebote oder Arbeitsmaterialien bekommen können - unkompliziert und

unbürokratisch. Das wäre etwas, wofür wir auch in Niedersachsen kämpfen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Menschen, die in Armut leben, bleiben oft unsichtbar, oft aber auch nicht. Auf der Straße begegnen uns Menschen ohne Bleibe. Wohnungslosigkeit ist in einer Stadt wie Hannover ein echtes Problem.

Damit kein Missverständnis aufkommt: kein Problem für irgendjemanden, für die Betroffenen ist es ein großes Problem.

Die beste Hilfe dagegen ist Vorsorge. Wenn eine oder einer erst ihre oder seine Wohnung verloren hat, ist es oft zu spät. Dann ist sie, ist er wirklich abgehängt. Unsere Hilfe muss vorher greifen. In Nordrhein-Westfalen gibt es flächendeckend Beratungsstellen, um dem Verlust der Wohnung vorzubeugen. Da gibt es auch Projekte der Wiedereingliederung ins selbstständige Wohnen. Das wollen wir für Niedersachsen auch. Dafür kämpfen wir.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt auch andere richtig gute Projekte wie z. B. „Housing First“. Denn erst der, der ein Dach über dem Kopf hat, kann auch seine anderen Probleme in den Griff bekommen. So platt, wie das klingt, meine Damen und Herren, gegen Wohnungslosigkeit helfen natürlich vor allen Dingen mehr bezahlbare Wohnungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es muss also gebaut werden - nicht nur für Einkommensstarke. Das Land muss eigene preiswerte Wohnungen bauen. Der DGB fordert eine Landeswohnungsbaugesellschaft. Wir sind dabei. Die fordern auch wir.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - La- chen bei der AfD)

Meine Damen und Herren, bevor wir aber noch über Mindestlöhne und Armut reden, möchte ich auf ein Problem hinweisen, das wir immer wieder hören und dem wir immer wieder begegnen. Wir dürfen nämlich eine Gruppe nicht vergessen: die Wanderarbeiter in der Landwirtschaft, in der Schlachtindustrie und in der Fleischverarbeitung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Haben Sie sich vielleicht einmal die Mühe gemacht, mit den Leuten in den Beratungsstellen zu sprechen? Die können einem nämlich Geschichten erzählen, die einem das Blut in den Adern gefrie

ren lassen. Unerträgliche Arbeitsbedingungen, elende Wohnbedingungen, Knebelverträge, ohne Urlaub, ohne eine Chance, bei Krankheit zu Hause zu bleiben - das ist der Alltag von Menschen, die hier unter uns in Niedersachsen leben. Das ist empörend. Damit müssen wir Schluss machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Beratungsstellen zu stärken, mehr Personal für die Kontrollen einzusetzen und die missbräuchliche Anwendung von Werkverträgen endlich zu stoppen, das sind Ziele, die wir uns setzen.

Meine Damen und Herren, Kinderarmut, Wohnungslosigkeit, die erbärmliche Situation der Wanderarbeiter, das sind nur einige der wirklich hässlichen Fälle in Niedersachsen im 21. Jahrhundert von Abgehängtsein.

Der Kern dieses Problems ist Ungleichheit, die immer größer wird. Denn den Armen auf der einen Seite stehen Menschen auf der anderen Seite gegenüber, die richtig viel Geld haben. Darum ist unsere Forderung, Steuerschlupflöcher zu schließen, Vermögen zu besteuern - nicht aus Neid, sondern aus Verantwortung und Gerechtigkeit.

Dann - so glaube ich - wäre es gut, bevor man solche Aktuellen Stunden beantragt, sich vielleicht einmal die Mühe zu machen, auf einem Parteitag über Konzepte zu reden. Das verbraucht nicht so viel von unserer Lebenszeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Widerspruch bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Piel. - Für die FDPFraktion spricht nun Herr Kollege Grascha. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es muss uns doch nachdenklich stimmen, wenn laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov aus dem Jahr 2017 79 % der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland das Gefühl haben, dass es einen Mangel an sozialer Gerechtigkeit gibt. Dieses Gefühl besteht, obwohl wir ein sehr hohes Wohlstandsniveau in unserem Land haben, obwohl fast die Hälfte des Bundeshaushalts - ungefähr 150 Milliarden Euro - alleine in Sozialleistungen geht und obwohl eine Umvertei

lung über ein progressiv angelegtes Steuersystem erfolgt.

Woran liegt das eigentlich? Mit dieser Frage müssen wir uns ernsthaft auseinandersetzen. Wir als Freie Demokraten sind der festen Überzeugung, dass unser Sozialstaat nicht nur sozusagen in die Breite agieren darf. Er muss vor allem zielgenau und fair sein.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen haben wir dazu ganz konkrete Vorschläge gemacht, z. B. zum Thema Kinderarmut mit dem Kinderchancengeld. Wir sind dafür, dass alle Sozialleistungen, die es in dem Bereich gibt - Kindergeld, Kinderzuschläge, Wohngeld, Sozialgeld, Unterhaltsvorschuss, Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket -, zusammengefasst und in einen eigenständigen Anspruch für Kinder umgewandelt werden, sodass der Sozialstaat tatsächlich zielgenau helfen kann.

(Beifall bei der FDP)

Ein anderes Thema ist die Altersarmut. Hierzu gibt es einen Vorschlag, der aktuell von der Bundesregierung diskutiert und insbesondere vom Bundesarbeitsminister favorisiert wird, nämlich die sogenannte Grundrente. Das Modell der Grundrente, das heute auf dem Tisch liegt, wird aber neue Ungerechtigkeiten schaffen. Denn jemand, der 35 Jahre lang auf einer halben Stelle mit einem geringen Verdienst gearbeitet hat, soll zukünftig dasselbe bekommen wie jemand, der 35 Jahre in Vollzeit gearbeitet hat. Das kann nicht gerecht sein, das ist unfair, und deswegen haben wir hierzu einen eigenen Vorschlag unterbreitet.

(Beifall bei der FDP)

In unserem Vorschlag zur Basisrente, den die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vorgelegt hat, schlagen wir einen eigenen Freibetrag vor, der Flexibilität schafft, sodass derjenige, der immer in Vollzeit gearbeitet hat, auch mehr von der gesetzlichen Rente erhält.