Fangen Sie an! Kommen Sie mal runter! Unterstützen Sie uns beim Landespflegegeld! Helfen Sie vor allen Dingen den pflegenden Angehörigen in unserem Land! Fangen Sie damit mal an!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Bothe, irgendwie haben Sie eine selektive Wahrnehmung, oder Sie wollten nicht wahrnehmen, was ich versucht habe Ihnen zu sagen, oder Sie haben es nicht verstanden. Anscheinend waren Sie aber irgendwann daran beteiligt, was in Ihrem Landtagswahlprogramm 2017 steht.
Ich habe Ihnen gerade sehr deutlich gesagt: Sie wollen das Landespflegegeld nur den Angehörigen derjenigen Pflegebedürftigen geben, die keinen Pflegeplatz bekommen. Das bedeutet im Klartext, dass Sie keinen weiteren Ausbau der flächendeckenden ambulanten Versorgung wollen.
Herr Bothe, Sie können sich da auch gerne weiter aufregen. Aber dann müssen Sie schon wirklich in der Lage sein, fachlich fundiert zu argumentieren. Sie müssen die Themen kennen. Dann wissen Sie ganz genau, dass Ihr Landespflegegeld aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts definitiv zum Scheitern verurteilt ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Pflege beschäftigt dieses Parlament schon lange - auch schon in der
letzten Legislaturperiode. Das ist gut und richtig so. Man könnte ja sagen: Das dauert uns alles zu lange! - Ja, demokratische Prozesse sind so, aber es sind tatsächlich die besten, die wir haben, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Wir haben in Niedersachsen ein Problem in der Pflege - verschärft in der ambulanten Pflege, aber auch der stationäre Bereich bleibt nicht außen vor. Es ist schwierig bis manchmal sogar unmöglich, Stellen neu zu besetzen. Im Bundesdurchschnitt sind vakante Stellen in der Pflege 175 Tage lang nicht besetzt - das sind 63 % mehr als die durchschnittliche Zeit der Vakanz von Stellen bei anderen Berufen. Bundesweit kommen auf 100 gemeldete Stellen 27 Arbeitslose. Alleine vom Jahr 2017 bis zum Jahr 2018 hat sich die Situation weiter verschärft: die Anzahl der Tage, an denen die Stellen unbesetzt sind, ist um 8 gestiegen.
Die Freien Demokraten haben schon in der letzten Legislaturperiode beantragt, den Stellenschlüssel anzuheben. Damals wurde uns in blumigen Worten berichtet, dass es dieses Problem so nicht gibt. Das erinnert ein bisschen an die Diskussion, die wir jetzt über die tatsächlichen Zahlen in der ambulanten Pflege führen. Nicht umsonst haben FDP und Grüne gemeinsam den Antrag gestellt, eine umfassende Erhebung in der ambulanten Pflege durchzuführen, damit wir endlich aktuelle Daten haben.
Ein Hinweis an dieser Stelle: Das Ministerium wollte uns - das wurde in der Ausschusssitzung zugesagt - zwei Dinge zuliefern: erstens das im MS vorhandene Gutachten zu der Frage, warum das Eingriffsrecht des Landes nach Feststellung des Notstands in der ambulanten Pflege nicht das richtige Instrument ist, und zweitens die im MS vorhandene Abfrage bei den Kommunen hinsichtlich der ambulanten Pflege. Die Kommunen sollen laut Aussage des MS geantwortet haben, dass es kein Problem bei der ambulanten Pflege gibt. Ich bin aber zuversichtlich, dass Sie uns diese Informationen noch irgendwann vor der Sommerpause zuliefern.
Nun stellen wir aber auch fest, dass ein höherer Personalschlüssel ohne vorhandenes Personal nichts bringt - siehe die versprochenen Stellen von Bundesgesundheitsminister Spahn.
Wie gewinnen wir also weiteres Personal? Ich würde an dieser Stelle gerne von meinem Besuch im Gut Retzen berichten. Der dortige Heimleiter und die Pflegedienstleitungen sind super engagiert. Es gibt 40 verschiedene Arbeitszeitmodelle, die auf die einzelnen Mitarbeiter zugeschnitten sind und die sich die Mitarbeiter aussuchen können - alles ist möglich. Der Betreiber hat eine Krippe gebaut - eine weitere von vielen Maßnahmen. Trotz aller Anstrengungen wird es immer schwieriger bis fast unmöglich, Personal zu finden. Es ist wie bei vielen Berufen: In einer demografisch alternden Gesellschaft brauchen wir Zuwanderung. Das alleine löst unser Problem nicht, ist aber ein wichtiger Baustein.
An dieser Stelle der dringende Appell - wie so oft -: Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz. Mir wurde mehrfach berichtet, dass es manchmal ein Jahr dauert, bis der Mitarbeiter einen Termin bei der zuständigen Botschaft zur Erteilung der Visa erhält. Ein Jahr! Der Mitarbeiter hat den Arbeitsvertrag in der Tasche und den benötigten Deutschkurs schon lange absolviert. Ein Jahr! Da gibt es dringenden Handlungsbedarf, und ein Wandel in der Wahrnehmung ist notwendig. Wir brauchen Zuwanderung. Meine ganz persönliche Meinung: Zuwanderung ist ein Gewinn für die Gesellschaft.
An dieser Stelle möchte ich gerne auf eine weitere Forderung eingehen, die Sie in Ihrem Antrag stellen, nämlich ein niedersächsisches Landespflegegeld in Höhe von 500 Euro monatlich auf den Weg zu bringen. Dabei wird aus dem Antrag überhaupt nicht klar, ob es nur um die stationäre Versorgung geht oder ob ambulante Versorgung inkludiert ist. Auch ist nicht klar, ab welchem Pflegegrad dies gezahlt werden soll. Aber das werden Sie ja vielleicht erläutern können.
Betrachten wir doch einmal Bayern: Bayern zahlt ab Pflegestufe 2 ein Landespflegegeld in Höhe von 1 000 Euro pro Jahr. Die jährlichen Beantragungen führen in Bayern zu einer jährlichen Belastung des Landeshaushaltes von 350 Millionen Euro. Darin inkludiert sind nicht die Kosten für die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben, die zusätzliche 1,9 Millionen Euro betragen.
Betrachten wir mit diesem Hintergrundwissen Niedersachsen! Sie wollen statt 1 000 Euro im Jahr 500 Euro im Monat auszahlen - wie gesagt: noch völlig undifferenziert. Das sind 6 000 Euro im Jahr für die Antragsteller. Nimmt man an, dass wir ein
Drittel weniger Bevölkerung haben, kommen wir auf 1,44 Milliarden Euro im Jahr. Und betrachten wir das, was auch die Kollegin Janssen-Kucz richtig gesagt hat: Im Prinzip setzt das Landespflegegeld völlig falsche Anreize bei der Versorgung älterer Menschen. Wenn man Geld in die Hand nehmen will, kann man es in den schönen Förderungsbereich Digitalisierung in der ambulanten Pflege oder andere Dinge investieren; man kann es in Demenzdörfer oder in viele andere schöne neue und innovative Projekte investieren, aber man sollte es nicht für so etwas rückwärtsgewandtes wie ein Landespflegegeld verwenden. Das Problem hat Frau Janssen-Kucz schon beschrieben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anstatt sich ernsthaft mit den von SPD, CDU, FDP und Grünen hier bereits vorgelegten Vorschlägen zur Verbesserung der Situation in der Pflege auseinanderzusetzen, statt aufmerksam zu verfolgen, welche Schritte die Bundesregierung gerade umsetzt, ist die AfD Niedersachsen im populistischen Kampagnenmodus.
Nach der zynischen Verhöhnung von Opfern sexueller Gewalt durch die Plakataktion #MähToo, welche vermeintlich das Tierwohl zum Thema hat, tatsächlich aber Islamfeindlichkeit und Rassismus schürt, schimpft sich die aktuelle Kampagne: „Weil, es reicht!“ - konzipiert übrigens vom Schriftsteller Thor Kunkel, den die Journalistin Melanie Amann vom Spiegel jüngst als „NPD-Mann auf Speed“ bezeichnet hat.
(Klaus Wichmann [AfD]: Die wird sich ja auskennen, die Dame! - Johanne Modder [SPD]: Da weiß man, woher das kommt!)
Auf einem Poster lässt die AfD eine Reinigungskraft sprechen, die fragt, was ihr denn der Mindestlohn bringen würde, wenn sie drei Jobs bräuchte, um zu überleben. - Damit wird von der AfD wieder einmal ein wichtiges Thema pervertiert; denn die AfD ist die Partei, die sich auf allen Ebenen lange gegen den gesetzlichen Mindestlohn gestellt hat.
Nachdem die negativen Beschäftigungsentwicklungen, die auch von der Bundesspitze der AfD propagiert wurden, ausgeblieben sind, ist nun eine Positionierung pro Mindestlohn opportun. Was sagt denn die AfD dieser Reinigungskraft? Wahrscheinlich, dass sie gerade noch Glück gehabt hat, dass die AfD nicht regiert, da Jörg Meuthen, seines Zeichens Bundessprecher, die gesetzliche Rente gerne komplett abschaffen würde. Björn Höcke, sein Kumpel, indes will eine Zusatzrente nur für Deutsche aus der Taufe heben. Überraschung! Bei der AfD hat man Pech, wenn man wenig Geld hat
Und nun, sehr geehrter Herr Bothe, zum vorliegenden Antrag, der ja wohl Teil Ihrer aktuellen Kampagne sein soll. Nehmen wir mal das Landespflegegeld. Das ist eine mittlerweile umgesetzte Idee der CSU in Bayern, die bisher auch dort kein einziges Problem in der Pflege gelöst hat. Wenn hier - wie die AfD es möchte - auch ein solches Modell eingeführt würde, dann wäre das schlecht angelegtes Geld und höchst unsolidarisch. Denn so wird Geld als Wahlkampfgeschenk einfach mit der Gießkanne verteilt - außer an Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger; denn das Geld wird mit den Leistungen des Jobcenters als nicht zweckgebundenes Einkommen verrechnet. Das ist ein alter CSU-Trick, der schon beim Familiengeld angewendet wurde. Ergo: Wenn Sie Transferleistungen bekommen, sind Sie mit der AfD schlecht bedient.