Protokoll der Sitzung vom 12.09.2019

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das Land muss im Bundesrat abstimmen!)

Wir haben hier fünf mal fünf Minuten Redezeit. Dann haben wir zwar publikumswirksam gearbeitet und uns daran abgearbeitet. Aber was kommt darüber hinaus - für die Landwirtschaft ganz besonders?

(Christian Meyer [GRÜNE]: Nieder- sachsen stimmt im Bundesrat ab! - Weitere Zurufe - Unruhe)

Einen Moment, bitte, Herr Kollege Wirtz! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf um etwas mehr Ruhe im Plenarsaal bitten.

Wir stimmen Ihnen ja zu: Der Transport von Futtermitteln um die halbe Welt, auch wenn dies dort unten besser wächst, ist nicht völlig sinnvoll. Wir sollten für die eigene Futtermittelerzeugung, gerade die Erzeugung von hocheiweißhaltigen Futtermitteln - vielleicht mit der Ackerbohne und anderen Produkten -, die heimische Landwirtschaft stärken.

Denn was passiert, wenn wir uns auf dem Weg über doch nicht so ganz reines konventionelles Soja oder importiertes Rindfleisch einen neuen Lebensmittelskandal einhandeln? Die einheimischen Bauern werden damit ebenfalls in die Knie gehen. Ein Rindfleischskandal ist ein Rindfleischskandal, egal ob das Fleisch aus Brasilien kommt oder nicht. Auch das Fleisch aus deutscher oder EU-Erzeugung wird liegen bleiben. Dann haben wir einen Nachteil für unsere heimische Landwirtschaft. Das darf nicht passieren! Vor allem da müssen wir unsere heimische Landwirtschaft stärken. Das müssen wir für diese Vereinbarung nachträglich auf den Weg geben. Wir müssen auch Kontrollfunktionen mit auf den Weg geben.

Die Grünen spielen jetzt wieder die grüne Welle, muss man dazu sagen. Sie fordern gerne etwas. Wenn das dann am nächsten Tag geschieht, sieht es so aus, als sei das Ihre Forderung gewesen, die erfüllt wurde. Das ist in diesem Fall aber nicht so.

(Vizepräsident Frank Oesterhelweg übernimmt den Vorsitz)

Der EU-Mercosur-Vertrag wird wahrscheinlich nicht so einfach ratifiziert werden. Übrigens könnte dann Ihre gewachsene Grünen-Fraktion im EUParlament ordentlich dagegenhalten. Aber das tun Sie wahrscheinlich nicht.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Wir wer- den das komplett ablehnen!)

Noch ein Letztes - Herr Grupe hat es angesprochen -: Das massenhafte Verschieben von Lebens- und Futtermitteln über Kontinente und Ozeane hinweg wird einen massenhaften Transportaufwand erzeugen. Auch das ist ein ökologisches Desaster, das wir vermeiden können. Aber wir fahren ja lieber Elektroroller in der Stadt und gleichen das damit ganz sicherlich aus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Wirtz. - Für die Fraktion der FDP hat sich noch einmal der Kollege Jörg Bode gemeldet. Er hat noch 1:40 Minuten. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zurück zu dem eigentlich wichtigen Thema, über das wir hier diskutierten sollten.

Wir haben Anfang der Woche über Klimaschutz, Klimaschutzgesetze und auch darüber gesprochen, was wir als Niedersachsen tun können. In der Tat werden wir als Niedersachsen, als Deutschland und als Europäische Union, wenn man ehrlich ist, allein durch Reduktion von CO2 die Ziele von Paris nicht einhalten können. Wenn man diese Erkenntnis hat, muss man sagen: Ein wesentliches Instrument des Klimaschutzes ist unsere Außenpolitik. Das wirklich wichtigste Instrument der Außenpolitik sind der Handel und die Marktmacht, die wir als Europa, als Deutschland tatsächlich haben, und damit auch der Freihandel.

Die Einhaltung der Klimaschutzziele von Paris kann also nur gelingen, wenn wir unsere Freihandelsabkommen mit den Ländern, die einen Beitrag zur CO2-Speicherung und auch einen wesentlichen Beitrag zur Umstellung ihrer Produktionswege leisten können, so gestalten, dass diese Länder etwas davon haben, was wir dann über den Handel bezahlen müssen. Der Kollege Grupe hat recht, dass der Aufwand nicht allein bei den Bauern liegen bleiben kann. Aber das muss die Ausgestaltung sein.

Mercosur hat das erstmalig von der EU-Kommission mit eingepreist. Aber was ist passiert, nachdem unterschrieben wurde? - Da hat sich der Vertragspartner umgedreht und gesagt: Ich mache genau das Gegenteil von dem, wozu ich euch mein Wort gegeben habe. - Herr Pantazis, da geht

es jetzt nicht um irgendwelche kleinen Nachverhandlungen. Was macht man denn mit jemandem, der einem die Hand gibt, sich umdreht und das Gegenteil dessen tut, was er versprochen hat? - Da sagt man doch erst einmal: Du musst wieder zurückkommen. Du musst dich erst einmal läutern. Du musst darstellen, dass es dir tatsächlich ernst ist. - Die Kommission muss einmal hinfliegen und den anderen Mercosur-Partnern sagen, dass das Handelsabkommen so nicht funktioniert, wenn sie ihrem Kumpel Bolsonaro nicht einmal auf die Finger hauen. Es muss tatsächlich Druck ausgeübt werden.

Wir meinen es ernst. Wir erwarten auch vom Gegenüber, dass er es ernst meint. Solange dies nicht so ist, braucht man über Mercosur leider nicht mehr zu reden.

(Beifall bei der FDP sowie Zustim- mung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die Landesregierung hat nun das Wort Frau Ministerin Honé. Bitte sehr, Frau Ministerin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wirtz, wenn Sie behaupten, dass man hier im Parlament nichts ausrichten kann, müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, was Sie dann hier im Parlament eigentlich wollen.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU und bei den GRÜ- NEN)

Ich möchte zunächst der Grünen-Fraktion dafür danken, dass sie dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat; denn dies gibt uns hier im Landtag die Gelegenheit, über die verstörenden Bilder und Nachrichten zu sprechen, die uns in den vergangenen Wochen aus Brasilien erreicht haben.

Dort findet - dies ist von den Vorrednerinnen und Vorrednern schon gesagt worden - durch die gezielte Brandrodung die derzeit größte von Menschen gezielt herbeigeführte Umweltzerstörung auf unserem Planeten statt. Ermöglicht wird dies durch die Politik des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro, der der rücksichtslosen Ausbeutung der Amazonas-Region den Weg bereitet.

Herr Bolsonaro ignoriert in Brasilien wissentlich und provokant internationale Nachhaltigkeits-, Klima- und Menschenrechtsvereinbarungen. Das ist schlicht nicht akzeptabel,

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

vor allem nicht vor dem Hintergrund, dass, wie Sie wissen, die Europäische Union die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens zum Bestandteil des Freihandelsabkommens mit den MercosurStaaten erklärt hat und dies auch von diesen so akzeptiert wurde und welches darüber hinaus, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine für Brasilien verpflichtende Vorgabe zur Bekämpfung der Entwaldung enthält. Insofern ist eine Zustimmung zum vorliegenden, weitgehend ausgehandelten Mercosur-Freihandelsabkommen aus meiner Sicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um es aber auch klar zu sagen: Das Mercosur-Abkommen ist nicht Auslöser dieses Exzesses in Brasilien, und Freihandelsabkommen sind grundsätzlich sinnvolle Instrumente, um gemeinsame Spielregeln in einer globalisierten Welt zu vereinbaren. Wenn die Rahmenbedingungen und Spielregeln klar sind und wenn sich die Beteiligten daran halten, kann Freihandel die wirtschaftliche Entwicklung sowie den wissenschaftlichen und den sozialen Fortschritt fördern. Das beste Beispiel hierfür ist die Europäische Union.

(Dr. Christos Pantazis [SPD]: Sehr richtig!)

Sicherlich ist aktuell ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten besser für die Menschen, die Umwelt und das Klima, als es ein Abkommen zwischen den Mercosur-Staaten und beispielsweise den USA wäre.

Worum geht es nun aber bei dem Freihandelsabkommen, über das die Europäische Union seit 19 Jahren mit den Mercosur-Staaten verhandelt hat? Es geht um die Stärkung des freien Verkehrs von Dienstleistungen, Produktionsmitteln und Waren, die Ausgestaltung einer gemeinsamen Außenhandels- und Wirtschaftspolitik und die Harmonisierung der Gesetzgebung in den jeweiligen Bereichen. Darauf, dass die Europäische Union zudem das Pariser Klimaschutzabkommen zum Bestandteil des Vertrages gemacht hat, habe ich bereits hingewiesen.

Die Europäische Union wäre der erste wichtige Partner weltweit, der ein Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten abschließt. Zwischen der EU und den Mercosur-Staaten würde so der größte Freihandelsraum weltweit entstehen - ein Raum, in dem rund 780 Millionen Menschen leben und arbeiten.

Dieses Handelsabkommen ist Teil eines großen Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten. Über den Handel hinaus soll das Abkommen den politischen Dialog stärken und die Zusammenarbeit in den Bereichen Migration, digitale Wissenschaft, soziale Verantwortung von Unternehmen und Gesellschaft, Umwelt und Meerespolitik verbessern. Das Abkommen bietet also auch Chancen für Europa und für Südamerika. Das sollte trotz der derzeit sehr, sehr schwierigen Rahmenbedingungen nicht vergessen werden.

Das Mercosur-Abkommen muss in allen Mitgliedstaaten der EU von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. In Deutschland soll das im Sommer kommenden Jahres erfolgen. Unserer Ansicht nach muss der Bundesrat an dem Ratifizierungsprozess beteiligt werden. Die Länder sollten gemeinsam darauf dringen, dass in dem Abkommen eindeutige und klare Regeln definiert werden. Dies gilt für die Bereiche Klimaschutz, Menschenrechte, Sozialstandards sowie die nachhaltige Land- und Forstwirtschaft. So muss der weltweite Handel mit Soja viel stärker an Nachhaltigkeitskriterien gebunden werden. Die deutsche und europäische Landwirtschaft muss geschützt werden. Verbraucherschutzstandards dürfen nicht verwässert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb ist es notwendig, das Abkommen um sehr konkrete und spürbare Sanktionsmaßnahmen zu ergänzen, wenn gegen wesentliche Standards verstoßen werden sollte. Die von Bundesumweltministerin Schulze geforderte Schutzgarantie für den Regenwald, die im Übrigen auch von der französischen Regierung massiv eingefordert wird, ist dabei ein erster wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Solch eine Schutzgarantie könnte beispielsweise in Form einer Austrittsklausel ein wesentlicher Vertragsbestandteil werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vereinbarungen des Pariser Klimaschutzabkommens, die Kernarbeitsnormen der Weltarbeitsorganisation und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sollten Bestandteil dieses und künftiger Frei

handelsabkommen der Europäischen Union sein. Nur so können wir dafür sorgen, dass die Globalisierung fair gestaltet wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin.

Offensichtlich in Erwartung der Überziehung der für die Landesregierung vorgesehenen fünf Minuten hat Frau Kollegin Staudte schon ein Zettelchen abgegeben. Gemäß einer Übereinkunft des Präsidenten und der Vizepräsidenten in der vergangenen Wahlperiode soll auch hier § 71 Abs. 3 angewendet werden, sodass Frau Kollegin Staudte angesichts der Überziehung um 55 Sekunden jetzt von mir, großzügig aufgerundet, eine Minute Redezeit bekommt. Aber das ist dann auch nur eine Minute; danach stelle ich das Mikrofon ab.

Bitte!

(Christian Grascha [FDP]: Es ist ja schön, wenn das Präsidium sich an die Geschäftsordnung hält! Darauf hinzuweisen ist eigentlich nicht not- wendig, oder?)

Vielen Dank, Herr Präsident, für die großzügige Gabe.

Es geht mir vor allem um einen Punkt. Es ist immer wieder betont worden: Wenn wir in diesem Abkommen bestimmte Nachhaltigkeitsziele definieren und vereinbaren, dann ist alles gut. Das hilft dann sogar. Aber es ist doch naiv zu glauben, dass dann, wenn in der Präambel eines solchen Abkommens Wörter wie „Nachhaltigkeit“, „Pariser Abkommen“, „Abholzung stoppen“ usw. vorkommen, die damit verbundenen Ziele auch umgesetzt werden. Die Realität ist doch - dafür braucht man nicht sehr viel Sachverstand -: Wenn wir mehr agrarische Produkte aus Brasilien etc. importieren wollen, wird dafür dort auch mehr Fläche verbraucht werden. Das ist eine Tendenz, die sich auch mit schönen Worten nicht stoppen lässt.

Insofern kann ein solches Handelsabkommen die Konflikte nur verschärfen und wirkt bei dieser ganzen Problematik als Brandbeschleuniger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Ich möchte einen Hinweis des Kollegen Grascha aufgreifen. Sie haben eben gesagt: „… wenn das Präsidium sich an die Geschäftsordnung hält“. Herr Kollege Grascha, das Präsidium hält sich an die Geschäftsordnung und wurde durch einen Hinweis der Landtagsverwaltung darauf aufmerksam gemacht, dass es diese Vereinbarung des engeren Präsidiums gibt.