Protokoll der Sitzung vom 19.11.2019

(Christian Meyer [GRÜNE]: So neu ist das auch nicht! Zwei Jahre!)

ist schon erstaunlich. Jetzt soll nicht nur der Zoll die Einhaltung des Mindestlohnes kontrollieren, sondern Herr Althusmann soll auch noch eine eigene Kontrollabteilung einrichten,

(Glocke der Präsidentin)

damit die Einhaltung des Mindestlohns bei den entsprechenden Auftragsvergaben noch von Althusmanns Kontrolleuren untersucht wird.

Das ist ein Wahnsinn, den Sie hier einführen wollen. Das können wir nicht mitgehen. Mehr Zutrauen in die Rechtstreue der niedersächsischen Unternehmerinnen und Unternehmer! Einfach mal mehr Rechtstreue beim Handwerk vermuten!

Sie kommen jetzt zum Schluss, Herr Kollege!

Zu vermuten, dass ein Handwerker nicht automatisch ein Verbrecher bzw. Rechtsbrecher ist, hätte ich Ihnen, Herr Kollege Bley, eher zugetraut. Deshalb enttäuscht mich das sehr. Wir können diesem Unsinn nicht zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Bode. - Auf Ihren Beitrag folgt eine Kurzintervention des Kollegen Henning. Bitte, Herr Henning!

(Jörg Bode [FDP]: Danke! Meine Re- dezeit war schon zu Ende!)

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Bode, keine Sorge, ich komme gleich noch mit einem ordentlichen Redebeitrag. Aber Ihr Redebeitrag hat mich doch zu dieser Kurzintervention veranlasst.

Lieber Kollege Bode, Sie haben einen schönen Satz gesagt, der ungefähr so lautete: Wir wollen uns auf das konzentrieren, wofür das Gesetz gemacht ist, nämlich Vergaben.

(Vizepräsident Frank Oesterhelweg übernimmt den Vorsitz)

Wenn Sie Bürokratie abbauen und sich nur auf die Vergaben konzentrieren wollen, warum wollen Sie dann die §§ 4 und 5 streichen? Wissen Sie eigentlich, was in diesen Paragrafen steht?

(Jörg Bode [FDP]: Ja!)

In § 4 geht es um den Mindestlohn, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und den sogenannten Baumindestlohn, und in § 5 geht es um die ÖPNVRegelung. All das wollen Sie schleifen. Das bedeutet, wir werden demnächst keinerlei Kontrollen mehr hier im Land haben.

Herr Kollege Bley hat dargelegt, dass es beim Mindestlohn natürlich Missbrauch gibt und dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit alleine die Einhaltung des Mindestlohnes gar nicht kontrollieren kann. Deswegen haben wir als Regierungskoalition gesagt: Wir wollen mehr Kontrollen. Aber wenn Sie diese Regelungen aus dem Gesetz herausstreichen, gibt es nichts mehr zu kontrollieren. Wir wollen natürlich die Einhaltung des Mindestlohns kontrollieren; wir wollen die Finanzkontrolle

Schwarzarbeit unterstützen. Aber Sie wollen das einfach aus dem Gesetz streichen! Das ist ein ganz zentraler Bestandteil - darauf komme ich später noch. Hier geht es nämlich auch um ein Tariftreue- und nicht nur um ein Vergabegesetz.

Das Streichen der ÖPNV-Regelung in § 5 wäre übrigens der Tod jedes kommunalen Busunternehmens, die nämlich alle tarifgebunden sind - genauso wie viele Privatunternehmen im Busbereich auch tarifgebunden sind. Sie wollen § 5 streichen. Das heißt, es konkurrieren zukünftig europaweit kommunale Busunternehmen und private tarifgebundene Busunternehmen mit Billigheimern und Dumpinglöhnen. Das kann es doch nicht sein! § 5 zum ÖPNV zu streichen, wäre extrem kommunalfeindlich.

Dieser Punkt hat mich gerade so auf die Palme gebracht, dass ich dazu noch etwas sagen wollte. Aber ich komme später noch einmal darauf.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Bode möchte antworten. Bitte sehr!

Selbstverständlich, Herr Präsident. Das war nämlich Unsinn, Herr Kollege Henning, was Sie gerade gesagt haben.

Ja, wir wollen diese Paragrafen streichen, weil sie doppelt vorhanden sind. Es gibt sie auch schon im Bundesrecht. Die Überwachung der Einhaltung der Mindestlohnregelung ist bereits bundesrechtlich geregelt. Es gibt auch bundesrechtliche Vorgaben für die Vergaben beispielsweise im ÖPNV-Bereich. Hier geht es vielmehr um die Frage, welcher Tarifvertrag im ÖPNV-Bereich gilt, und nicht um irgendwelche Billiglöhner aus Asien oder von sonst wo. Es geht um die Frage, ob in diesem Bereich der ver.di-Tarifvertrag gilt oder eventuell auch der Branchentarifvertrag gelten kann. An den sind wesentlich mehr Beschäftigte gebunden als an den ver.di-Tarifvertrag. Vor diesem Hintergrund hat vor zwei Monaten die große Busdemo vor dem Landtag stattgefunden. Auf großen Transparenten stand: „Lieber Bernd, lass uns nicht im Stich!“ Die wollten, dass es ein vernünftiges, ein einheitliches Auftragswesen gibt.

Warum klagt beispielsweise eine sozialdemokratisch geführte Stadt - ich glaube, es war Leer - gegen das Land? - Weil diese tarifvertraglichen Regelungen im Landesgesetz durchgesetzt werden, wodurch ein anderer Tarifvertrag als der von ver.di nicht möglich ist, was für die Kommune schädlich ist.

Herr Kollege Henning, nicht einfach diese Plattitüden hier im Landtag äußern, die man vielleicht auf SPD-Parteitagen gerne ablässt, sondern sich das Problem einmal genau anschauen! Hier geht es um Dopplungen und nicht darum, etwas nicht zu regeln. Bisher wurde das doppelt geregelt, und es gab Probleme bei der Auftragsvergabe. Ungefähr 90 % rechtswidrig vergebene Aufträge beim Land Niedersachsen! Das sollte Ihnen nach der Prüfung des Landesrechnungshofs doch eigentlich den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Hier sollte man doch ein bisschen mehr Rechtsstaatlichkeit bei der Landesregierung einziehen lassen.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Bode. - Für die AfD-Fraktion hat sich nun der Kollege Henze gemeldet. Bitte sehr, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Regelmäßig beschäftigt sich auch unser Haus mit dem Vergabegesetz - ein parlamentarischer Zankapfel, der gebändigt werden will. Gründe dafür gibt es viele: Anpassungen an EU- und Bundesvorgaben top-down bis zu uns ins Landesparlament sind genauso Grund dafür wie Belange der Wirtschaft und nicht zuletzt parteipolitische Zielvorgaben, die auch in Koalitionsverträgen abgebildet werden müssen. Ihren Koalitionsvertrag für die 18. Wahlperiode, liebe GroKo, nennen Sie folglich auch in Ihrer Gesetzesbegründung als tragenden Grund für die zu behandelnde Vorlage.

Die FDP führt in der Begründung ihres Entwurfs handwerkliche Fehler bei der Entstehung der Vorgängerkodifikationen dieses Hauses vom 1. November 2014 und der Änderungsgesetze aus 2016 an. Der Landesgesetzgeber macht demnach schwerwiegende vergaberechtliche und organisatorische Fehler. Erlauben Sie mir dazu einen kurzen Kommentar.

Wir haben es hier offensichtlich mit einer Gemengelage zu tun, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen, für die man bei den von dieser Rechtsmaterie betroffenen kleinen und mittleren Unternehmen - um die geht es - und den Ausschreibenden sowie den Bürgern als Zuschauern dieses, ich nenne es einmal, Spektakels kein Verständnis ernten wird und, offen gesagt, auch nicht erwarten kann.

Hat das Vergaberecht die Parlamente passiert, geht es erst richtig los und gipfelt viel zu häufig in einer justiziell komplexen Aufarbeitung, die mittlerweile eine äußerst spezielle Rechtsmaterie mit eigens dafür hoch spezialisierten Rechtsdienstleistern geworden ist. Herr Bode hatte das auch angesprochen.

Ein Zuviel an Regulierungswut und Regelungstiefe scheint auf den ersten Blick auf eine hohe Qualität des Rechtsstaats zu deuten. Das täuscht. Meine These lautet: Das Vergaberecht in seiner heutigen Form bringt den Rechtsstaat an seine Grenzen und führt bei allen Beteiligten zu mehr Frust als Lust. Gleiches gilt natürlich für viele andere Legislativbereiche. Das findet manche Regierung offenbar auch noch praktisch. Bürger und Unternehmer

werden dadurch verunsichert. Der Staat wird zum Herrschaftswissenden und kann seine Bürokratie aufblähen. Das sehen wir hier leider auch. Dieser Gedankengang ist übrigens weder rechts noch links, verehrte Kollegen, sondern nachvollziehbar, vernünftig und vor allem richtig.

Mit Blick auf den Entwurf, den die GroKo in Kürze mit geballter Stimmkraft durchwinken wird, zwei weitere Aspekte: Der Auftragswert im sächlichen Anwendungsbereich wird von derzeit 10 000 auf 20 000 Euro hochgeschleust. Dies entlastet die öffentlichen Auftraggeber. Das ist der AfD hier auch besonders wichtig. Für die an Vergaben teilnehmenden KMU wäre - Rechtskonformität vorausgesetzt - eine weitere Anhebung auf 25 000 Euro sicher wünschenswert.

Nur: Alles wurde schon mehrfach - auch hier im Hause - debattiert. Meine Herren der CDU-Fraktion, ich verweise auf Ihren Antrag vom 7. März 2016, Drucksache 17/5328, und dort auf § 1.

Im Westen also nichts Neues, liebe Wähler! Denken Sie bitte in Niedersachsen dringend weiter über uns als Alternative gegen Kreislaufparlamentarismus nach.

Liebe Landesregierung, der Artikel 2/1 Ihrer Beschlussempfehlung ist ein echter kleiner Trojaner. Von der Gesetzestechnik her kann man das alles natürlich so machen. Transparenz und Wählernähe sehen allerdings anders aus.

Kollegial war Ihr Vorgehen ebenfalls nicht. Auch Abgeordnete anderer Parteien haben im Ausschuss am 1. November 2019 zu Recht kritisiert, dass Sie die Aufstockung des Haushaltsvermerks für 2019 um 60 Millionen Euro - von 40 auf 100 Millionen Euro - mir nichts, dir nichts als Tischvorlage präsentiert haben. Bitte früher informieren, liebe Landesregierung! Ende September und Anfang Oktober dieses Jahres hatten wir Ausschusssitzungen. Dahin hätte es gehört; denn das Finanzierungsproblem lag schon auf Ihrem Tisch.

Die Anmerkungen des GBD in der Vorlage 12 zu Drucksache 18/3693 sprechen Bände. Ich denke, gerade die Regierungsfraktionen werden sie inhaltlich sicherlich tief aufgearbeitet haben. 30 Jahre Landesübung, und trotzdem ist die haushaltsrechtliche Zulässigkeit keinesfalls sicher - so das Fazit. Klären Sie das doch endlich einmal, und halten Sie uns vor allem informiert!

Außerdem muten Sie uns allen das Restrisiko zu, dass die entsprechenden Bundesmittel für die Bundesautobahnen und den Bundesstraßenbau -

um diese Infrastruktur geht es inhaltlich - im nächsten Haushaltsjahr nicht vereinnahmt werden. Das ist Pokern - anerkanntermaßen auf hohem Niveau - und Handeln nach der Maxime: Was nicht passt, wird passend gemacht. - Klar ist im Übrigen, dass viele Jahre unterbliebene Straßenerhaltungs- und Ausbaumaßnahmen dringend und ohne Unterbrechung durchgeführt werden müssen.

In Bezug auf den FDP-Antrag folgen wir der Ausschussempfehlung.

Beim Antrag der Regierungskoalition enthalten wir uns nach nochmaliger Überlegung aus Protest gegen die Verfahrensweise und vor dem Hintergrund ihrer rechtlichen Zweifelhaftigkeit. Das können wir natürlich guten Gewissens tun; denn Sie bekommen Ihren Antrag wie gewohnt mit Ihren Mehrheitsverhältnissen hier leicht durch.

Abschließend noch zum Entschließungsantrag in der Drucksache 18/5078: Liebe Kollegen von SPD und CDU, mehr Kontrolle zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und zur Einhaltung des Mindestlohnstandards bei Vergabeprojekten halten Sie offenbar für dringend geboten. Diverse Gesetze und die Standards der §§ 14 und 15 im aktuellen Landesvergabegesetz für öffentliche Auftraggeber sehen dies alles aber schon vor. Aus Sicht der Legislative halten Sie das auch für ausreichend. Das sprechen Sie ausdrücklich im Antrag so an.

Insofern ist der Antrag, im Lichte betrachtet, für die Galerie. Ordnungsgemäßer Gesetzesvollzug als Folge einer Norm dürfte sich in einem Rechtsstaat von selbst verstehen. Die Exekutive ist dazu auch verpflichtet. Jedenfalls sehen wir von der AfD das so. Sie zweifeln, ob in unserem Bundesland aus Opportunitäts- oder anderen Gesichtspunkten der Gesetzesvollzug wie geboten stattfindet. Ich muss Ihnen sagen: Mit Ihrem Antrag fordern Sie jetzt also quasi mehr Rechtsstaatlichkeit von sich selbst ein. Das ist sehr aufschlussreich.

Glück auf!

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Henze. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Viehoff das Wort. Bitte sehr!