Protokoll der Sitzung vom 17.12.2019

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, eine Landesregierung sollte nicht zaudern und zögern. Sie sollte entscheiden und handeln. Indem Sie mir Ihrer Politik die zunehmende Spaltung der Gesellschaft selbstzufrieden ignorieren, verschärfen Sie diese Spaltung aber zunehmend. Was Sie tun, ist nichts anderes als ein Wählerbeschaffungsprogramm für Populisten und eine Stärkung die Ränder in diesem Land.

(Beifall bei der FDP)

Das gilt insbesondere dann, wenn man den Menschen nicht mehr zuhört und stur an Fehlentscheidungen festhält. Sie wissen, dass wir die Errichtung der Pflegekammer mit einer Zwangsmitgliedschaft und einem Zwangsbeitrag von Anfang an abgelehnt haben. Wir halten diese Konstruktion auch weiterhin für einen Fehler. Spätestens mit den massenweisen und hartnäckigen Protesten der Pflegekräfte und der Gewerkschaften scheint aber auch bei Ihnen die Einsicht gereift zu sein, dass das so nicht geht. Aber statt die Kammer konsequenterweise aufzulösen oder wenigstens auf Freiwilligkeit zu setzen, schießen Sie einfach dauerhaft Steuergeld zu.

Im Ergebnis haben wir damit, meine Damen und Herren, eine Kammer, die an sich unabhängig von Staat und Politik handeln soll, aber finanziell dauerhaft von ihnen, also von Ihren politischen Entscheidungen, abhängig ist. Das hat mit der von Ihnen hier vertretenen Idee einer unabhängigen Stimme für die Pflege nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der FDP - Wiard Siebels [SPD]: Das ist bei dem bayrischen Modell nicht anders! - Johanne Mod- der [SPD]: Genau das Gleiche!)

Und somit versuchen Sie, einen politischen Fehler auf fragwürdige Art und Weise auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu beheben. Das, meine Damen und Herren, ist gerade kein verantwortungsbewusster Umgang mit den Steuergeldern.

(Beifall bei der FDP)

Frau Modder, wenn Sie darauf hinweisen, wir seien gegen eine starke Stimme für die Pflege, dann möchte ich Sie nur daran erinnern, dass wir Ihnen ein Kompromissangebot gemacht haben, auf das Sie bis heute nicht reagiert haben. Sie wollen offensichtlich stur an der Zwangsmitgliedschaft

(Wiard Siebels [SPD]: Pflichtmitglied- schaft!)

gegen den Willen der Pflegekräfte festhalten. Alle anderen Lösungen, um zu einer starken Vertretung der Interessen der Pflege zu kommen, die auf Zustimmung stoßen würde, ignorieren Sie stumpf.

(Johanne Modder [SPD]: Wie wollen Sie Ihre Vereinigung finanzieren, Herr Birkner?)

Genau damit entfremden Sie sich von den Menschen und spalten diese Gesellschaft.

(Beifall bei der FDP - Wiard Siebels [SPD]: Wie soll Ihr bayerisches Modell finanziert werden?)

(Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, angesichts der sich abzeichnenden konjunkturellen Schwäche ist es aus unserer Sicht geboten, dieser konjunkturellen Schwäche jetzt zu begegnen. Wir sind der Überzeugung, dass Wachstum die Grundlage unseres Wohlstands und damit auch eine wichtige Basis des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist. Wachstum ist übrigens auch die Grundlage dafür, dass man die Steuereinnahmen hat, um die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates insbesondere im Bereich der Bildung und auch der Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen.

Deshalb haben wir als FDP-Fraktion bereits im September ein Konjunktursofortprogramm vorgestellt, mit dem wir beschleunigen, entrümpeln und motivieren wollen. Das, was davon haushaltsrelevant ist, bilden wir in unseren Haushaltsvorschlägen ab. So wollen wir schneller zur Rechtskraft von Planfeststellungsbeschlüssen kommen und notwendige Genehmigungen für die Unternehmen erreichen. Wir müssen schneller und unkomplizierter werden, um unseren Wohlstand im globalen Wettbewerb erhalten zu können.

Dabei darf es sich natürlich nicht nur um ein Strohfeuer handeln, wie das allzu oft bei solchen Konjunkturpaketen der Fall ist. Wir wollen nachhaltig bessere - die bestmöglichen - Rahmenbedingungen für Niedersachsen schaffen, damit Menschen

in Niedersachsen selbstbestimmt leben, arbeiten und wirtschaften können. Dazu gehört insbesondere, dass wir die dringend notwendigen Digitalisierungsmaßnahmen angehen. Für uns ist klar, dass eine leistungsfähige digitale Infrastruktur die Grundlage der heutigen und auch zukünftigen Lebens-, Arbeits- und Bildungswelt ist. Dafür legen wir mit unseren Anträgen auch in diesem Haushalt das Fundament. So wollen wir konsequent in den LTE-Funkausbau investieren; denn klar ist: Funklöcher sind Konjunkturlöcher und verbauen Chancen. Dem müssen wir entgegenwirken!

(Beifall bei der FDP)

Auch Digitalisierungsmaßnahmen in der Landwirtschaft stehen bei uns auf dem Programm; denn hier haben wir die Chance, gerade in Niedersachsen als dem zentralen, größten und wichtigsten Agrarland in Deutschland eine echte Vorreiterrolle einzunehmen und die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, um zu einer noch naturverträglicheren Landwirtschaft zu kommen.

Auch bei der Verwaltung muss die Digitalisierung endlich vorankommen, insbesondere Herr Minister Althusmann, aber auch Herr Minister Pistorius! Denn es muss für die Bürgerinnen und Bürger doch endlich mal spürbar werden, dass die Digitalisierung gerade im Umgang mit Verwaltung echte Vorteile mit sich bringt. Auch da investieren wir mit unseren Haushaltsvorschlägen.

(Beifall bei der FDP)

Wir setzen auf Einfallsreichtum, Ideen und Innovation. Wir trauen den Menschen zu, Lösungen für die Herausforderungen zu finden, vor denen wir stehen. Wir wollen das Potenzial der Menschen tatsächlich aktivieren, dann gemeinsam Niedersachsen an die Spitze bringen und aus einer Politik herauskommen, die das Mittelmaß schon als das alles Seligmachende ansieht. Deshalb wollen wir beispielsweise einen Coding- und KI-Campus schaffen, an dem zu zukunftsweisenden Themen geforscht und gelehrt werden kann, und die Forschungen zum Thema Klimaschutz und CO2-Reduktion stärker unterstützen.

Auch im Handwerk wollen wir dies tun, indem wir mit Innovationsgutscheinen Ideenreichtum fördern und unterstützen. Wir möchten Unternehmergeist und Risikobereitschaft fördern und die Menschen ermutigen, ihre Ziele zu verwirklichen.

Die Start-up-Förderung wollen wir unterstützen, indem wir uns mit unseren Anträgen für eine Erhöhung der Zahl der Gründungsstipendien von 125

auf 500 einsetzen, indem wir die Förderung von Start-up-Zentren verdoppeln und einen niedersächsischen Gründercampus als Nährboden für Fortschritt „made in Niedersachsen“ auf den Weg bringen. Wir wollen die Menschen ermutigen, ihre Ideen, ihre Überzeugungen und ihre konstruktiven, innovativen Ideen auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der FDP)

Klar ist für uns auch, meine Damen und Herren, dass es für ein selbstbestimmtes Leben und die Möglichkeit, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen - damit wird auch ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt geleistet -, natürlich darauf ankommt, insbesondere die Bildungspolitik in den Fokus zu nehmen. Auch das tun wir mit unseren Anträgen zum Haushalt, wobei wir insbesondere in der Sicherstellung der Unterrichtsversorgung eine der größten Herausforderungen sehen.

Dafür ist für uns grundlegend, dass die Lehrerinnen und Lehrer angemessen bezahlt werden. Das hat etwas mit Wertschätzung zu tun. Aber es hat auch etwas damit zu tun, dass wir die Attraktivität des Lehrerberufs in Niedersachsen steigern müssen; denn natürlich befinden wir uns hier auch in einem bundesweiten Wettbewerb. Deshalb wollen wir alle Grund-, Real-, Haupt-, Ober- und Förderschullehrer mit einem vollen A-13-Gehalt bezahlen. Zur Chancengerechtigkeit gehört für uns auch, dass wir die Schülerbeförderung auch in der Sekundarstufe II und für die duale Ausbildung kostenfrei stellen. Auch damit entlasten wir die Familien.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich habe schon angesprochen, dass der Bereich, in dem die Landesregierung nicht in dem Maße liefert, in dem sie liefern müsste, der der Rechtsstaatlichkeit ist, die Durchsetzung von Recht und Gesetz zu jeder Zeit an jedem Ort. Da hat Niedersachsen noch Nachholbedarf.

Deshalb schlagen wir mit unseren Änderungsanträgen vor, dass wir 200 weitere Stellen für Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter schaffen und dass wir in der Summe zumindest auf die 50 notwendigen Stellen für die Richterinnen und Richter sowie für den Justizdienst mit den weiteren Diensten, die dazu bestehen, kommen; denn es ist doch alles andere als überzeugend, wenn Recht und Gesetz nicht durchgesetzt werden können. Das Vertrauen in die Institutionen und in diesen Staat wird weiterhin massiv leiden, wenn das nicht

gelingt. Das halten wir für eine zentrale Aufgabe der Politik, die wir machen wollen.

(Beifall bei der FDP)

Abschließend, meine Damen und Herren, geht es uns bei der Frage der Chancengerechtigkeit nicht nur um die Chancengerechtigkeit in der Gegenwart, sondern es geht uns insbesondere auch um die Chancengerechtigkeit für zukünftige Generationen; denn sie können sich ja heute hier nicht äußern. Deshalb stehen wir in der Verantwortung, diese zu gewährleisten. Deshalb spielt für uns auch in diesem Jahr ein geplanter Schuldenabbau eine zentrale Rolle, und nicht das, was CDU und SPD hier in Niedersachsen machen, nämlich ein Schuldenabbau nach Kassenlage. Wir wollen 200 Millionen Euro für den Abbau der über 60 Milliarden Euro hohen Schulden vorsehen, um endlich davon herunterzukommen und um den künftigen Generationen Spielräume zu erhalten, künftig auch selbstbestimmt und eigenverantwortlich Politik gestalten zu können.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir als Fraktion der Freien Demokraten stehen hier im Niedersächsischen Landtag für eine Politik, die individuelle Selbstbestimmung und gesellschaftlichen Zusammenhalt anstrebt. Wir trauen dem Einzelnen etwas zu, erwarten aber auch, dass jeder einzelne für sich und andere Verantwortung übernimmt. Wir sehen Vielfalt in jeder Hinsicht als Chance und Bereicherung, sehen uns aber auch in der Verantwortung, jeder und jedem - allen Unterschiedlichkeiten zum Trotz - Chancen gerecht zu eröffnen. Genau das ist der Rahmen, in dem sich unsere Haushaltsvorschläge bewegen und den wir mit unseren Haushaltsvorschlägen ausfüllen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. - Für die Regierungsfraktion der CDU der Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Dirk Toepffer. Bitte schön!

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fasse den Dank kurz: Dank an Hanne Modder, Frauke Heiligenstadt und die SPD-Fraktion! Die Koalition funktioniert. Die Haushaltsplanberatun

gen haben Spaß gemacht. Ich finde, wir haben das sehr gut hingekriegt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Gegenüber meinem haushaltspolitischen Sprecher kann ich meinen Dank am besten zum Ausdruck bringen, wenn ich mich kurzfasse und möglichst viel Redezeit für ihn übrig lasse. Ich will das versuchen.

Meine Damen und Herren, zu den betragsmäßigen Dimensionen des Landeshaushalts 2020 haben wir von Hanne Modder schon einiges gehört. In den nächsten Tagen werden wir uns mit einzelnen Vorhaben und Politikbereichen auch noch im Detail beschäftigen. So wenig ich das eine wiederholen möchte, so wenig möchte ich dem anderen vorgreifen.

Ich will mich an dieser Stelle vielmehr auf einige grundsätzliche Betrachtungen konzentrieren, auf die Geschichte, die dieser Haushalt erzählt, auf den politischen Willen, den er dokumentiert, und auf den roten Faden, der ihn durchzieht - auch wenn wir aus vorformulierten Pressemitteilungen der Opposition schon während der Vorstellung der politischen Liste erfahren haben, dass es all das gar nicht gebe.

Die politische Liste zum Haushaltsplanentwurf 2020 haben wir thematisch in vier Bereiche gegliedert: sicher in Niedersachsen, klimafreundlich in Niedersachsen, miteinander in Niedersachsen und Innovation in Niedersachsen. - Das Leitmotiv, das diese vier Bereiche auf ganz unterschiedliche Weise aufgreifen, ist eine der kritischen Aufgaben, denen sich Politik heute stellen muss, und deshalb ist das zentrale Anliegen des Haushalts 2020 gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Lieber Herr Birkner, Ihre Rede war das genaue Gegenteil davon. Sie war ein eindeutiges Beispiel dafür, wie man zur Spaltung der Gesellschaft beitragen kann.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)