Protokoll der Sitzung vom 29.01.2020

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung und erteile das Wort der Kollegin Bruns, FDP-Fraktion.

(Jens Nacke [CDU]: Das Thema ist bekannt?)

Ja, ich möchte es aus aktuellem Anlass noch einmal vorstellen.

(Jens Nacke [CDU]: Jetzt höre ich damit auch auf!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal danke ich den Fraktionen der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wie schon in der letzten Legislaturperiode setzt der Niedersächsische Landtag hier ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung. Das ist in dieser Zeit notwendiger denn je.

Das Bundeskriminalamt zählt einen Anstieg der Gewalttaten gegen LGBTI-Menschen. Auch ein Anstieg der Zahl der Sachbeschädigungen mit homophobem oder transfeindlichem Hintergrund ist zu verzeichnen. Das ist meiner Ansicht nach auf eine Verrohung der Sprache zurückzuführen, auf eine Verschiebung des Sagbaren.

Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass wir uns dieses Themas annehmen und deutlich Zeichen setzen, wie wir das sehen.

Die Blutspende muss diskriminierungsfrei gestaltet werden. Diskriminierung ist - das hat der Kollege Försterling letztes Mal gut ausgeführt -, wenn man sich eine Gruppe von Menschen herauspickt und diese anders behandelt als andere Menschen. Genau das findet hier statt.

Um es deutlich zu sagen - ich denke, ich kann das auch für die anderen Fraktionen tun -: Auch in der Diskussion im Ausschuss haben wir alle die Sicherheit für den Spendenempfänger als höchstes Gut angesehen. Im Ausschuss hat es eine sehr gute Unterrichtung zu diesem Thema gegeben. Ich möchte ein paar Punkte daraus zusammenfassen:

Erstens. Sprache bestimmt das Handeln. Die Formulierungen in der Richtlinie sind eindeutig diskriminierend. Sie gilt es dringend zu überarbeiten und zu verändern.

Zweitens. Bei der Unterrichtung des Ausschusses wurde klar, dass man die Formulierungen ändern und diskriminierungsfrei gestalten kann, ohne das angestrebte Ergebnis zu verändern. Das wird die Aufgabe sein. Die Sicherheit für den Empfänger kann somit garantiert werden.

Ich möchte aus der Richtlinie zitieren:

„Da sich … Transsexuelle, die eine vollständige Geschlechtsumwandlung anstreben, beruflich ausgegrenzt und gesellschaftlich diskriminiert fühlen, arbeiten viele als Prostituierte, um auf diese Weise nicht nur den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch die Operationskosten zu erwirtschaften. Zur Größenordnung dieser Gruppe liegen international keine Statistiken vor.“

Dazu kann ich nur sagen: völlig inakzeptabel!

Drittens. Fachleute sprechen davon, dass eine Wartezeit bis zur Blutspende von vier Monaten geboten sei. Diese Frist findet sich auch bei anderen Personen mit Risikoverhalten in der Richtlinie wieder. Nur bei Männern, die mit Männern Sex haben, sind zwölf Monate angegeben. Das ist natürlich eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Risikogruppen, eine Diskriminierung.

Zwölf Monate ohne Sex - dafür gibt es keinen fachlichen Grund. Diese Frist ist dringend an den gebotenen Zeitraum anzupassen.

Ich freue mich, dass wir wieder gemeinsam ein Zeichen setzen, und bedanke mich bei allen, die daran mitgearbeitet haben.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Für die CDUFraktion hat die Kollegin Petra Joumaah das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, wie wichtig ein ausreichender Vorrat an Blutkonserven ist, um im Notfall Leben retten zu können. Die Fakten sind uns bekannt: Täglich werden in Deutschland über 14 000 Blutspenden benötigt. 80 % aller Bundesbürger benötigen mindestens einmal in ihrem Leben eine Blutkonserve.

Wir stellen fest, dass es immer wieder zu Engpässen bei der Blutversorgung kommt. Insbesondere in den Sommer- und in den Ferienmonaten sind diese teilweise sehr massiv. Das liegt zum einen daran, dass lediglich 2 bis 3 % unserer Bevölkerung überhaupt bereit sind, Blut zu spenden. Zum anderen stellen wir aber auch fest, dass aufgrund des demografischen Wandels sogar mit einer weiteren Verknappung der Blutspenden gerechnet werden muss. Die Anzahl aktiver Blutspender, die altersbedingt oder wegen Erkrankungen ausscheiden - wir reden immerhin von 100 000 in jedem Jahr -, ist eben höher als die Anzahl der neu hinzugekommenen Spenderinnen und Spender.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, daher können wir es uns unter gar keinen Umständen erlauben, auch nur auf einen einzigen Spender zu verzichten. Deshalb müssen Regelungen, die die Zahl der potenziellen Spender unnötig begrenzen, überprüft bzw. geändert werden.

Eine davon ist die von der Bundesärztekammer und dem Paul-Ehrlich-Institut sowie dem Bundesgesundheitsministerium erlassene Richtlinie Hämotherapie. Sie sollte insoweit geändert werden, als natürlich nach wie vor strenge Kontrollen bei Blutspenden stattfinden müssen - sowohl alle nur möglichen labortechnischen Untersuchungen als auch Befragungen nach risikobehaftetem Sexualverhalten, nach häufig wechselnden Sexualpartnern oder ungeschütztem Sexualverkehr. Individuelles Risikoverhalten soll und muss selbstverständlich auch zukünftig zum Ausschluss von der Blutspende führen. Die Sicherheit der Patientinnen und Patienten, die eine Blutspende erhalten, hat natürlich immer oberste Priorität.

Wir benötigen also eine sichere medizinische Beurteilung bei der Gewinnung von Blut bzw. Blutbestandteilen. Und diese Beurteilung darf eben nicht von der sexuellen oder geschlechtlichen Identität abhängig gemacht werden.

Wir sagen: Strengste medizinische Kontrollen, um alle Risiken auszuschalten - ja! Diskriminierung potenzieller Blutspenderinnen und Blutspender aufgrund ihrer sexuellen bzw. geschlechtlichen Identität - nein! Zum einen, weil wir jeder Form von Diskriminierung entgegentreten müssen, zum anderen aber auch, weil wir keinen dieser Lebensretter verlieren dürfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Kollege Bothe das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Hier im Hause wird ja gerade inflationär mit Begrifflichkeiten umhergeworfen. Ich möchte an dieser Stelle meine Zeit dafür nutzen, mit der Legendenbildung aufzuräumen, dass die Spenderausschlusskriterien der Bundesärztekammer, aber auch des Paul-Ehrlich-Instituts diskriminierend seien.

Herr Kollege Försterling, Sie wurden eben schon einmal zitiert. Ich möchte Sie gern noch einmal zitieren. Sie sagten bei der letzten Beratung dieses Antrags:

„Diskriminierung ist, wenn man sich eine Gruppe Menschen heraussucht und anders behandelt als andere. Das ist diskriminierend, und das findet hier statt.“

Herr Försterling, das mag vielleicht Ihre „gefühlte“ Definition von Diskriminierung sein, aber zum Glück sind Ihre Gefühle noch nicht rechtsverbindlich.

Es ist auch hochgradig empörend, wenn Sie sich als Landtagsabgeordneter hier hinstellen und sagen, dass die Spenderausschlusskriterien dieser beiden Institutionen eine Diskriminierung seien, und damit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Ärztekammer, aber auch des PaulEhrlich-Instituts Homophobie unterstellen.

Ich möchte an dieser Stelle einmal die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zitieren, die Diskriminierung wie folgt definiert:

„Eine Diskriminierung im rechtlichen Sinne ist eine Ungleichbehandlung einer Person

aufgrund einer (oder mehrerer) rechtlich geschützter Diskriminierungskategorien ohne einen sachlichen Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigt.“

(Zuruf von den GRÜNEN: Genau!)

Die Spenderausschlusskriterien legen rechtliche Gründe fest, und somit sind sie nicht diskriminierend.

Wir als Politik müssen aufpassen, uns in Bereiche der Medizin einzumischen; denn hier geht es um Gesundheit, hier geht es um die Gesundheit vieler Menschen. Das ist ein wissenschaftlich-medizinischer Schwerpunkt. Dort hat die Politik nichts verloren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Meta Janssen- Kucz [GRÜNE]: Das läuft unter Dis- kriminierung und Stigmatisierung, was er gerade gemacht hat!)

Vielen Dank, Herr Kollege Bothe. - Auf den letzten Drücker: Kurzintervention vom Kollegen Försterling. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bothe, ich will noch einmal versuchen, Ihnen das zu erklären.

Es wird eben schon ein Unterschied gemacht, und zwar - das hat die Kollegin Bruns gesagt - zwischen nicht heterosexuellen Männern und dem Rest der Spender, auch dem Rest der Spender mit Risikofaktoren. Hier gibt es nämlich nur eine Ausschlussfrist von vier Monaten.

Warum gibt es dort eine Ausschlussfrist von vier Monaten? - Weil nach vier Monaten in den gängigen Tests, die mit jeder Blutkonserve gemacht werden, entsprechende Infektionskrankheiten im Blut festgestellt werden können.

Es gibt aber überhaupt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass beispielsweise in meinem Blut erst zwischen dem vierten und dem zwölften Monat Infektionskrankheiten feststellbar wären, weil ich homosexuell bin. Dafür gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg, und genau das ist die Diskriminierung. Ich akzeptiere, wenn Risikogruppen für vier Monate ausgeschlossen werden. Aber was ich nicht akzeptieren kann, ist, dass es für eine Gruppe eine Zwölfmonatsfrist gibt und für die andere

eine Viermonatsfrist. Mein Blut ist nicht anders als das von allen anderen!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Herr Kollege Bothe, bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Försterling, Sie machen es schon wieder. Sie legen Ihre eigene Gefühlswelt dar.