Protokoll der Sitzung vom 29.01.2020

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU)

Danke sehr, Frau Dr. Lesemann. - Das Wort erhält nun Frau Susanne Schütz für die FDP-Fraktion.

Danke. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was machen Hochschulen? Sie haben von alters her zwei Aufgaben gehabt: Forschung und Lehre. Wissenschaftler forschen zu gesellschaftlichen, technischen oder naturwissenschaftlichen Problemen. Sie suchen Lösungen für Probleme der Gegenwart und für die Zukunft, und sie suchen nach Antworten in unserer Vergangenheit. Dieses Wissen teilen sie dem akademischen Nachwuchs durch ihren Lehrauftrag mit.

Es gibt aber eine dritte Aufgabe, die Third Mission. Hochschulen sind eben keine Elfenbeintürme - das Bild hat Frau Dr. Lesemann schon genannt -, wie ihnen manchmal unterstellt wird. Wissenschaftler krabbeln nicht in ein Labor, machen die Tür zu und irgendwann zischt und knallt es gewaltig, und dann ist die Erfindung gemacht. Nein, so funktioniert es nicht.

Ihre Aufgaben entnehmen die Hochschulen der Welt um sie herum. Ihre Lösungsvorschläge sind für die Welt um sie herum. Um diese Verbindung in die Gesellschaft und auch die Wirtschaft geht es in diesem Antrag. Das ist in den Augen der Freien Demokraten eine wichtige Aufgabe der Hochschulen, die zu Recht längst im Hochschulgesetz verankert ist, auch wenn wir in den Beratungen feststellen mussten, dass das noch nicht bei allen hier im Hause angekommen war.

Wie sieht der Kontakt der Hochschulen mit der Welt um sie herum aus? In dieser Welt gibt es Firmen. Diese machen Entwicklungen und Erfindungen und das dann in Zusammenarbeit mit den Hochschulen. Beide profitieren dabei gegenseitig von ihren Erfahrungen. Arbeitsplätze werden gesichert und geschaffen. Studenten und Professoren von Hochschulen gründen vielleicht selber Firmen. Das gehört zur Third Mission.

In dieser Welt gibt es Kinder vom Vorschulalter bis zum Schulabschluss mindestens, die neugierig sind und denen man die Welt nahebringen muss. Das tun Hochschulen in Formaten, die Frau Dr. Lesemann bereits aufgezählt hat, wie in Häusern der Wissenschaft, in der Kinderuni, in Kooperation mit Schulen. Das gehört zur Third Mission.

In dieser Welt gibt es eine interessierte Öffentlichkeit: Menschen, die bis ins hohe Alter ihr Wissen und ihren Horizont erweitern wollen. Auch für sie bieten die Hochschulen Formate. Diese bilden sich privat weiter, genauso wie Hochschulen zuneh

mend die berufliche Weiterbildung ausbauen. Auch das gehört zur Third Mission.

Der Antrag listet eine Vielzahl von Aspekten auf und hat zu Recht bewirkt, dass wir uns mit dem Thema auch in einer ausführlichen Anhörung näher beschäftigten.

Die Freien Demokraten sehen in diesen Bereichen durchaus noch Luft nach oben: Wir sehen Bedarf bei der Unterstützung von Ausgründungen. Vom Geist des Entrepreneurships könnte in den Hochschulen oft noch mehr herumwehen. Mehr Möglichkeiten sollten auch bestehen für Beteiligungen der Hochschulen an Ausgründungen - genauso wie die Möglichkeiten der einzelnen Wissenschaftler, etwas auf die Beine zu stellen, ausgeweitet werden sollten.

Weiterbildung, besonders berufliche Weiterbildung - für Hochschulabsolventen wie für Menschen mit beruflicher Erfahrung -, wird angesichts des Strukturwandels durch die Digitalisierung an Bedeutung zunehmen. Die Hochschulen brauchen deutlich mehr Unterstützung beim Aufbau der Angebote, um diese Herausforderungen auch annehmen zu können. Gerade digitale Unterrichtsformate werden in diesem Zusammenhang wichtiger. Dafür müssen sie auch ausgerüstet sein.

Natürlich kann man immer noch mehr fordern, was alles im Antrag noch hätte stehen können.

Die Enthaltung im Ausschuss war der kurzfristigen Vorlage der geänderten letzten Version geschuldet. Daran mögen die Regierungsparteien doch bitte noch arbeiten; das war etwas unerfreulich.

Uns bricht kein Zacken aus der nicht vorhandenen Krone, wenn wir anerkennen, dass der Antrag in die richtige Richtung geht. Also wird die FDPFraktion jetzt auch zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und CDU)

Danke schön, Frau Schütz. - Für die AfD-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Rykena.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag gibt vor, den Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Wirtschaft fördern zu wollen. Schaut man jedoch genauer hin, findet sich schon im Titel das verräterische Wort „Gesellschaft“. Sie haben als Grundla

ge für die neue Initiative das Instrument der Third Mission gewählt, einer Erfindung der EU. Das ist schade, denn sicherlich sinnvolle Maßnahmen zur Förderung des Technologietransfers wären auch mit anderen Mitteln umsetzbar gewesen. Der Antrag selbst illustriert dies auch, da hier in den Punkten 2 bis 6 dazu bereits laufende Maßnahmen begrüßt werden.

Die Third Mission jedoch, die dritte Säule der Hochschulen neben Forschung und Lehre, ist höchst zweifelhaft. Sie ist schwammig definiert und bietet sich damit als Einfallstor für beunruhigende undemokratische Entwicklungen an. Das sieht man auch im MWK so; ich zitiere aus der Unterrichtung vom 2. September 2019:

„Der Begriff der ‚Third Mission‘ wird vielfach verwendet, ist bislang aber nicht eindeutig definiert. Es ist weder genau spezifiziert, welche Aktivitäten umfasst werden, noch wie die Grenze zu den ersten beiden Missionen der Hochschulen - nämlich Forschung und Lehre - verlaufen.“

Hier zeigen sich auch die Hauptprobleme des Antrags. Es wird vorgegeben, es gehe hauptsächlich um Wissenstransfer, Technologien und Produktionsverfahren. Tatsächlich bezieht sich die Third Mission aber auch stark auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse. Auch im Antrag werden diese Bereiche bunt durcheinandergemischt.

Des Weiteren wird die Installation einer dritten Säule das Aufgabenspektrum der Hochschulen massiv erweitern. Frage: Werden auch die Mittel der Hochschulen massiv erweitert - sagen wir: um 50 % -, damit zukünftig drei statt nur zwei Säulen adäquat bedient werden können? Oder müssen die Universitäten die Gelder bei Forschung und Lehre abknapsen?

Und schauen wir uns einmal das Berufsbild des Professors an! Bisher war er Forscher - eigentlich sein Hauptziel - und Hochschullehrer, also Pädagoge für qualifizierte Studenten. Nun kommt neu hinzu: Lehrer, Pädagoge für unqualifizierte Personen bis hinunter zu Grundschülern, Wissenschaftsjournalist für interessierte Laien, Entertainer für oberflächlich interessierte Nichtfachleute, Unternehmensgründer, Kampagnenorganisator und

Werbefachmann. Aus Spezialisten sollen nun also in verstärktem Maße Zehnkämpfer werden. Zehnkämpfer gelten zwar allgemein als die Könige der Athleten, dennoch können sie bekanntermaßen nie die Leistung der Spezialisten erreichen. Dass sich das mit internationaler Spitzenforschung verträgt,

die wir hier in Deutschland so dringend benötigen, wage ich zu bezweifeln. Letztendlich wird es den Trend zur Auslagerung der Spitzenforschung an außeruniversitäre Institute verstärken. Die Hochschulen werden damit zu zweitklassigen Forschungsanstalten. Der dort angesiedelten Wissenschaft wird mit diesem Antrag ein Bärendienst erwiesen.

Die AfD wird diesem Antrag nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke, Herr Rykena. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich die Kollegin Eva Viehoff zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Wortbeitrag von Herrn Rykena hat noch einmal sehr deutlich gezeigt: Wenn es um gesellschaftliche Veränderungen geht, ist das Angstpotenzial bei der AfD sehr, sehr hoch. Allerdings forschen unsere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an den Hochschulen und Universitäten genau für die Gesellschaft, und zwar nicht nur, weil sie Professor oder sogar Professorin sind. Und sehr wohl ist das Thema Third Mission an unseren Hochschulen und Universitäten angekommen.

Mit dem hier vorliegenden Antrag wird im Landtag versucht, dieses Thema - Wissen und Forschung für die Gesellschaft verfügbar zu machen und Impulse in die außeruniversitäre Welt zu setzen - aufzunehmen und als dritte Säule in den Hochschulen zu verankern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Insoweit ist der Antrag auch sinnvoll, weil das Thema tatsächlich notwendig und wichtig ist.

Für uns als Grüne ist aber der Fokus - so verstehen wir den Antrag - sehr stark im Bereich des Technologietransfers und der technischen Umsetzung verhaftet. Wir sehen die Third Mission tatsächlich viel stärker im Bereich des Diskurses in die Gesellschaft hinein, um zusammen mit der Zivilgesellschaft Forschung verständlich darzulegen und endlich davon wegzukommen, dass belegte - evidenzbasierte - wissenschaftliche Ergebnisse gegen die sogenannten alternativen Fakten gestellt werden. Wir haben in diesem Hause ausreichend Menschen, die das eine oder andere an

wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht anerkennen und hier deutlich machen, dass sie der Wissenschaft nicht glauben. Von daher verstehe ich nicht, dass sich Herr Rykena hier so ereifert, wo er doch meint, dass man das gesellschaftlich nicht diskutieren dürfe.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Dazu möchte ich kurz Paracelsus zitieren: Die Dosis macht das Gift. - Vielleicht sollte die AfD sich das einmal zu Herzen nehmen.

Kurz gesagt: Wir wollen viel stärker in den Bereich der wissenschaftlichen Kommunikation eintreten - in beide Richtungen: Ergebnisse erklären, aber auch zuhören -, in Forschungskonzeptionen Argumente einbringen, aber auch in der Zivilgesellschaft bestehende Konzeptionen einfließen lassen. So wird man schnell erkennen, dass Third Mission eben nicht ausschließlich Technologie- und Wissenstransfer zur Schaffung von Arbeitsplätzen ist.

Bei all den bekannten gesellschaftlichen Entwicklungen muss gerade auch der Dialog eine größere Rolle spielen. Für unsere Hochschulen in Niedersachsen ist es auch notwendig, dass sie diese Baustelle mit anderen bearbeiten können. Aber - das ist auch klar - dazu bedarf es nicht nur eines Appells, sondern auch zusätzlichen Geldes. Wenn man sich dann einmal ansieht, was im letzten Plenum - bezogen auf die globale Minderausgabe der Hochschulen - beschlossen worden ist, dann wird klar, dass es hier bei den Hochschulen rumort. Wir haben keinen wirklichen Ausblick, was an Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in den Hochschulen dringend gebraucht werden, kurzfristig umgesetzt werden wird. Unter diesen Voraussetzungen ist Third Mission eben ein Thema, das in der Realität zwischen maroder Infrastruktur, Mittelknappheit im Personalbereich und trotz des Willens der Hochschulen in absehbarer Zeit hinter den Möglichkeiten, die in der Third Mission liegen, zurückbleiben wird.

Mit diesem für die Hochschulen beschlossenen Sparpaket und ohne zusätzliche Mittel bleibt der vorliegende Antrag ein Appell. Das reicht uns tatsächlich nicht aus, und deshalb werden wir uns hier und heute enthalten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Kollegin Viehoff. - Abschließend hat sich der Wissenschaftsminister, Herr Björn Thümler, zu Wort gemeldet.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Herr Sparkommissar!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag zur Third Mission ist mit seinen Facetten gerade von Frau Lesemann und Herrn Hillmer noch einmal ausreichend dargestellt worden. Ich will auf einige Punkte eingehen:

Das eine ist - Frau Viehoff hat es gerade noch einmal angesprochen -: Natürlich geben wir Geld für Third Mission aus, und das nicht zu knapp. Sie wissen, dass wir eine Ausschreibung zum Transfer in Niedersachsen gemacht haben. 12,4 Millionen Euro sind dafür an die Hochschulen verlagert worden, die diesen Wettbewerb gewonnen haben. Das heißt, in Verbünden sind jetzt alle Regionen Niedersachsens in diesen Transfergedanken aufgenommen worden und, wie wir in ersten Ansätzen beobachten, auch sehr erfolgreich.

Das Zweite ist, dass in den Zielvereinbarungen von 2019 bis 2021 - das wurde angesprochen - die Third Mission jetzt erstmals nicht nur ein Bestandteil ist, sondern dass sich die Hochschulen selbst verpflichtet haben, diesen Teil mit Leben zu erfüllen, also eigene Zielsetzungen und weitere Dinge zu erreichen.

Das Dritte ist, dass wir 25 Millionen Euro für die Gründung und Förderung des Zentrums für digitale Innovation in Niedersachsen zur Verfügung stellen, dass hier sechs Zukunftslabore gegründet werden, um genau das zu tun, was Third Mission soll, nämlich an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft die Dinge miteinander zu verkoppeln und in den sechs Zukunftsfeldern, die für uns in Niedersachsen wichtig sind, auch mit Leben zu erfüllen.