Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion um einen zusätzlichen Feiertag wird zurzeit in Niedersachsen ja mit besonderer Intensität geführt. Aber nicht nur Niedersachsen, auch andere Bundesländer - Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein - denken darüber nach, einen zusätzlichen Feiertag einzuführen.
Der Hintergrund, warum sich die Koalition aus SPD und CDU in ihrem Koalitionsvertrag weitgehend darauf verständigt hat, dass es einen solchen Feiertag geben soll - Sie haben es gerade zitiert, Herr Kollege Birkner -, ist, dass Niedersachsen bzw. ganz Norddeutschland deutlich weniger Feiertage hat als beispielsweise die südlichen Bundesländer. Wir haben 9 gesetzliche Feiertage. Bayern - das ja immer gerne als Beispiel angeführt wird - hat 12 oder 13; je nachdem, ob die jeweilige Region katholisch geprägt ist, ist Maria Himmelfahrt ein Feiertag. Die Stadt Augsburg hat sogar einen 14. Feiertag. Aber auch Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen liegen mit 11 Feiertagen deutlich vor Niedersachsen.
Und das empfinden die Menschen in Niedersachsen als ungerecht. Das haben sie uns auch sehr deutlich gesagt, und das werden sie auch Ihnen sehr deutlich gesagt haben: Sie empfinden es als ungerecht, dass Menschen in anderen Bundesländern mehr Feiertage haben als die Niedersachsen.
Das ist der Hintergrund, warum sich die Koalitionspartner darauf verständigt haben, dem Gedanken näherzutreten, einen zusätzlichen Feiertag in Niedersachsen einzurichten.
Dann kommt die Frage: Welcher Tag ist der richtige für den Feiertag? - Hierbei ist insbesondere der Reformationstag in den Blick geraten. Ich will an dieser Stelle sagen: Man darf hierbei durchaus auch ein klein wenig Pragmatismus an den Tag legen. Sie haben gerade gesagt, die CDU eiert rum. Das finde ich interessant: Immer dann, wenn in den politischen Parteien ein Diskussionsprozess über den richtigen Weg stattfindet, ist das plötzlich ein Rumeiern. - Nein! Das ist eine wichtige Debatte, die im ganzen Land geführt wird. Es gibt sehr viele unterschiedliche Vorschläge. Ihrer war gerade, einen weltlichen Feiertag oder doch keinen Feiertag zu nehmen - da waren Sie sich auch nicht ganz einig; vielleicht können Sie noch konkret werden, in welche Richtung es Ihrer Meinung nach gehen soll.
Wenn man ein bisschen Pragmatismus an den Tag legt, wird man feststellen, dass von den neun Feiertagen in Niedersachsen - abgesehen vom Neujahrstag - fünf im ersten Halbjahr und drei im zweiten Halbjahr liegen. Das könnte dafür sprechen, sich für einen Feiertag im zweiten Halbjahr zu entscheiden.
Wenn man überlegt, ob es nicht sinnvoll wäre, dass Niedersachsen einen Feiertag wählt, der bereits in anderen Bundesländern besteht, sodass es eine Deckungsgleichheit oder zumindest - wofür wir als CDU-Fraktion sehr intensiv plädieren - eine gemeinsame norddeutsche Lösung gibt,
dann könnte man möglicherweise als Erstes auf den Fronleichnamstag kommen, der ja in acht Ländern frei ist. Aber den Vorschlag, einen zusätzlichen, eher katholisch geprägten Feiertag in Niedersachsen einzuführen, habe jedenfalls ich bislang noch nicht gehört. Als Nächstes käme dann der Reformationstag, der bereits jetzt in fünf Ländern frei ist. Auch das wird in den Ländern, die ich Ihnen eben genannt habe, sehr intensiv diskutiert.
Der Reformationstag wird jetzt auch noch einmal von der Wirtschaft angesprochen, die vorgeschlagen hat, dass ein zusätzlicher Feiertag möglicherweise von den Arbeitnehmern finanziert werden soll. Ich glaube aber nicht, dass wir diesem Gedanken wirklich nähertreten sollen. Auch Sie, Herr
Birkner, machen den Fehler zu sagen, das geht doch nur die Sozialpartner etwas an. Nein! Ein gesetzlicher Feiertag ist nicht nur ein freier Tag für Arbeitnehmer. Ein gesetzlicher Feiertag ist ein freier Tag für alle Menschen im Lande, ein Tag, an dem die Geschäfte geschlossen werden, ein Tag des Gedenkens.
Und insofern ist die Diskussion, ob der Reformationstag der geeignete Tag ist, auch richtig und vernünftig.
Ich sage das jetzt einmal für mich ganz persönlich, weil der Diskussionsprozess innerhalb der CDUFraktion - Sie haben das völlig richtig beschrieben - noch nicht abgeschlossen ist: Ich habe zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags und der Reformation sehr intensive Diskussionen und sehr spannende Auseinandersetzungen erlebt. Ich empfinde es nach wie vor als richtig, dass wir uns im vergangenen Jahr in diesem Landtag entschieden haben, den Reformationstag als einen gesetzlichen Feiertag einzurichten, zunächst einmalig.
Vor diesem Hintergrund möchte ich - wenn Sie mir das noch gestatten, Frau Präsidentin - ein Zitat aus dem Kommentar „Die Reformation feiern“ von Daniel Deckers bringen, der am 16. Januar 2018 in der FAZ veröffentlicht wurde:
„Sicher war die Reformation zunächst ein kirchliches Ereignis, aber eines mit politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Folgen von weltgeschichtlicher Dimension. Kein Geschehen hat die deutsche Nationalgeschichte über fünf Jahrhunderte hinweg im Guten wie im Bösen so geprägt wie jenes, das am 31. Oktober 1517 seinen Ausgang nahm. Keine Spannungslinien sind so tief in die Geschichte des neuzeitlichen Europas eingewoben wie die zwischen Religionen und Konfessionen. Und keine Dynamik hat neben der im 15. Jahrhundert eingesetzten europäischen Expansion den Lauf der Weltgeschichte so bestimmt wie die Abfolge der Reformation und Reformen, die im 16. Jahrhundert ihren Ausgang nahmen.“
Der Reformationstag ist kein Luther-Gedenktag. Der Reformationstag ist ein Tag, der die Geschichte des Kontinents Europa nachhaltig verändert und geprägt hat. Es lohnt sich, über diesen Tag nachzudenken.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Nacke, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Sie haben meine halbe Rede gehalten; das ist wunderbar. Ich teile Ihre Ansichten. Es sind ganz viele Wahrheiten gewesen, die sie gerade gesagt haben. Das ist eben Teil der Diskussion, die wir auch hier führen, ob der Reformationstag ein geeigneter Feiertag wäre.
Herr Birkner, der interreligiöse Dialog ist, glaube ich, eine ganz wichtige Sache. Das werden Sie nicht bestreiten, und darüber herrscht wahrscheinlich auch Einigkeit im ganzen Haus. Ich glaube auch nicht, dass Herr Weil - jetzt muss ich einmal zu seiner Verteidigung eilen, obwohl ich sicherlich nicht dazu berufen bin - da jemandem etwas vorschreiben wollte. Ich denke, er hat einfach darauf hingewiesen, dass man das doch damit verbinden könnte - und ich glaube, zu Recht. Denn wenn man sich anschaut, wie die evangelische Kirche gerade mit den judenfeindlichen Äußerungen Luthers umgeht und wie viel Forschung dort betrieben wird, welche Diskussionen dort geführt werden, erkennt man, dass dort bereits eine hochintensive Auseinandersetzung erfolgt. Ich glaube nicht, dass diese Auseinandersetzung durch die Einführung eines Reformationstages behindert würde.
Meine Damen und Herren, es gab im Vorfeld zu diesem Reformationstagsvorschlag auch weitere Kritik. Wir haben das schon gehört. Es gab beispielsweise Kritik von der katholischen Kirche. Da sagte etwa der Leiter des Katholischen Büros Niedersachsen, Prälat Felix Bernard, in der Hannoverschen Allgemeinen vom 4. Januar dieses Jahres sinngemäß, der Reformationstag sei nun einmal ein Tag, mit dem nicht alle christlichen Kirchen etwas anfangen könnten. - Das mag sein. Aber das Verhältnis von evangelischen Christen zu katholischen Christen in Niedersachsen entspricht
ungefähr dem in Bayern - nur umgekehrt. Ich bin mir sicher, die evangelische Kirche in Bayern kann mit Mariä Himmelfahrt auch nicht viel anfangen, und das sorgt dort auch nicht für Aufregung.
Dann gab es selbstverständlich ernstzunehmende Kritik der jüdischen Gemeinden an der Einführung eines Reformationstages. Die Kritik entzündet sich an der Person Martin Luthers, der sich bekanntlich auch überaus judenfeindlich geäußert hat. Man kann die jüdischen Gemeinden hier sehr wohl verstehen. Und natürlich ist die Reformation untrennbar mit dem Namen Luthers verbunden. Allerdings - auch das haben wir schon gehört, und auch das halte ich für richtig - steht sie für viel mehr als nur für den Namen Luthers.
Ein Reformationstag ist kein Martin-Luther-Gedenktag. Die Reformation steht auch nicht nur für eine neue Richtung im Christentum. Die Reformation ist eben auch die Basis von gesellschaftlichen Entwicklungen, die bis heute nachwirken. Nicht nur wurde die christliche Kirche hierdurch letztlich zu einer Toleranz gezwungen, die vorher völlig undenkbar war, auch vieles, was uns heute selbstverständlich ist, geht auf die Reformation zurück wie beispielsweise die Trennung von Staat und Kirche und die Förderung des Bildungswesens. Erinnern wir uns daran: Die Reformatoren wollten, dass jeder die Bibel lesen kann. Deswegen gab es einen Boom - so würde man heute sagen - im Schulwesen. Die Freiheit von Kunst und Wissenschaft und vieles, vieles andere, das uns heute völlig selbstverständlich ist, gehen auf die Reformation zurück.
Die Reformation, meine Damen und Herren, ist eines der Fundamente unserer Gesellschaft. Sie ist auch einer der großen Wendepunkte in der Geschichte des Abendlandes mit einer Wirkung, die den reinen Glaubensbereich weit übersteigt. Und weil das so ist und weil man sich bei Feiertagen auch der wichtigen Dinge erinnern soll - wie z. B. beim Tag der deutschen Einheit -, können wir von der AfD-Fraktion uns einen Feiertag Reformationstag gut vorstellen.
Vielen Dank, Herr Kollege Wichmann. - Es folgt nun als nächster Redner Herr Kollege Watermann, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich gelesen habe, dass die FDPFraktion dieses Thema in einer Aktuellen Stunde behandeln will, habe ich mich gefragt, was der Hintergrund ist: ob sie wirklich darüber diskutieren will, welcher Feiertag es sein soll, oder ob es ihr nicht doch darum geht, noch einmal zu dokumentieren, dass man gegen einen weiteren Feiertag ist, weil man der Meinung ist, dass die Arbeitgeber zu sehr belastet werden.
(Beifall bei der SPD - Christian Grascha [FDP]: Es sollte dokumentiert werden, wie schlecht der Ministerprä- sident ist!)
Herr Birkner hat es dann deutlich gemacht, indem er die Meinungsfreiheit für den Ministerpräsidenten ein wenig infrage gestellt hat.
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Kritik ist doch kein Angriff auf die Meinungs- freiheit! Majestätsbeleidigung?)
Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Der Ministerpräsident kann genauso gut Vorschläge machen wie Sie. Sie haben im Prinzip verklausuliert deutlich gemacht, dass Sie keine ausgewogene Situation in Deutschland wollen.
Wir haben - das hat der Kollege Nacke ganz deutlich gemacht - zu wenige Feiertage im Verhältnis zum Süden. Deshalb, finde ich, ist es ein legitimes Recht, darüber nachzudenken, wie man einen Ausgleich herstellt, und es ein legitimes Recht, zu gucken, dass man in Norddeutschland einen gemeinsamen Vorschlag entwickelt. Deshalb finde ich die Vorschläge gut.
Aber ich finde es auch in Ordnung, dass wir ganz unterschiedliche Herangehensweisen dafür haben, ob es ein weltlicher oder religiöser Feiertag sein soll und, wenn es ein religiöser sein soll, welcher es sein soll.
Das ist ein sehr sensibles Thema. Deshalb sind wir in einem Abwägungsprozess, auch bei uns in der SPD-Fraktion. Allerdings erwägen wir nicht, dass es keinen neuen Feiertag geben soll, wie es die FDP-Fraktion anscheinend will.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Nacke hat deutlich gemacht, dass wir uns noch einmal über den Reformationstag unterhalten
müssen, wenn er so belastet sein soll. Dann muss man - das sage ich als jemand, der katholisch ist - vielleicht noch ein bisschen hingucken. Die Reformation hat die Entwicklung aller Glaubensgemeinschaften beeinflusst. Die Reformation war nicht nur Martin Luther, sondern wesentlich mehr. Ich finde, man kann diesem Feiertag durchaus nähertreten. Aber man kann auch zu anderen Überzeugungen kommen. Das will ich durchaus einräumen. Auch diese Diskussion gibt es bei uns.
Ich finde erstens, dass wir dieses Thema emotional vielleicht nicht ganz so hoch hängen sollten. Zweitens finde ich, dass wir in den Fraktionen und im Parlament noch einmal darüber diskutieren sollten, welcher Feiertag es denn sein sollte.
Ich sage ganz deutlich: Zu einer Betrachtung der Vergangenheit gehört immer auch dazu, den damaligen Zeitgeist in die Überlegungen mit einzubeziehen. Ich persönlich könnte mit dem Reformationstag gut leben. Ich finde, er ist gut begründbar. Wir haben ihn immerhin im letzten Jahr zu einem Feiertag erhoben.
Aber auch jede andere Lösung ist sicherlich denkbar. Nur dass wir wegen der Arbeitgeber gar keinen Feiertag machen - was die FDP eigentlich will -, das geht gar nicht, finde ich.
Vielen Dank, Herr Kollege Watermann. - Nächster Redner ist nun Herr Kollege Limburg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.