Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine beiden Vorrednerinnen haben über die dramatische Entwicklung der Organspendezahlen in den letzten Jahren gesprochen. Es kann nicht sein, dass wir heute die schlechtesten Organspendezahlen seit etwa zwei Jahrzehnten haben. Nur etwa ein Drittel aller, die betroffen sind, gerade im Bereich der Niere, werden überhaupt die Möglichkeit haben, ein Spenderorgan zu bekommen, und das nicht nur in der Bundesrepublik, sondern europaweit, in den Staaten, die Eurotransplant angeschlossen sind.

Bei solchen Zahlen gibt es immer einmal wieder den Ruf nach der sogenannten Widerspruchslösung. Diese gibt es in vielen europäischen Ländern. Aber sie ist ein tiefer Einschnitt in die Selbstbestimmtheit des Einzelnen und auch in die Rechte der Angehörigen und daher ethisch höchst umstritten. Wir sind und bleiben der Auffassung, dass die Selbstbestimmtheit in diesem Fall beibehalten werden muss und sowohl die Patienten als auch die Angehörigen selbst bestimmen müssen, ob sie bereit sind, eine Organspende zu leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus den Untersuchungen und Befragungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wissen wir, dass es eigentlich eine relativ große Bereitschaft zur Organspende gibt. Vier von fünf Bundesbürgern erklären, dass sie bereit wären, Organe zu spenden. Drei von vier Bundesbürgern erklären, dass sie bereit wären, ein oder sogar mehrere Organe zu spenden.

Ein Problem ist sicherlich, dass die potenziellen Spender, Angehörige, aber auch Ärzte dieses Thema vielfach meiden oder vielleicht auch in Gesprächen einfach nicht daran denken. Dort verpassen wir Riesenchancen, um mehr Leben hier in der Bundesrepublik zu retten.

Die größte Problemgruppe sind für mich allerdings diejenigen, die noch unentschieden sind, diejenigen, die ihren Willen bisher nicht dokumentiert haben. Knapp die Hälfte dieser Gruppe äußert sich bei dem Thema so, dass sie sich einfach noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben.

Dazu kommt, dass etwa 50 % derjenigen, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben und die auch wissen, was sie wollen, dies weder mit einem Organspendeausweis noch in einer Patientenverfügung dokumentiert haben.

Darüber hinaus scheint es aber auch eine große Unwissenheit beim Thema Organspende zu geben. Fast die Hälfte der Befragten gibt an, dass sie über das Thema weniger gut bis sehr schlecht informiert sind. Gerade vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Was können wir gemeinsam tun?

In vielen Bereichen fehlt, glaube ich, das Bewusstsein für die Organspende. So gibt es seit der Gesetzesreform 2012 in vielen Krankenhäusern Transplantationsbeauftragte; Frau Janssen-Kucz hat es angesprochen. Jeder Arzt sollte eigentlich diesen Beauftragten dazurufen, wenn man sieht, dass ein Patient im Sterben liegt, und man mit diesem Patienten oder seinen Angehörigen über das Lebensende spricht. Dies passiert heute vielfach zu selten, da die Transplantationsbeauftragten nur im Nebenjob arbeiten.

Die Zahlen von Bayern sind von Frau JanssenKucz angesprochen worden. Ich glaube, dass das ein Weg ist, den wir bei der Novellierung des Transplantationsausführungsgesetzes gehen sollten. Ich glaube, es würde sich lohnen zu sagen, dass die Transplantationsbeauftragten für diese Aufgabe freigestellt werden.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Darüber hinaus müssen wir gerade bei unentschlossenen Bürgerinnen und Bürgern für die Organspende werben und sie auch aufklären. Die Angst vor missbräuchlichem Organhandel, vor ungerechten oder vielleicht auch schlecht funktionierenden Systemen müssen wir unseren Bürgerinnen und Bürgern nehmen.

Wir alle - Kliniken, Ärzte, Krankenkassen und Politik - sollten ein gemeinsames Bewusstsein entwickeln und auch eine Vorbildfunktion für die Organspende in unserem Land übernehmen. Gerade die Krankenkassen haben hier in den vergangenen Jahren eine Menge getan. Aber die aktuellen Zahlen zeigen, dass wir noch deutlich mehr tun bzw. es vielleicht auch anders machen müssen.

Lassen Sie uns gemeinsam - nicht nur heute, sondern immer wieder - für die Organspende werben und damit Menschenleben retten!

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Das Wort hat nun für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Bruns.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinen ersten Organspendeausweis habe ich 1985 von meiner Mutter zu meinem Motorradführerschein bekommen, den ich damals erworben habe. Ich bin also sehr früh für dieses Thema sensibilisiert worden.

(Heiterkeit - Zuruf)

- Es sollte wahrscheinlich eher dazu führen, dass ich vorsichtig und langsam fahre. Das hat auch gut geklappt.

Was ich damit sagen will: Wenn man das Glück hat, in einer Familie aufzuwachsen, die über solche Themen schon immer ganz offen gesprochen hat, dann hat man das Ganze schon in jungen Jahren verinnerlicht und macht auch selbst Werbung dafür.

Ich habe auch die andere Seite kennengelernt. Als meine Mutter in der Medizinischen Hochschule verstorben ist, wurde gefragt: Ist Ihre Mutter Organspenderin? - Damals durften die Angehörigen noch darüber entscheiden. Meine Mutter wollte das unbedingt. Aber für meinen Vater war es eine ganz grauenhafte Vorstellung, Organe entnehmen zu lassen, zumal es auch keine wirkliche Beratung gab. Er ist quasi zwischen Tür und Angel gefragt worden: Können Sie sich das vorstellen? - Für ihn ging aber gerade sein Leben unter. In solchen Situationen sind solche Entscheidungen gar nicht zu fällen.

Da kann man schön an das Thema Transplantationsbeauftragte anschließen. Wenn damals jemand da gewesen wäre, der in Ruhe und frei von jedem Zeitdruck hätte beraten können und sich in Ruhe mit den Angehörigen zurückgezogen hätte, wäre die Entscheidung bestimmt eine andere gewesen.

Deswegen teile ich die Auffassungen, die auch meine Vorredner schon vorgebracht haben, nämlich dass wir die Transplantationsbeauftragten unbedingt von sämtlichen anderen Aufgaben entbinden sollten und dass wir das in dem neuen Ausführungsgesetz beachten müssen.

Die Zahlen sind schon mehrfach genannt worden. In Bayern steigt plötzlich die Bereitschaft, nämlich um 18 %, während die anderen Bundesländer um

9,5 % verloren haben. Das ist ein deutliches Zeichen.

Meta Janssen-Kucz hat gesagt: Jeder Dritte hat schon einen Organspendeausweis. - Das heißt, wir sollten weiterhin Werbung machen und vielleicht auch an Schulen mehr darüber aufklären, dass wir dies brauchen. Aber für mich liegt erst einmal der Hase bei den Transplantationsbeauftragten im Pfeffer.

Aber das entbindet uns nicht von der Pflicht, weiterhin über die Organspende aufzuklären. Nach all den Skandalen, die stattgefunden haben, ist es, finde ich, noch schwerer erträglich, Menschen um eine Organspende zu bitten. Denn wenn mit Organen Geld verdient wird, kann man von den Menschen nicht mehr eine gute Spendenbereitschaft erwarten.

Aufklärung tut not. Warum soll das nicht auch an den Schulen gemacht werden? Warum kann nicht im Ethikunterricht und auch in anderen Fächern darüber berichtet werden, wie wir mit der Organspende umgehen und dass wir damit Leben retten? - Ich finde, das kann man in dieser Gesellschaft ganz offen thematisieren.

Wenn wir an diesen beiden Strängen ziehen, sind wir, so denke ich, auf einem guten Weg. Wir hoffen jetzt, dass das Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz kommt und dass wir in Ruhe darüber beraten können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Das Wort für die AfD-Fraktion hat nun Herr Kollege Bothe. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben viele richtige Dinge gesagt. In Deutschland warten viele sehr kranke Menschen, insbesondere im Bereich der Nierenerkrankungen, auf Spenderorgane. Dass wir in Deutschland eine höhere Spendenbereitschaft brauchen, ist unbestritten. Aber man muss an dieser Stelle der führenden Medizin, aber auch der Politik Versäumnisse in den letzten Jahren, gerade in der Informationspolitik, vorwerfen.

In der Vergangenheit gab es verschiedene Skandale durch Kliniken, die in Verruf geraten waren. Das Beispiel der Universitätsklinik Göttingen wurde hier schon genannt. Es kann nicht das Ziel einer freien Gesellschaft sein, dass wir in Deutschland wie auch in anderen Ländern - hier seien Frankreich und Österreich genannt - jeden Bürger automatisch zum Spender machen, wenn er sich nicht ausdrücklich und dokumentiert dagegen entschieden hat.

Zu viele Fragezeichen stehen für viele Bürger hinter der Organspende. Beim Versagen des Gehirns, also beim Hirntod, soll der Mensch tot sein, obwohl andere Körperfunktionen noch erhalten sind. Transplantationsmediziner, die Bundesärztekammer, aber auch der Staat behaupten dies.

Transportable Organe müssen lebensfrisch sein, also von einem Menschen stammen, der noch maschinell beatmet wird. Er wird gepflegt, sein Herz schlägt, er ist warm, und er kann Fieber haben. Er bewegt sich spontan und reagiert auf Berührungen. Dies kann ich aus meiner eigenen beruflichen Praxis bestätigen.

Beim Einschnitt des Chirurgen in den Körper des Organspenders steigen in vielen Fällen der Blutdruck, die Herzfrequenz und der Adrenalinspiegel rasant an. Deshalb bekommt ein Spender bei der Organentnahme immer muskelentspannende Mittel und Opiate, oft sogar eine Vollnarkose.

Hier bleibt also die Frage vieler Menschen offen: Wie tot ist der Mensch eigentlich, der seine Organe spendet? Das macht den Menschen zu Recht Angst und führt auch zu einem Rückgang der Spendenbereitschaft.

Eine weitere große Befürchtung vieler Menschen ist, dass die medizinischen Anstrengungen für schwer erkrankte Spender nicht mehr voll ausgeschöpft werden, da man bereits auf die Transplantationsmöglichkeiten seiner Organe setzt. Hier gilt es für die Ärzteschaft, dieser Befürchtung entgegenzutreten. Da ist der Weg des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, der die Einführung einer Widerspruchslösung bei der Organspende fordert, genau der falsche. Wir brauchen eine ehrliche Aufklärung der Menschen über Risiken und Chancen der Organspende.

Hier ist die vorbildliche Aktion der Landesärztekammer Sachsen zu erwähnen, welche direkt in den Schulen über die Organspende informiert. Der Organspendeausweis bleibt auch der richtige Weg, welcher durch eine ehrliche Informationskampagne

begleitet werden muss. Die Fragen und Ängste vieler Bürger müssen beantwortet und ernst genommen werden. Dann bekommen wir auch wieder eine wachsende Bereitschaft zur Spende.

Es wurden viele richtige Schritte - die Kollegen haben es bereits erwähnt - in diesem Bereich unternommen, aber es sollten noch weitere folgen, wie etwa die Begrenzung der Zahl der Transplantationszentren, um den sensiblen Bereich der Organentnahme effektiver kontrollieren zu können.

Menschliche Organe dürfen niemals eine Verfügbarkeitsmasse sein, sondern sie sind ein hochsensibler Bereich. Die Organspende muss die ureigenste Entscheidung des Menschen bleiben, der spendet, und darf niemals die Entscheidung eines Staates sein, indem er jeden Bürger per Gesetz zum Spender macht. Nur Transparenz schafft Vertrauen, und nur Vertrauen schafft Bereitschaft.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregierung hat nun das Wort Frau Sozialministerin Dr. Reimann. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der aktuellen Statistik, die ja schon angesprochen wurde, haben im vergangenen Jahr nur 797 Menschen Organe gespendet. Das sind noch einmal 60 weniger als im Vorjahr, und das ist damit der niedrigste Stand seit 20 Jahren. Damit steht Deutschland im Vergleich fast hinter allen westeuropäischen Ländern.

Es ist schon angeklungen: Derzeit warten mehr als 10 000 Patientinnen und Patienten auf ein Spenderorgan, etwa 8 000 von ihnen auf eine Niere. Und es warten dreimal so viele Menschen auf eine neue Niere, wie Transplantate vermittelt werden. Für Herz und Leber gilt: Einige Patientinnen und Patienten müssen wegen ihres schlechten Allgemeinzustandes wieder von der Warteliste genommen werden, und andere sterben, wenn nicht rechtzeitig ein Organ zur Verfügung steht. Was das für die Schwerstkranken bedeutet, wieviel Leid und wieviel Hoffnungslosigkeit das für die Patienten und ihre Familien bedeutet, kann sich jeder ausmalen.

Das geltende Recht sieht im Transplantationsgesetz eine Erklärungs- und Entscheidungslösung in Deutschland vor, wie in vielen anderen europäischen Ländern auch. Das bedeutet, dass alle Bürgerinnen und Bürger regelmäßig die Möglichkeit haben sollen, sich über Organspende zu informieren und informiert eine eigene Entscheidung zu treffen. Um eine solche eigene Entscheidung informiert fällen zu können, bieten u. a. wir als Gesundheitsministerium, aber auch die Krankenkassen Informationen über die Verfahren der Organspende an und klären auf. Ich kann die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfehlen, die außerdem auf ihren Webseiten informiert. Auf „www.organspende-info.de“ kann man z. B. nachlesen, unter welchen Voraussetzungen ein Organ entnommen werden darf.