rung -, für Transparenz zu sorgen. Man kommt sich ja als Parlamentarier schon irgendwie als Störenfried vor, wenn man einfordert, dass grundrechtsrelevante Einschränkungen tatsächlich auch im Parlament beraten und beschlossen werden müssen. Das ist aber eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wir sind nicht Bittsteller, sondern das Parlament ist selbstbewusst das Organ, der Ort, wo solche Dinge entschieden werden müssen, und es ist der Ort, wo Transparenz hergestellt werden kann, die im Moment fehlt.
Auch dazu, Herr Ministerpräsident, äußern Sie sich einfach gar nicht. Das ist, ehrlich gesagt, unfassbar! Seit Wochen führen wir hier in Niedersachsen, führen wir bundesweit eine Diskussion über die Frage: Wie gelingt es eigentlich, mehr Legitimität und mehr Transparenz für diese Entscheidungen zu bekommen? Wie gelingt es, die Parlamente einzubinden? Aber die Landesregierung äußert sich schlicht nicht dazu. Das lässt eigentlich nur den Schluss übrig: Sie fühlen sich in dieser Situation recht wohl. Sie haben gar kein Bedürfnis, das Parlament stärker mit einzubinden.
Frau Modder, es ist ja ganz nett, dass wir im Sozialausschuss informiert werden. Wir bekommen Informationen und können fragen.
(Johanne Modder [SPD]: Doch, die sind beteiligt! Sie entscheiden nicht, aber sie sind beteiligt! Das ist der Un- terschied, und daran stören Sie sich!)
Wir sind informiert, Frau Modder, und genau das ist das Problem, das Sie als Regierungsfraktion haben. Sie sind damit zufrieden, Informationen zu bekommen.
Vermutlich sind Sie - das will ich auch gar nicht kritisieren - im Hintergrund auch in Entscheidungsfindungen eingebunden. Das ist auch in Ordnung. Aber damit erreichen Sie keine Transparenz. Damit erreichen Sie keine Akzeptanz. Das ist keine echte parlamentarische Beteiligung!
Deshalb müsste Ihr Anspruch als selbstbewusste Parlamentarier doch viel mehr sein, nämlich das einzufordern und das, was Sie für richtig halten, hier öffentlich zu diskutieren.
Auch der Ministerpräsident muss dieses Interesse haben; denn wenn er darüber klagt, dass die Gesellschaft auseinandergeht und dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet ist, dann muss er doch einen Weg aufzeigen, wie es geht, aus dem herauszukommen.
Ich bleibe dabei: Der Weg dahin ist insbesondere die Transparenz. Deshalb müssen wir von dem Handeln mit Regierungsverordnungen, Handeln mit quasi Regierungsgesetz wegkommen und zum Normalfall, zumindest in die Nähe eines Parlamentsgesetzes, zu einer parlamentarischen Beteiligung kommen. Ich sage es noch einmal: Das liegt im eigenen wohlverstandenen Interesse der Landesregierung, das ist nicht nur das Interesse des Parlaments und insbesondere der Parlamentarier der Opposition. Ich glaube, wir sollten da ein gemeinsames, übergreifendes Interesse haben. Aber der Ministerpräsident schweigt sich zu dieser Frage aus. Und das ist für eine Demokratie im 21. Jahrhundert schlicht zu wenig.
Meine Damen und Herren, diese Krise ist komplex - in jeder Hinsicht. Deshalb ist es auch nicht einfach, zu jedem Zeitpunkt und an jeder Stelle sofort die richtige Antwort zu finden. Nicht nur Gesundheit und Wohlstand stehen auf dem Spiel, sondern auch der gesellschaftliche Zusammenhalt. Das wird immer deutlicher.
Aber bei dem, was die Landesregierung, was der Ministerpräsident heute wieder in der Regierungserklärung vorgetragen hat - und das schließt sich nahtlos an das an, was er in der letzten Regierungserklärung thematisiert hat -, wird er dieser Komplexität nicht einmal annähernd gerecht. Sie reißen doch im Wesentlichen nur die Themenfelder an. Sie beschreiben eigentlich nur, welche Themenfelder es gibt, und jeder interessierte Zeitungs
leser weiß das. Aber Ihre eigenen Lösungsvorschläge bleiben im Wesentlichen im Dunkeln. Es führt mich immer wieder zu dem Punkt zurück, dass Ihnen deshalb das Parlament eigentlich egal ist, weil Sie sagen: Ich brauche es gar nicht. Was soll ich das hier erklären? Ich kann es ja per Regierungsverordnung am Ende so regeln, wie ich will.
Wer weiß, vielleicht erleben wir dann wieder eine solche Überraschung, wie wir sie in den letzten drei Wochen erlebt haben, dass Sie wieder einen grundsätzlichen vollkommenen Strategiewechsel vornehmen und uns im Nachhinein erklären, wie großartig das sei, und die SPD sekundiert und sagt, wir müssten dem Ministerpräsident danken und preisen.
Das ist zu wenig. Sie müssen das, was Sie wirklich vorhaben, dem Parlament im Konkreten vorlegen, um dann eine politische Debatte zu ermöglichen.
Alles andere wird dazu führen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in diesem Land weiter abnehmen wird. Da geht es nicht nur um die Frage, ob die Opposition mitspricht oder nicht, sondern es geht um grundsätzliche Angelegenheiten. Deshalb ist es nicht ausreichend, vage und oberflächlich zu bleiben oder zu schweigen.
(Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult sowie die Plätze der Sitzungsleitung und der Schriftführe- rinnen und Schriftführer)
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann weitergehen. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Vorsitzende, der Abgeordnete Toepffer. Bitte sehr.
- Ja, der Mann hat mir einmal in einer Oberbürgermeisterwahl beigebracht, wie man mit großen Niederlagen umgeht. Das sollte man als Politiker durchaus einmal gelernt haben.
Das beste Zitat in Sachen Corona und CoronaFolgen stammt aber nicht von Stephan Weil, es stammt von Reiner Haseloff. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt hat in dieser Situation gesagt:
Ein Satz, der ebenso schlicht wie bemerkenswert ist. Über die Schlichtheit muss ich nicht lange reden. Aber was macht ihn so bemerkenswert? - Er ist deswegen bemerkenswert, weil er eingesteht, dass Politik Grenzen hat. Damit ist er ungeheuer ehrlich. Diese Ehrlichkeit würde man sich in der gesamten Corona-Debatte häufiger wünschen. Man stelle sich vor, der Führer der westlichen Welt, Donald Trump, hätte zu Corona erklärt: Wenn man alles gewusst hätte, hätte man alles richtig gemacht. - Ein bisschen Selbstbeschränkung hätte vielleicht dazu geführt, dass viele Menschen in Amerika noch am Leben wären.
Zur Ehrlichkeit gehört in diesem Hause, dass wir nicht wissen, wohin uns die jetzt beschlossenen Lockerungen führen werden. Im Gegenteil. Mich erfüllt das mit großer Sorge, auch weil ich in den letzten Tagen gesehen habe, wie viele Menschen auf diese Lockerungen reagiert haben. Trotzdem genießt die Landesregierung die volle Unterstützung der CDU-Fraktion bei diesem Stufenplan. Wir stehen voll und ganz hinter dem Kabinett. Wir fin
Stefan Birkner hat es eben zu Recht gesagt: Die Menschen wollen wissen, warum so entschieden wird, warum es diese Beschränkungen gibt. Es muss dargelegt werden, anhand welcher Parameter entschieden wird und womit man rechnen kann. Man braucht Verlässlichkeit. Wir alle haben in den letzten Tagen häufig Menschen getroffen, die sagten: Ja, ich bin mit einer Einschränkung belegt, möchte aber wissen, wann diese aufgehoben wird und womit ich rechnen kann. - Deswegen braucht man diesen Stufenplan. Wir müssen aber aufpassen, dass mit diesem Stufenplan nicht das Signal gesendet wird: Es ist alles vorbei.
Deshalb ist für mich die wichtigste Botschaft dieser Regierungserklärung, dass dieser Stufenplan eben nicht heißt, dass es vorbei ist. All das, was jetzt aufgehoben ist, kann wiederkommen. Das ist die Botschaft, die wir nach draußen an die Gesellschaft senden müssen.
Deswegen brauchen wir einen verantwortungsvollen Umgang gerade mit diesen Lockerungen. Trotzdem ist jetzt auch der Zeitpunkt, das Krisenmanagement zu bewerten und über die Begleitung der Krise durch die Legislative nachzudenken - gar keine Frage.
Damit komme ich zunächst zu den Forderungen der Grünen, liebe Kollegin Hamburg, und zu Ihrer Forderung nach einem Sonderausschuss. Ich habe mich zunächst gefragt, was das werden soll, was das für ein Sonderausschuss sein soll. Dann habe ich Ihre Pressemitteilung gelesen und festgestellt, dass diese zwei Punkte enthält, und zwar eine Kritik und eine Forderung. Die Kritik lautet: Es gab keine Beteiligung des Parlaments am Stufenplan, wie es eben Herr Birkner hier formuliert hat. Und die Forderung ist: Wir brauchen ein Mitentscheidungsrecht für künftige Maßnahmen.