(Wiard Siebels [SPD]: Dann stellen Sie doch jetzt einmal einen Antrag in einem geordneten Verfahren! - Ge- genruf von Peer Lilienthal [AfD]: Stel- len Sie doch mal eine Zwischenfrage, Herr Siebels! - Gegenruf von Wiard Siebels [SPD]: Nö! - Gegenruf von Peer Lilienthal [AfD]: Dann gibt es auch keine Zwischenantwort! - Ge- genruf von Wiard Siebels [SPD]: Schade, wenn Sie keine Antworten haben, dann eben nicht!)
Solange das Pult saubergemacht wird, haben Sie ja noch Gelegenheit, sich zu unterhalten. Ansonsten wäre dann der Kollege Ulf Thiele für die CDUFraktion an der Reihe.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will, weil es bisher nicht angesprochen wurde, zwei Dinge vorweg sagen:
Mit diesem Artikelgesetz regeln wir neben der Errichtung eines Sondervermögens zwei weitere Dinge. Wir halten nämlich Wort gegenüber dem Wissenschaftsminister und gegenüber dem Umweltminister, weil wir die aus ihren Haushalten entnommenen 400 Millionen Euro und 19,5 Millionen Euro in diese zurückführen. Damit sind wir worttreu.
Im Übrigen machen wir etwas, was in anderen Zeiten in diesem Landtag für erhebliches Aufsehen sorgen würde, wir führen nämlich dem Wirtschaftsförderfonds des Wirtschaftsministers die Rekordsumme von 150 Millionen Euro zu. Damit versetzen wir die Landesregierung bzw. den Wirtschaftsminister in die Lage, in einer wirtschaftlich sehr anspruchsvollen Zeit Innovationsförderung und Wachstumskräfte zu stärken und damit auch dafür zu sorgen, dass über das Sondervermögen, das wir errichten, nicht nur Reparaturbetrieb gespielt werden muss, sondern gleichzeitig auch neue Impulse in die Ökonomie, in die Wirtschaft gegeben werden können. Damit setzen wir ein starkes Zeichen für eine starke Wirtschaft und insbesondere für einen starken Mittelstand in Niedersachsen, meine Damen und meine Herren.
Sehr geehrter Herr Thiele, da Sie eben die 150 Millionen Euro für den Wirtschaftsförderfonds angesprochen haben: Könnten Sie oder der Herr Wirtschaftsminister uns erklären, welche Pläne und
Die Erklärung für eine solche Verausgabung liegt natürlich auch bei diesem Sondervermögen zunächst einmal auf der Regierungsseite. Aber Sie können im Sondervermögensgesetz zum Wirtschaftsförderfonds, Allgemeiner Teil, sehr gut nachlesen, welche Möglichkeiten der Wirtschaftsminister zum Einsatz dieser Mittel hat. Da geht es ganz insbesondere um die Förderung von Startups, um die Förderung von Innovationskräften in diesem Land, in Teilen auch um Investitionsförderung, die er aus diesem Sondervermögen leisten kann, und das in einer Zeit, in der unsere Wirtschaft das nötiger hat als in den letzten zehn Jahren, zumindest soweit man das überschauen kann.
Meine Damen, meine Herren, der vierte Punkt, der ja bisher auch im Mittelpunkt dieser Diskussion stand, ist die Errichtung eines Sondervermögens zur Bekämpfung der Folgen der COVID-19Pandemie in einer Größenordnung von 480 Millionen Euro. Ich will am Rande erwähnen, dass wir über die Zuführung der 400 Millionen Euro und dieser 480 Millionen Euro fast zwei Drittel des Jahresabschlusses 2019 - eines sehr guten Wirtschaftsjahres - schon jetzt für die Bekämpfung der Pandemie und damit nicht für allgemeinpolitische Themen einsetzen, und zwar mit dem Beschluss, den wir heute fassen werden. Das ist mir sehr wichtig.
Meine Damen, meine Herren, die Koalition aus CDU und SPD wird - das ist unser fester Wille - alles Erforderliche tun, um diese historische Krise gesellschaftlich, medizinisch und ökonomisch
bestmöglich zu meistern, mit so wenig Opfern und mit so wenig gesundheitlichen, aber auch mit so wenig gesellschaftlichen und ökonomischen Schäden wie möglich.
Ich will den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, den kommunalen Spitzenverbänden, dem Landesrechnungshof und dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst an dieser Stelle ausdrücklich meinen Dank sagen, weil uns die sehr kurze Debatte im Haushaltsausschuss dennoch ermöglicht hat, eine wesentliche Güterabwägung zu leisten. Dabei ging es im Kern um drei Fragen. Erstens hatten wir zunächst die Frage zu beantworten - sie ist ja auch gerade wieder aufgeworfen worden -: Bedarf es dieses Gesetzes eigentlich zum jetzigen Zeitpunkt? Und die ehrliche Antwort ist: Wir wissen
es nicht, weil wir nach wie vor nicht wissen, wie sich die pandemische Lage in Niedersachsen entwickelt und was in den nächsten Tagen und Wochen an Maßnahmen erforderlich ist, mit denen kurzfristig reagiert werden können muss.
Das ist im Kern der Grund, warum wir sagen: Ja, wir stellen jetzt diese zusätzlichen Mittel der Landesregierung zur Verfügung, weil wir nicht möchten, dass wir, nachdem ein wesentlicher Teil der Mittel, die wir im März-Plenum über den Nachtragshaushalt zur Verfügung gestellt haben, inzwischen entweder belegt oder reserviert ist, bei einer neuen außergewöhnlichen Lage kurzfristig plötzlich in die Situation kommen, dass die Landesregierung finanziell handlungsunfähig ist. Deswegen beantworten wir diese Frage mit Ja.
Die zweite Frage, die wir zu beantworten hatten: Ist es sinnvoll, die durch COVID-19 bedingten Ausgaben des Landes in einem überjährigen Sondervermögen abzugrenzen? - Auch diese Frage beantworten wir mit Ja. Warum? Weil sich ein Sondervermögen eben besser als ein normaler Haushalt dafür eignet, überjährige Ereignisse abzubilden. Das bedeutet in diesem Fall zusätzlich - das ist mir besonders wichtig -, dass, wenn wir später eine Analyse des Geschehens vornehmen, die Maßnahmen betrachten, auch die Kosten betrachten, dies im Rahmen des Sondervermögens besser möglich sein wird als in einem jährlichen Haushaltsplan, in dem man im Zweifel die Maßnahmen gar nicht differenzieren kann.
Der dritte Punkt - das scheint mir in der Debatte jetzt entscheidend zu sein: Die schwierigste Frage, die wir zu beantworten hatten, ist die nach der Abwägung der Beteiligung des Parlaments bei der Bewirtschaftung der Mittel des Corona-Sondervermögens bei einer zugleich sehr weit gefassten Zweckbestimmung. Hier gab es klare Hinweise - das ist vom Landesrechnungshof angesprochen worden - und es gab auch eine Einordnung durch den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst.
Das Dilemma ist leicht beschrieben. Wir fahren - ich habe es gerade gesagt - weiterhin auf Sicht. Der Verlauf der Pandemie ist auch in Niedersachsen völlig ungewiss. Deshalb ist eine konkretere Zweckbestimmung des Sondervermögens kaum möglich. Das hat in der Abwägung auch der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst zugestanden. Wir verstehen die Position und teilen sie auch, dass das Parlament Herr der Lage bleiben muss und insbesondere die Regierung kontrollieren muss. Zugleich ist uns aber weiterhin wichtig, dass
wir auf kurzfristige Lagen auch kurzfristige Reaktionen durch die Landesregierung sehen wollen, weil wir möchten, dass - wenn ein Problem entsteht - es zeitnah gelöst wird und den Menschen sofort geholfen werden kann.
Vor diesem Hintergrund danken wir dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst für seinen Vorschlag für eine Güterabwägung, bei dem es notwendigerweise bei der relativ unbestimmten
Zweckbestimmung bleibt, die Parlamentsrechte und Kontrollmöglichkeiten jedoch durch den bereits nach zwei Monaten vorzulegenden Finanzierungsplan sowie zusätzliche Berichtspflichten deutlich gestärkt werden.
Das ist nach unserer Auffassung ein tragfähiger Kompromiss in der Abwägung dieser beiden Güter, den wir in Artikel 2 § 4 des Gesetzentwurfes verankern. Ausdrücklich hinweisen möchte ich darauf, dass der Vorschlag der Grünen, der uns heute unterbreitet wurde, schon in der Ausschussberatung vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst als verfassungswidrig dargestellt wurde, weil dieser Landtag kein Entscheidungsrecht auf einen einzelnen Ausschuss übertragen kann. Das geht verfassungsrechtlich nicht. Darum werden wir - schon aus diesem Grund - den Änderungsvorschlag der Grünen ablehnen.
Meine Damen, meine Herren, mit diesem Gesetz sichern wir die Krisenbewältigung durch die Landesregierung für die kommenden Monate finanziell solide ab, und wir geben Wirtschaftsminister Bernd Althusmann die Möglichkeit, zusätzliche Innovationen und Investitionen in Niedersachsens Wirtschaft zu fördern. Wir leisten damit einen weiteren Beitrag dafür, dass unser Land stark durch die Krise kommt.
Thiele, wir sind uns in einem Punkt völlig einig. Wir sind in einer Krise. Wir brauchen Handlungsfähigkeit auch in finanzieller Hinsicht. Ich glaube aber - jenseits dieses Gesetzentwurfes sind wir uns vielleicht auch darüber einig -, dass wir das auf der Grundlage unserer Verfassung und der gesetzlichen Grundlagen machen müssen. Das ist unsere Intention. Und gleichzeitig schnellstmögliche Handlungsfähigkeit.
Wir haben einen Änderungsantrag vorgelegt, der in dieser Passage beispielsweise auf § 4 des Haushaltsgesetzes Bezug nimmt, wo es heißt: Die Einwilligung des Haushaltsausschusses ist erforderlich bei bestimmten Vergaben oder Verpflichtungen, die das Land eingeht. - An dieser Stelle können wir auch gerne den Landtag als Ganzes einsetzen, wenn Sie sich daran stoßen. Wir haben aber etliche Präzedenzfälle, wo solche Varianten der Entscheidungsfindung im Haushaltsgesetz sogar ganz vorne verankert sind. Insofern könnten wir Ihnen an der Stelle entgegenkommen, wenn das Ihr Problem ist.
Mir liegt sehr viel daran, dass wir in dieser Krise die Grundlagen nicht ins Wanken bringen. Die Grundlagen, unsere gemeinsame Verfassung, müssen so festgefügt stehen wie nur irgend möglich. Deshalb sollten wir nicht wegen einer solchen Sondervermögens-Entscheidung riskieren, dass wir am Ende eine gerichtliche Entscheidung kriegen, die das verwirft.
(Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult und das Saalmikrofon)
Herr Wenzel, wir sind uns in der Frage, dass wir selbstverständlich die Verfassung einhalten müssen, völlig einig. Wir haben offensichtlich eine unterschiedliche Sichtweise darüber, ob wir das mit diesem Gesetzentwurf tun oder nicht. Wir sind der Auffassung - und deswegen folgen wir auch dem Vorschlag des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes -, dass wir das in der Güterabwägung mit dem Beschlussvorschlag, den wir dem Landtag vorgelegt haben, tun.
Wenn Sie sich erinnern: Wir hatten die Diskussion im Ausschuss, ob Ihr Vorschlag verfassungskonform ist oder nicht. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat uns ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht möglich ist, dass der Landtag eine Entscheidungsbefugnis bei solchen Fragen auf einen Ausschuss delegiert. Es gibt einen anderen Fall, in dem das mal passiert ist, historisch bedingt. Wenn das einer hinterfragt, dann ist das Thema weg. Das haben wir auch diskutiert.
Ich will aber deutlich machen, dass Ihr Änderungsantrag in Wahrheit genau das Dilemma beschreibt. Sie haben sich nämlich auch nicht getraut, zu sagen, dass der Landtag das Entscheidungsrecht haben soll, weil Sie genau wissen, dass dann die notwendige Beinfreiheit - wir sind uns wohl einig, dass das die schwerste Krise ist, die dieses Land seit vielen Jahren erlebt hat und erlebt, wir sind längst noch nicht durch -, die eine Regierung in einer solch schweren Krise braucht, um auch mal schnell entscheiden zu können, weg ist, wenn jedes Mal ein Landtagsbeschluss notwendig ist.
Wenn es aber nicht geht, was Sie wollen - nämlich, dass der Ausschuss es macht -, weil es verfassungswidrig ist, dann bleibt nur der Weg der Kontrolle, so wie wir das jetzt in der Beschlussempfehlung niedergelegt haben. Darum werden wir in der Abwägung dieser Güter diesen Weg gehen, so wie der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst es vorgeschlagen hat.
Danke, Herr Thiele. - Sogleich erhält das Wort die Kollegin Frauke Heiligenstadt für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ein weiteres Jahr in Folge einen Rekordüberschuss mit der Bewirtschaftung eines Haushaltsjahres erreicht, nämlich 1,4 Milliarden Euro. Das muss erst einmal am Anfang der gesamten Diskussion stehen.
Immerhin versetzt uns dieser Überschuss jetzt in die Lage, für die Maßnahmen, die wir heute beschließen, keine zusätzlichen Kredite aufzunehmen, sondern zusätzlich ein Sondervermögen zu schaffen und weitere Sondervermögen besser auszustatten. Das ist, glaube ich, eine ganz wichtige Botschaft des heutigen Tages.