Protokoll der Sitzung vom 13.05.2020

Wir müssen uns doch einmal ganz konkret anschauen, wie sich ein Corona-Elterngeld auswirken würde. Beispielsweise die Mitarbeiter meines Mannes gehören genau zu der Zielgruppe, die Sie angesprochen haben. Die arbeiten im Homeoffice, sie sind nicht systemrelevant. Da ist es nun so: Die Frau arbeitet in Teilzeit, der Mann auch, weil sie sich die Belastung in der Familie teilen wollten. Nun kommt Ihr Corona-Elterngeld. 67 % des Gehaltes sollen erstattet werden. Das ist für die Familien eine erhebliche finanzielle Belastung. Das wird man sich zweimal überlegen.

(Zuruf von Volker Bajus [GRÜNE])

- Ich bin noch nicht fertig, Herr Bajus.

Wenn jetzt einer von den beiden sagt: „Ich nehme das Corona-Elterngeld in Anspruch“, wer wird das sein? - In der Regel die Frau. Wer wird dann natürlich wieder aufstocken, um den Verlust, den man finanziell in der Arbeit hat, auszugleichen? - Das wird der andere Partner sein. Ich glaube, das ist familienpolitisch tatsächlich nicht der richtige Weg. Ich wundere mich ein bisschen, dass die Grünen das an dieser Stelle unterstützen. Ich glaube tatsächlich, Sie sollten noch einmal in sich gehen und sich noch einmal überlegen, ob Sie familienpolitisch nicht umdenken wollen und sich unserer Haltung in dieser Frage anschließen möchten.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Was tun wir nun für die 50 %? - Das ist eine berechtigte Frage. Es geht einerseits darum, dass wir nicht sagen, es müssen 50 % betreut werden. Es geht nicht um Quoten oder Ähnliches. Vielmehr geht es um die Möglichkeit, dass diejenigen Eltern, die wollen, für ihre Kinder einen Platz in der Notbetreuung zur Verfügung gestellt bekommen. Wir sehen an der praktischen Lage, dass bisher der Run auf die Notbetreuung ausgeblieben ist. Das heißt, es geht um Optionen, die wir ermöglichen.

Darüber hinaus geht es darum, die Betreuung von zu Hause zu verbessern und ganz praktische Wege aufzuzeigen: offene Spielplätze, Tierparks, die Öffnung der Kindertagespflege und die Möglichkeit, in privaten Gruppen zu betreuen. Wir glauben,

darüber hinaus braucht es noch weitere Maßnahmen. Wir brauchen eine Notbetreuung in den Sommerferien, weil viele Eltern ihren Urlaub schon genommen haben. Wir brauchen Alternativen zu den Ferienpassaktionen, die sicherlich in dieser Form nicht stattfinden. Wir brauchen bessere Angebote der Kita von zu Hause für alle Kinder, auch für diejenigen, die nicht in der Notbetreuung sind. Es finden digitale Morgenkreise statt, und Bastelpakete werden vorbeigebracht. Es gibt Beratungsangebote für Eltern in den Kitas. All das sind aus meiner Sicht Maßnahmen, die Familien direkt entlasten und unmittelbar unterstützen. Genau diesen Weg sollten wir in der Bekämpfung der CoronaPandemie und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weitergehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Rykena.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grünen wollen Familien in Corona-Zeiten finanziell besser unterstützen und bringen ein Instrument ins Spiel, das Sie bei uns vor noch gar nicht allzu langer Zeit abgelehnt haben: ein Elterngeld für die Betreuung zu Hause. Das finden wir sehr interessant.

Andererseits finde ich es enttäuschend, dass die Fraktion es nicht lassen kann, diesen Vorschlag hier im Parlament öffentlich auszubreiten. Schon am Freitag vergangener Woche wies ich im Kultusausschuss darauf hin, dass es bereits eine entsprechende Unterstützung gibt. Wie auch Herr Politze eben schon angedeutet hat, regelt das Infektionsschutzgesetz in § 56 den Lohnersatz über einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen in Höhe von bis zu 2 016 Euro monatlich. Dieser muss nur beim zuständigen Landkreis bzw. der Stadt beantragt werden. Auf der offiziellen Internetseite des Landes Niedersachsen findet man hierzu mittlerweile alle notwendigen Informationen.

Allein der Zeitraum von sechs Wochen ist für die aktuelle Krise natürlich zu kurz gegriffen. Die Unterstützung müsste wenigstens für den Zeitraum

bis zu den Sommerferien ausgeweitet werden. Da muss ich die Landesregierung ansprechen: Hier stelle ich einen dringenden Nachbesserungsbedarf fest.

Es bleibt festzuhalten: Nach den Plänen des Kultusministeriums wird sich ein Großteil der Eltern darauf einstellen müssen, dass ihre Kinder für zweieinhalb weitere Monate nicht in die Kita geschickt werden können. Die Betreuungskapazitäten sollen nur schrittweise von derzeit 8 auf 10 %, ab dem 18. Mai auf 40 % und schließlich ab dem 8. Juni auf gerade einmal 50 % ausgeweitet werden. Erst ab 1. August wird die Öffnung für Kitas für alle Kinder in Aussicht gestellt.

Doch muss das alles denn wirklich automatisch negativ sein? - Für eine steigende Zahl von Berufsgruppen sowie besondere Härtefälle wird die Notbetreuung ausgeweitet. Auch die Vorschulkinder sollen in den kommenden Wochen wieder in den Kindergarten gehen dürfen. Für alle anderen ist, wie ich eben sagte, ein finanzieller Ausgleich möglich. Etliche Arbeitgeber akzeptieren zudem kürzere oder gar ausfallende Arbeitszeiten aufgrund der Notwendigkeit von Kinderbetreuung, und auf einmal eröffnen sich völlig neue Erfahrungshorizonte.

„Corona als Chance“ liest man allerorten. Corona als Chance für das Klima. Corona als Chance für den inländischen Tourismus. Sogar von Corona als Chance für die Schulen war die Rede, und zwar von grüner Seite. Unabhängig davon, wie sinnvoll diese Vorschläge im Einzelnen jeweils waren, könnte man vielleicht auch die bisherigen KitaSchließungen unter dem Gesichtspunkt „Corona als Chance“ sehen, nämlich als Chance für ganz neue familiäre Erfahrungen. Mehr gemeinsame Zeit für die Familie kann die Familie zusammenschweißen. Mehr gemeinsame Zeit schafft Raum für gemeinsame Unternehmungen. Mehr gemeinsame Zeit stärkt die Bindung zwischen Kindern und Eltern. Da gibt es nach dem Aufstehen eben mehr als nur ein schnelles Frühstück, Anziehen und Weggeben in die Kita bis zum Feierabend. Da bekommt der Tag mit Mama und Papa eine ganz andere Qualität. Dass das auch stressig werden kann, weiß ich als dreifacher Vater nur zu gut. Trotzdem: Gemeinsame Zeit mit den eigenen Kindern zu verbringen, sollte für alle Eltern ein Geschenk sein und so auch betrachtet werden und nicht als Strafe.

Für die Schaffung von Freiräumen bietet die neue Verordnung eine interessante Öffnungsklausel der

ansonsten recht rigiden Kontaktbeschränkungen: die privaten Spielkreise. Sollte sich dabei die Bürokratie in Grenzen halten, wäre dies tatsächlich ein brauchbarer Ansatz. Die Möglichkeit zur Nutzung von Spielplätzen muss dabei natürlich gegeben sein. Aber auch da gibt es derzeit Öffnungen.

Fassen wir zusammen: Die durch die Pandemie erzwungene Schließung der Kitas ist für viele Eltern schwierig. Die aktuellen staatlichen Regelungen verlangen Einschränkungen, bieten aber auch Möglichkeiten zur Entlastung. Für alle anderen aber gilt: Versuchen Sie Corona als Chance zu sehen! Machen Sie das Beste daraus! Verschaffen Sie sich und den Kindern die vielleicht längste, intensivste und schönste gemeinsame Familienzeit, die Sie in der Rückschau auf die Kindheit gehabt haben!

In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Für die Landesregierung hat nun das Wort Herr Kultusminister Tonne. Bitte, Herr Minister!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will am Anfang einmal versuchen, die Einigkeit dort herauszustellen, wo wir sie haben. Ich glaube, in der Analyse, dass wir infolge der Corona-Pandemie den Familien und den Kindern richtig viel auferlegen, sind wir uns einig. Jeder von uns, der selbst handeln könnte und entscheiden kann, würde sich wünschen, dass man das anders macht und dass wir den Familien diese Einschränkungen nicht auferlegen müssten. Ich würde mir aus persönlicher Sicht wünschen, dass wir das in dem gewohnten normalen Umfang, wie wir es vor der Krise kannten, lieber heute als morgen machen können. Aber das wird nicht möglich sein.

Deswegen müssen wir sehr deutlich erklären, warum wir all diese Beschränkungen überhaupt machen. Diese ganzen Beschränkungen legen wir den Familien deshalb auf, damit wir die Gesundheit und das Leben der Familien, der Kinder und auch der Älteren dieser Gesellschaft schützen

können. Ich finde, das sollten wir auch in diesem Kreis ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich freue mich über jede Sekunde, die ich mit meinen Kindern verbringen kann. Meine berufliche Tätigkeit wie auch die berufliche Tätigkeit vieler anderer in diesem Land erfordert es aber, dass man woanders als zu Hause seinen Job wahrnimmt, um das notwendige Geld zu verdienen. Wenn wir denen in dieser Situation, in der wir ihnen richtige Herausforderungen auferlegen, hier eine romantisierende Darstellung präsentieren und ihnen empfehlen, „Nutzen Sie die Zeit, es ist die schönste in Ihrem Leben“, muss das in den Ohren vieler Beteiligter wie Hohn und Spott klingen. Eine solche Beschreibung kann doch wohl nicht ernst gemeint sein!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Von daher ist es selbstverständlich, dass wir uns nach Kräften bemühen, auch bei den Phasen der Kita-Öffnungen, bei der Ausweitung der Notbetreuung, immer darum zu ringen und noch herauszuholen, was noch möglich ist, um auf der einen Seite so viel Betreuung wie möglich, aber auf der anderen Seite so viel Gesundheitsschutz wie erforderlich ist, aller Beteiligten zu haben. Das wird uns in eine veränderte Normalität bringen, so wie wir sie jetzt auch erleben, nämlich einen schrittweisen Ausbau der Notbetreuung immer bis zu der Grenze, bis zu der es verantwortlich ist.

Ich hätte mir gewünscht, dass in dieser Debatte, in der zu Recht auf die schwierige Situation vieler Familien hingewiesen worden ist, wenigstens in einem Halbsatz mal gesagt würde, dass wir auch die Erzieherinnen und Erzieher in unseren Kitas, in den Krippen, in den Horten mit all den Maßnahmen, die wir hier umsetzen, zu schützen haben. Das gehört nämlich auch dazu.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Daher gilt es, in diesem schwierigen Spagat zwischen Betreuung, notwendiger Entlastung von Familien und Schutz der Gesundheit aller Beteiligten die Maßnahmen umzusetzen. Das verbietet übrigens auch Schnellschüsse. Das Virus ist nämlich nicht weg, es ist nach wie vor mitten in unserer Gesellschaft. Wir haben diese ganze Kraftanstrengung unternommen, um es bestmöglich einzudämmen. Das ist gelungen, aber jetzt gilt es mit der notwendigen Vorsicht, auch die weiteren KitaÖffnungen zu betreiben.

Herr Bajus, was ich nicht auf uns sitzen lasse, ist der lapidare Vorwurf in dieser Runde: „Ihr müsstet auch mal mit Trägern und Kommunen sprechen“. Ich habe es ganz kurz überschlagen. In den letzten Wochen hat es mindestens neun große Treffen mit allen Beteiligten gegeben - wenn wir nachzählen, kommen wir vermutlich auf noch mehr -, um immer wieder gemeinsam den Kurs abzustimmen und zu überlegen, wie wir diesen Pfad des schrittweisen Ausbaus der Notbetreuung eigentlich umsetzen können. Hören Sie auf, sich hierhin zu stellen und zu erzählen, dass es solche Kontakte nicht gebe.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Volker Bajus [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Ich lasse die Frage zu.

Bitte sehr, Herr Kollege Bajus!

Vielen Dank, Herr Minister, für die Möglichkeit, Ihnen eine Frage zu stellen.

Herr Minister, ich freue mich darüber, dass Sie sagen, es habe viele Absprachen mit den Trägerinnen und Trägern gegeben. Ich denke, an einem Punkt sind wir beide uns auch einig: Je schneller wir eine Öffnung hinbekommen, umso besser ist es. Wir beide wollen, dass dabei Arbeits- und Infektionsschutz eingehalten werden.

Herr Kollege Bajus, Sie sind doch eigentlich mit den Regeln vertraut. Stellen Sie bitte Ihre Frage, kurz und knapp.

Wenn Sie so viele Gespräche mit den Trägerinnen und Trägern geführt haben, frage ich, wie es kommt, dass ich vorgestern in der HAZ sowie in der NOZ

(Zurufe: Frage!)

über die Situation in zwei großen Städten Niedersachsen lesen musste -

Jetzt die Frage.

- dass die Trägerinnen und Trägern auf die neuen Öffnungsphasen eben nicht vorbereitet werden,

dass die Kindertagespflege eben nicht, wie von Ihnen vorgeschlagen, jetzt anlaufen kann, weil es eben keine Vorbereitung gegeben hat.