Hubertus Heil, aber auch unsere Landesgesundheitsministerin Carola Reimann in ihrem Kampf gegen ausbeuterische Werkverträge. Werkverträge gehören schlicht verboten.
Die Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischindustrie sind nicht akzeptabel. Auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen wird in diesem Industriezweig ein gnadenloser Konkurrenzkampf ausgetragen.
Grundsätzlich sind wir als SPD-Landtagsfraktion nicht gegen Werkverträge, wo sie in einer arbeitsteiligen Wirtschaft sinnvoll sind. Wir wenden uns aber dort gegen Werkverträge, wo sie dazu missbraucht werden, Kernbestandteile der Produktion auszulagern, Stammbelegschaften zu entlassen und gut bezahlte Mitarbeiter durch Werkvertragsmitarbeiter zu ersetzen, wo Tarife und Arbeitsbedingungen unterlaufen und Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten ausgehebelt werden und wo es Unternehmen vor allen Dingen darum geht, die Verantwortung für ihre Beschäftigten abzugeben.
Am Freitag - das habe ich bereits erwähnt - ist die Beratungsstelle für mobile Beschäftigte in Osnabrück eröffnet worden. Da haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Beratungsstelle sehr genau über die Zustände in dieser Branche berichtet. Ich kann Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren, es geht Angst in der Branche um. Es ist die Angst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Werkvertragsarbeitnehmer: Wenn ich den Job verliere, verliere ich in der Regel auch die Unterkunft. - Die Geschichte mit den Mietaufwendungen, die gleich vom Lohn abgezogen werden, hat Herr Althusmann gerade sehr anschaulich verdeutlicht.
Was die Unterbringung der Werkvertragsarbeitnehmer angeht, so hat unsere Gesundheitsministerin, Carola Reimann, ebenfalls bereits gehandelt. Dafür möchte ich Carola Reimann ausdrücklich danken. Das Sozialministerium hat nämlich mit Erlass vom 11. Mai die Kommunen aufgefordert, eine explizite Überprüfung der Unterkünfte durchzuführen und speziell darauf einzuwirken, dass die Bewohner in Einzelzimmern untergebracht werden.
Wenn die Arbeitgeber als Mieter auftreten, ist auch eine Vor-Ort-Inspektion der Wohnungen durch die Behörden jederzeit möglich. Wenn das Gesundheitsamt vor der Tür steht, ist natürlich durchaus auch eine Beratung der Mitarbeiter und auch der Arbeitgeber möglich.
Als zusätzliches Instrument hat die Landesregierung am 24. März das Niedersächsische Wohnraumschutzgesetz in den Landtag eingebracht. Dieses wird künftig greifen, wenn Beschäftigte in entsprechenden Wohnungen leben.
Der vorliegende Entwurf sieht allerdings noch keine Anwendung auf Arbeitnehmer- oder Flüchtlingsunterkünfte vor, die nicht als Wohnungen zu qualifizieren sind. Aber auch dazu haben wir heute gehört - und das begrüßen wir ausdrücklich -, dass die Beratung zum jetzt anstehenden Gesetzgebungsverfahren dazu genutzt werden soll, diese Qualitätsstandards auch auf diese Unterkünfte auszuweiten.
Ich nenne nur mal vier Bereiche aus dem Wohnraumschutzgesetz, die uns persönlich besonders wichtig sind: ausreichende natürliche Belichtung, ausreichende Belüftung, Schutz gegen Feuchtigkeit, Anschlüsse für Energie- und Wasserversorgung, Entwässerung - alles normale Standards, die hier aber erst mal durchgesetzt werden müssen - und vor allen Dingen die gesetzliche Definition der Belegungsdichte mit 10 m² pro Person.
Mit dem Wohnraumschutzgesetz wollen wir sicherstellen, dass es in niedersächsischen Wohnungen keine Überbelegungen mehr gibt und vor allen Dingen dem Geschäftsmodell der Überbelegung Einhalt geboten werden kann.
Gemeinden sollen vor allen Dingen zukünftig die Möglichkeit erhalten, in solchen Fällen gegen Eigentümer und Vermieter vorzugehen. Ebenso nimmt das Wohnraumschutzgesetz jene Vermieter in die Verantwortung, die sich nicht hinreichend um ihre Wohnungen kümmern. Wer sein Eigentum verwahrlosen lässt und damit seine Mieter im Stich lässt, kann aufgrund des neuen Gesetzes verpflichtet werden, bestimmte Mindeststandards wiederherzustellen.
Meine Damen und Herren, Frau Staudte, ich kann Ihre Liste an Bedenken, die Sie hier vorgetragen haben, nicht nachvollziehen. Ich glaube, dass sich sowohl der Ministerpräsident - in den vergangenen Tagen - als auch unser Wirtschaftsminister Althusmann - heute - sehr deutlich geäußert haben. Sie haben sich klar zum Werkvertragsverbot geäußert und klar zum Zehn-Punkte-Programm geäußert. Heute ist noch mal vorgestellt worden, welche zehn Punkte die Landesregierung auf den Weg gebracht hat, um den Werkvertragsmissbrauch zu bekämpfen.
Ich glaube, dass die Landesregierung da auf einem guten Weg ist. Gerade die SPD-Fraktion braucht in dieser Hinsicht keine Belehrungen durch die Grüne-Fraktion.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Zur Aussprache folgt nun für die AfD-Fraktion Herr Abgeordneter Henze. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Wir debattieren hier über ein sehr wichtiges und über den aktuellen Anlass in der nordwestdeutschen Fleischindustrie weit hinausgehendes Thema.
Wir hatten schon angesprochen, wo es überall Werkverträge gibt - ob das bei einer Werft ist, ob das in der Logistik ist oder wo auch sonst. Für dessen politische und juristische Lösung - ja, die Fragesteller des Tagesordnungspunktes haben es richtig erkannt - ist in erster Linie der Bund zuständig. Von dort gibt es bislang nur die Verlautbarung des Bundeskabinetts vom 20. Mai dahin gehend, dass ab dem 1. Januar 2021 das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch nur noch durch Beschäftigte des eigenen Betriebes zulässig sein sollen.
Ergo: Man erwägt, für diese Branche Leiharbeit und Werkverträge zu verbieten. Es ist also noch lange nicht ausgemacht, dass dies tatsächlich so kommt. Ich habe da so meine Bedenken. Es ist hier schon angesprochen worden: Die eine oder andere Partei hat in den letzten Jahren größere Mengen Parteispenden angesammelt. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere immer noch verpflichtet. Ich hoffe, dem ist nicht so.
Es ist also noch lange nicht ausgemacht, dass es auch tatsächlich so kommt. Davon abgesehen, stelle ich fest, dass es die Menschen in Deutschland und Niedersachsen verdient haben, eine Beschäftigung erster Klasse als festangestellte Arbeitnehmer - und unbefristet - zu erhalten. Ich habe überhaupt nur eingeschränktes Verständnis dafür, dass es Arbeitnehmerüberlassungen als Arbeitsplätze zweiter Klasse und Werkverträge als Arbeitsgelegenheiten dritter Klasse in der breiten
Wir haben gerade gehört, und es wurde hier von der Landesregierung auch noch mal bestätigt: Die Selbstverpflichtungen sind in der Fleischindustrie krachend gescheitert.
Zur Fleischindustrie und den politischen Absichten kann ich noch ergänzen: Weniger ist mehr. Wir brauchen ein politisches Umsteuern der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelbranche. Bitte zeigen Sie nicht schon wieder auf den Wähler in Gestalt des Verbrauchers, der „billig“ wolle! Hier bedarf es vonseiten der Politik viel Überzeugungskraft.
Frau Ministerin Otte-Kinast verfügt offenbar über Gestaltungswillen. Das will ich anerkennen. Wir müssen gen Berlin sowie in Richtung Brüssel auch mit regionalen Programmen Druck machen. Landwirtschaftliche Familienbetriebe brauchen gerade hier in Niedersachsen eine tragfähige Zukunft abseits der gewerblichen Tierhaltung und der Massenproduktion. In der Fleischverarbeitung selbst muss mit der fast sklavengleichen Behandlung der Arbeiter Schluss sein.
Abschließend darf ich mutmaßen, dass einem Fleischgiganten aus Rheda-Wiedenbrück ein Bußgeld von bis zu 30 000 Euro vielleicht ein müdes Lächeln abverlangt. Wenn wir da nicht ganz anders rangehen, wenn wir da nicht rangehen und ihm sagen, dass er bestimmte Sachen nicht mehr absetzen kann, dann lacht diese Branche im stillen Kämmerlein über uns.
- Bei der Gelegenheit darf ich Frau Kollegin Hamburg, Herrn Kollegen Meyer und Herrn Kollegen Limburg bitten, dass sie ihre Gespräche außerhalb des Plenarsaals fortsetzen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Steht die Landesregierung hinter dem Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie?“ Meine Antwort: Ja, die Landesregierung wird gemäß den Verfassungsmöglichkeiten gegen die Missstände bei den Werkverträgen, bei den Arbeitsbedingungen, bei der Entlohnung und bei der Unterbringung alles tun, was möglich ist.
Erstens: Die Regelbeschäftigung mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sollte die Maxime sein und Vorrang vor allen anderen Arbeitsverhältnissen haben.
Zweitens gibt es die geringfügig Beschäftigten. Ein Hinzuverdienst ist hier und da sinnvoll, aber auch für die Bewältigung von Stoßzeiten.
Drittens gibt es die Arbeitnehmerüberlassung oder auch Zeitarbeit. Diese ist jedenfalls tarifgebunden, mit festen Arbeitsverträgen. Die Mitbestimmung ist gegeben.
Viertens gibt es die Werkverträge. Werkverträge gibt es seit 100 Jahren. Auch in 100 Jahren, sage ich voraus, wird es noch Werkverträge geben. Ein Beispiel: Der Malermeister soll eine Stube neu tapezieren. Der Besitzer sucht sich die Tapete aus. Der Maler wird das Zimmer tapezieren und die Arbeit für einen Festpreis abliefern. Das Werk ist dann vollbracht.
Werkverträge sind in vielen Wirtschaftsbereichen an der Tagesordnung. In den letzten 20 Jahren hat sich die Werkvertragsarbeit in der Fleischindustrie in die falsche Richtung entwickelt. Der Entwicklung mit Sub-Sub-Subunternehmen, Lohndumping sowie der prekären Unterbringung der Mitarbeiter muss ein Riegel vorgeschoben werden. Ich finde, dass wir nicht nur die Werkverträge in der Fleischbranche beleuchten müssen, nur weil gerade dieser Bereich in der Corona-Krise besonders auffällt. Das Instrument der Werkverträge muss in
Deutschland weiter möglich sein, aber wir müssen bestrebt sein, den Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Regelfall ist.
Meine Damen und Herren, warum hat sich die Lage mit den Werkverträgen in der Fleischindustrie so prekär entwickelt? Vor 50 Jahren, zu der Zeit, in der ich meine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker absolviert habe, verdienten unsere Schlachter- und
Heute gibt es kaum noch Schlachter- und Fleischer-Auszubildende, weil in der Branche kein Auskommen mit dem Einkommen möglich ist. Auflagen für Schlachtbetriebe und Fleischereien in unseren Dörfern und Gemeinden wurden immer größer und führten dazu, dass sie in den Dörfern vom Markt verschwunden sind. Die EU-Zulassung wurde gefordert. Die Auflagen waren sehr hoch, Hygieneschleusen usw., bis hin zu anlasslosen Kontrollen in den Fleischereien und Bäckereien.
Ich erinnere an den Termin, wo ich als UHN-Präsident mit dem Landesinnungsverband Fleischer und Bäcker im Landwirtschaftsministerium war. Der damalige Minister Meyer hat uns abblitzen lassen: Die Kontrollen werden durchgeführt, und bezahlen muss der Kontrollierte, auch wenn er gar keinen Anlass dafür gibt. - Leider hat auch das dazu geführt, dass weitere kleine Betriebe vom Markt verschwunden sind.
Die Entwicklung der Schlachthöfe zu immer größeren Einheiten, um auf dem Weltmarkt im Wettbewerb bestehen zu können, war die Folge. Jetzt redet man wieder von dezentralen Schlachtbetrieben, und ich frage mich, ob wir die anderen größeren Anlagen dann stillstehen lassen wollen.
Kommen wir zur Frage zurück: Hubertus Heil hat ein Papier auf den Weg gebracht, das das Problem der Werkverträge lösen soll und die Werkverträge für die Fleischindustrie verbieten will. In der Kleinen Anfrage heißt es: Der Kampf gegen den systematischen Missbrauch von Werkverträgen ist noch lange nicht zu Ende. - Ja, da gebe ich den Grünen recht.
Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Grünen, Sie nennen in der Kleinen Anfrage - mit entsprechenden Aussagen - die Minister Olaf Lies, Bernd Althusmann sowie die Ministerinnen Barbara OtteKinast und Carola Reimann. Das zeigt, dass man doch intensiv bemüht ist, eine Lösung herbeizuführen.
Zum Schluss kann ich unserem Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann für die Aussage danken, dass er eine Lösung will, aber auch für den Zusatz, dass er bei einem Verbot von Werkverträgen für nur eine Branche verfassungsrechtliche Probleme sieht. Die müssen gelöst werden. Ich begrüße den Zehn-Punkte-Plan mit den Kernforderungen zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in den Fleisch- und Zerle
gebetrieben in der Schlacht- und Zerlegeindustrie. Den zuständigen Ministerien, die hier tätig geworden sind, wünsche ich viel Erfolg - und uns allen dabei auch.