Protokoll der Sitzung vom 15.07.2020

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber auch die Ausweitung von Testkapazitäten sowie der Erhalt unserer Bildungs- und kulturellen Infrastruktur gehören dazu. Wo sind Ihre Maßnahmen für Solo-Selbstständige? Wo ist Ihr Rettungsfonds für die Erwachsenenbildung? Wo sind die Perspektiven für die Hochschulen? Wo ist das zusätzliche Personal für unsere Schulen? Wo sind Maßnahmen zur Armutsbekämpfung? Und wo sind Maßnahmen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, den wir in Niedersachsen an allen Ecken und Enden spüren, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber Ihnen muss ich das am Ende nicht erzählen; denn Sie waren ja diejenigen, die das 365-EuroTicket für Azubis bereits abgesagt haben, die A13 nicht mehr für alle Lehrkräfte auf den Weg bringen werden und die auch die dritte Kraft in den Kitas auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben haben.

Ich möchte gern auf einige Ihrer Argumente eingehen, z. B. darauf, dass wir jetzt ebenfalls einen Schattenhaushalt ohne parlamentarische Kontrolle auf den Weg bringen wollten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gegenteil ist hier der Fall. Wir wollen einen Niedersachsenfonds mit einem klaren parlamentarischen Beschluss und einem parlamentarischen Beirat, der kontrolliert, dass die Maßnahmen genau für das ausgegeben werden, wofür sie der Landtag definiert:

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

Zielvorgaben, Regionen, Maßnahmen definieren und dann kraftvoll investieren - das ist unser Programm!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das bringt mich zum Thema „parlamentarisches Selbstverständnis“, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Haushaltsberatungen waren wieder einmal so, wie wir es von Ihnen gewohnt sind: Die GroKo ist sich am Ende wieder selbst genug.

Ich möchte Ihnen mal etwas sagen: Wir hier in diesem Parlament sind der Haushaltsgesetzgeber. Deswegen haben wir als Grüne-Landtagsfraktion in vielen Ausschüssen Unterrichtungen beantragt. Die wurden weitgehend abgelehnt. Stattdessen fand eine Turboberatung im Haushaltsausschuss ohne tiefergehende Debatten statt. Am Ende gab es Blankoschecks für die Landesregierung in Form mehrfach deckungsfähiger Haushaltsposten, bei denen die Landesregierung dem Haushaltsausschuss am Ende nicht sagen konnte, was sie damit finanzieren will, wie sie es finanzieren will und vor allen Dingen, wie es gegen Corona und für die Wirtschaft wirken kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben Ihnen deswegen angeboten, während der Sommerpause durchzuberaten. Wir sind der festen Überzeugung, das hätte diesem Nachtragshaushalt am Ende sehr gut getan, und das Geld wäre besser investiert worden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen deutlich sagen: Haushaltssouverän, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht anders.

Aber ich möchte auch auf die zweite Unterstellung eingehen, die ich jetzt schon mehrfach lesen konnte: Die Grünen seien die Schuldenkönige und hätten eine Gelddruckmaschine im Keller.

(Jörg Bode [FDP]: Das ist Hilbers! - Zurufe von der CDU)

- Man kann einen Haushalt auch durch Unterlassen ruinieren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

indem man nämlich die Infrastruktur marode werden lässt und einfach keine Zukunftsinvestitionen tätigt, sondern diese verschläft und damit Niedersachsen abhängt. Wir wollen hier einen anderen Weg gehen.

Sie sagen: „Frau Hamburg, wir wollen auch nicht, dass die Infrastruktur marode wird. Aber den Niedersachsenfonds wollen wir auch nicht“? Aber was wäre dann die Alternative? Die Alternative, liebe Kolleginnen und Kollegen, wären öffentlich-private Partnerschaften - bei denen das Land am Ende das Risiko trägt, die Gewinne aber privatisiert werden. Aber das kann doch nicht unser Weg sein!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist klar: Wir als Land wollen das Heft des Handelns in der Hand behalten. Deswegen schlagen wir Ihnen diesen Niedersachsenfonds vor.

Wir wollen auch in Zukunft noch kräftig investieren und die Zukunft gestalten. Deswegen wollen wir Sie gerne einladen. Wir wollen mit Ihnen gemeinsam darüber diskutieren - - -

(Sebastian Zinke [SPD]: Ist das Ihre Rede für den 21er-Haushalt?)

- Das ist auch eine Rede für den 21er-Haushalt, Herr Zinke. Genau darauf komme ich gerade zu sprechen.

Wir wollen mit Ihnen darüber reden, wie wir als Politik, als Land gemeinsam einen Weg bestreiten können, um lange bestmöglich handlungsfähig zu bleiben. Wir wollen am Ende doch alle politisch gestalten und nicht nur Mangel verwalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen uns doch alle miteinander mal in die Augen schauen, die Scheuklappen hier, da, dort und überall ablegen und miteinander darüber reden, wie das eigentlich aussehen kann. Denn Ihre Haushalte bieten dafür noch überhaupt keine Antwort.

Deswegen würde ich mich freuen, wenn wir über Fraktionsgrenzen hinweg miteinander darüber reden könnten, wie wir glauben, in den nächsten zehn Jahren noch handlungsfähig bleiben zu können. Denn darauf gibt es noch keine Antworten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hamburg. - Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Heiligenstadt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! 8,8 Milliarden Euro Kreditaufnahme - Rekordkreditaufnahme! Um fast 4 Milliarden Euro geringere Steuereinnahmen - Rekordminus bei den Steuereinnahmen! Ein Schutzschirm von 1,1 Milliarden Euro für die Kommunen in Niedersachsen - Rekordzuweisungen für die kommunale Ebene! 1,9 Milliarden Euro zur Unterstützung der niedersächsischen Wirtschaft mit konjunkturellen

Impulswirkungen und Förderprogrammen - Rekordförderung!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich könnte noch mehr Zahlen aus diesem zweiten Nachtragshaushalt auflisten. Eines kann man deutlich sagen: Ja, das ist ein Rekordhaushalt. Man kann es auch anders ausdrücken: Wir werden heute einen zweiten Nachtragshaushalt verabschieden, der eine historische Dimension hat. Das sagt man in der Tat nicht so oft.

Noch nie in der Geschichte des Landes Niedersachsen haben wir eine solche Kreditaufnahme planen müssen. Noch nie in der Geschichte des Landes Niedersachsen haben wir ein so umfangreiches Förder- und Investitionsprogramm aufgelegt, und noch nie in der Geschichte des Landes hat unser Haushalt eine so hohe Gesamtsumme gehabt. Aber wir befinden uns auch jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, über einen längeren Zeitraum anhaltend in einer außergewöhnlichen, historisch bisher einmaligen Notsituation.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen und die Gesamtfolgen dieser Corona-Pandemie sind auch heute noch nicht endgültig absehbar. In jedem Fall ist die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass die Pandemie unterschiedliche Dimensionen und unterschiedliche Auswirkungen hat: da ist zum einen die medizinische Bedrohung durch das Virus selbst, da ist zum anderen die Wirtschaftskrise infolge des pandemiebedingten sogenannten exogenen Schocks, da ist ein Verlust der finanziellen Handlungsfähigkeit bei staatlichen, kommunalen und auch vielen gesellschaftlichen Institutionen.

Diese Entwicklungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben auf Bundesebene bereits im Juni dieses Jahres zu weiteren umfangreichen Maßnahmebeschlüssen geführt, um von der Pandemiesituation betroffene Bereiche zu unterstützen und zügig wirksame Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung zu setzen. 130 Milliarden Euro hat allein der Bund auf den Weg gebracht. In Rekordzeit hat die Landesregierung einen an dieses Vorgehen angelehnten Nachtragshaushaltsentwurf

vorgelegt. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowohl des Finanzministeriums als auch aller anderen Ressorts, die in dieser kurzen Zeit diesen umfangreichen Haushalt entworfen und vorgelegt haben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Aber auch die Deckung der durch die Pandemie verursachten Mindereinnahmen, also die geringeren Steuereinnahmen, haben wir zu bewältigen. Wir müssen die finanzielle Handlungsfähigkeit unserer Gemeinden und Landkreise aufrechterhalten, und wir müssen die niedersächsische Wirtschaft flankierend unterstützen. Welches Rekordpaket an Herausforderungen, die alle auch gleichzeitig und parallel wirken!

Daher nicht nur Danke an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ressorts, sondern auch Danke an die Fraktionen hier im Haus, dass sie diese wirklich schnellen und intensiven Beratungen mitgemacht haben. Danke an dieser Stelle, das sei mir auch einmal erlaubt, an die Landtagsverwaltung und auch an die Stenografinnen und Stenografen, die uns immer wieder sofort nach den Ausschusssitzungen die Protokolle zugeleitet haben, damit wir die Beratungen intensiv fortsetzen konnten. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU sowie Zustimmung bei Stefan Wenzel [GRÜNE])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese finanzpolitischen Herausforderungen von historischer Tragweite erfordern in sehr großem Umfang eine Finanzierung durch neue Kredite, die durch diese außergewöhnliche Notsituation auch gerechtfertigt sind. Unsere Verfassung sieht für Situationen von dieser historischen Singularität auch Regeln vor. So können wir nach Artikel 71 trotz Schuldenbremse Kredite aufnehmen. Ja, die veranschlagte Kreditaufnahme von insgesamt

8,788 Milliarden Euro ist gewaltig und wird uns noch über Jahre, sogar Jahrzehnte bei Haushaltsberatungen betreffen.

Das besonders Außergewöhnliche an dieser Notsituation ist, dass die tiefgreifenden Auswirkungen dieser Pandemie in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wirken. Da ist es gut, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir bisher in der Bundesrepublik und auch in Niedersachsen sehr viel über Parteigrenzen hinweg gemeinsam beschlossen und getragen haben, was diese Pandemie anging. Noch beim ersten Nachtragshaushalt hatten wir auch in diesem Haus den Konsens, dass wir uns den Herausforderungen dieser Auswirkungen der Corona-Pandemie mittels zusätzlicher Kreditaufnahme stellen müssen.

Nach den Anträgen der Opposition hört am heutigen Tag leider diese Gemeinsamkeit auf.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Nein, das haben Sie schon vorher beendet, Frau Kollegin!)

So kritisiert die FDP z. B., dass der Haushalt und die dafür vorgesehene Kreditaufnahme viel zu viele Ausgabeermächtigungen vorsehe und wir bestimmte Ausgaben im Rahmen der Corona-Pandemie nicht tätigen dürften.

(Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

So sind im Antrag der FDP u. a. Streichungen in den Bereichen Gebäudesanierung, Flottenerneuerung und Digitalisierung vorgesehen. Ein Beispiel: Sie wollen die Digitalisierung der Straßenbaubehörde streichen, sehr geehrter Herr Birkner und Herr Grascha.