Protokoll der Sitzung vom 10.11.2020

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, nicht alle, die gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen, sind Neonazis und Rechtsextremisten. Einige? Viele? Genau wissen wir es nicht, und das verändert sich ja auch. Aber - und das wird zunehmend zum Problem - sie machen sich immer wieder, ob sie es wollen oder nicht, mit Rechtsextremisten gemein, die mit ihnen Seite an Seite demonstrieren oder sogar vorangehen, um Polizeiblockaden zu durchbrechen. Dafür gibt es zahlreiche Belege. Die Bilder der Reichsflaggen vor dem Reichstag in Berlin sind uns allen noch in Erinnerung.

Ein weiteres unglaubliches Beispiel ist etwa - wir haben es gerade gehört - die für 18.18 Uhr angemeldete und inzwischen wieder abgesagte Demonstration in Braunschweig. Das bedarf keiner weiteren Kommentierung, meine Damen und Herren.

Der Einfluss von Rechtsextremisten auf die Szene und die Demonstrationen gegen die CoronaMaßnahmen kann nicht wegdiskutiert werden, und er darf nicht unterschätzt werden.

Gleichzeitig sehen wir: Die Bewegung der CoronaLeugner radikalisiert sich auch von innen heraus, und zwar auch ohne Einfluss von rechts. Alle Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie werden als vermeintlich diktatorisch bezeichnet, und zwar aus zahlreichen unterschiedlichen politischen und ideologischen Richtungen dieser Bewegung. Allein die Tatsache aber, dass wir in einem Land leben, in dem Menschen jedes Wochenende frei demonstrieren können, einem Land, in dem die Gerichte eine strenge Kontrolle des Regierungshandelns vornehmen und dabei auch Verordnungen der Exekutive teilweise aufheben, zeigt übrigens, wie absurd diese Vorwürfe sind.

Was heißt das, meine Damen und Herren, nun alles für Niedersachsen? Wir sehen uns sehr genau an, wer zum Umfeld dieser Gruppierung gehört, und wir beobachten weiter sehr genau, wie dynamisch sich die Radikalisierung innerhalb dieser Szene vollzieht. Wir werden weiterhin mit dem notwendigen Augenmaß, aber - das sage ich sehr deutlich - auch mit der entsprechenden Entschlossenheit vorgehen. Wir können - das bleibt so - dabei über jede Maßnahme diskutieren. Ja, das sollen und das müssen wir sogar. Aber das Verleugnen, meine Damen und Herren, kann und wird in letzter Konsequenz dazu führen, dass andere Menschen in ihrer Gesundheit massiv gefährdet werden und im schlimmsten Fall sterben.

Wer so etwas tut, meine Damen und Herren, der denkt nicht quer - der denkt viel zu kurz, der denkt gar nicht oder mit einer ganz anderen Zielrichtung. Weltweit sind mittlerweile mehr als 1 Million Menschen an Corona gestorben. Und noch sehr viel mehr Menschen müssen mit den teilweise massiven körperlichen und seelischen Folgen dieser Krankheit leben. Über 50 Millionen Menschen haben sich angesteckt.

Dass wir in Deutschland noch besser dastehen als viele andere, liegt auch daran, dass wir richtige Maßnahmen getroffen haben - meistens mit Augenmaß - und auch als Gesellschaft weitgehend solidarisch sind. Wir werden deshalb weiter sehr aufmerksam und entschlossen im Sinne unserer solidarischen Gemeinschaft, im Sinne unserer Gemeinschaft handeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius.

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich die Aktuelle Stunde der SPD-Fraktion schließen kann.

Ich eröffne die Besprechung zu

b) Kein Applaus für 60-Stunden-Woche! Pflegepolitik in Niedersachsen ohne Plan - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/7865

Die Aktuelle Stunde wird von der Kollegin Frau Janssen-Kucz eingebracht.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte, liebe Kollegin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese rot-schwarze Landesregierung ist einmal angetreten, die Situation in der Pflege deutlich zu verbessern und für eine qualitativ hochwertige Versorgung in allen Bereichen zu sorgen.

Ich kann nur feststellen: Papier ist geduldig. Bei den Pflegekräften, bei den zu Pflegenden, bei den Bewohnerinnen und Bewohnern in Einrichtungen ist keine Verbesserung feststellbar. Nein, das Gegenteil ist der Fall. Die Lage wird jeden Tag angespannter. Die Pflege ist am Limit - das war seit

Längerem absehbar -, auch ohne COVID-19-Pandemie.

Ich frage: Wieso ist Arbeits- und Gesundheitsschutz für Pflegekräfte in Niedersachsen eigentlich keine Selbstverständlichkeit? - Fakt ist: Hier wird laufend über Wertschätzung geredet, über mehr Anerkennung, bessere Entlohnung und Entlastung der Pflegefachkräfte. Laufend! Aber bis heute gibt es keinen Plan, um die angespannte kritische Lage zu verbessern.

Meine Damen und Herren, es muss jetzt in einem Kraftakt gehandelt werden. Wir alle haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten im Gesundheitswesen, den Patientinnen und Patienten, den Bewohnerinnen und Bewohnern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, schon jetzt werden die Krankenstände größer. Schon jetzt muss Entlastung für das Personal im Gesundheitswesen her - keine weiteren Belastungen. Die aktuelle, angespannte Lage werden viele Pflegekräfte nicht mehr lange durchhalten. Sprechen Sie mit ihnen! Noch weniger können sie noch mehr Mehrarbeit leisten. Und: Je mehr Pflegekräfte ausfallen, desto größer wird das Personalproblem.

Ich kann Ihnen nur sagen: Jeder, der erneut die Arbeitsbedingungen im Bereich der Pflege und Betreuung verschärft, trägt Verantwortung, wenn Pflegekräfte erkranken und arbeitsunfähig werden. In meinen Augen ist es auch ein Hohn, dann auf eine neue Flexibilität hinzuweisen. Das verändert nichts an der desolaten Personalsituation in der Pflege.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich stelle hier fest: Diese rot-grüne Landesregierung hat die COVID-19Atempause im Sommer regelrecht verschlafen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Rot- Schwarz! - Heiterkeit)

- Rot-Schwarz, danke.

Jetzt steht sie blank da. Den hohen Preis zahlen die Pflegekräfte, die Beschäftigten im Gesundheitswesen, die auf unsere Unterstützung angewiesen sind. Doch statt den Arbeitsschutz außer Kraft zu setzen, müssen jetzt die Arbeitsbedingungen radikal verbessert werden,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

und zusätzliches Personal muss an den Start. Ansonsten besteht doch die Gefahr, dass wir die Kontrolle in der Pandemie verlieren. Ich frage: Wieso wurden die Pflegekräfte bisher nicht von einem Teil der administrativen Verwaltungstätigkeiten entlastet?

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!)

Wieso werden Versorgungsdienstleistungen nicht einfach delegiert? Weshalb stellen wir keine Hilfskräfte dafür ein?

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Wir sind der Meinung: Wir brauchen einen zusätzlichen Stellenpool des Landes

(Beifall bei den GRÜNEN)

für das gesamte Gesundheitswesen. Anstelle immer mehr Millionen für die Rettung von Flughäfen bereitzustellen, muss es endlich ein Landeshilfsprogramm mit finanzierten Stellen für das gesamte Gesundheitswesen geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Anstatt dass wieder über eventuelle Mehrwertsteuerreduzierungen diskutiert wird, muss die steuerfreie Höchstverdienstgrenze für einen begrenzten Zeitraum angehoben werden. Die Studentinnen und Studenten stehen doch zur Verfügung. Sie sind bereit, uns und die Pflege zu unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich frage mich auch: Was ist mit den Freiwilligenregistern? Was ist mit dem Freiwilligenregister der Pflegekammer, der Ärztekammer? Wo bleiben die Qualifizierungen, wo bleiben die Nachschulungen?

Aber mit Ihrer Erhöhung der Pflegearbeitszeit auf 60 Wochenstunden schrecken Sie mögliche Freiwillige noch zusätzlich ab.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dazu kommt, meine Damen und Herren, dass die ausländischen Fachkräfte weiterhin auf die Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse warten.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Wir brauchen sie dringend. Zeitgleich wird versucht - mit zweifelhaftem Erfolg -, Fachkräfte im Ausland anzuwerben.

Ebenso frage ich mich, wieso bei vielen gut integrierten und engagierten Migrantinnen und Migranten, die in der Ausbildung in der Pflege sind, die im

Gesundheitsbereich tätig sind, nicht endlich die Abschiebung gestoppt und für ein Bleiberecht gesorgt wird. Das ist notwendig!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, es gibt Instrumente. Die hätten Sie in der Atempause im Sommer auf den Weg bringen können.