Wie Frau Joumaah zu Recht gesagt hat, greift das Land mit zusätzlichen Mitteln unterstützend ein. Wenn das Land mit zusätzlichen Mitteln eingreift, dann hat es durchaus Möglichkeiten, zu verhindern, dass sich Kommunen aus der Finanzierung zurückziehen. Das Land schießt ja nicht zusätzliche Mittel hinein, damit sich die Kommunen zurückziehen können, sondern damit die personelle und finanzielle Ausstattung der Frauenhäuser besser wird. Ich würde mir wünschen, dass die Ausschüttung von Landesmitteln an die Bedingung geknüpft wird, dass die Kommune gegenfinanziert. Es sollte keine Leistung ohne Gegenfinanzierung geben. Die Kommune sollte nicht mehr die Möglichkeit haben, sich aus der Finanzierung dieser Aufgabe herauszuziehen.
Wenn sich Frauen entscheiden, ins Frauenhaus zu gehen, oder wenn die Polizei versucht, Frauen im Frauenhaus unterzubringen, dann sind wir als Politik - egal ob auf kommunaler oder auf Landesebene - einfach gefordert. Wir müssen relativ schnell agieren und den Frauen, die diesen Schritt tun wollen, die Möglichkeit geben, aus der gewaltgeprägten Situation herauszukommen. Es darf nicht vorkommen, dass die Polizei sagen muss: Wir haben zwölf Frauenhäuser angerufen und keinen Platz gefunden. Wir können den Kerl nicht aus der Wohnung kriegen, und wir wissen genau, dass er eine halbe Stunde später wieder die Tür eintritt. - Das finde ich unwürdig. Dass es so etwas gibt, hat mich wirklich schockiert. Das dürfen wir nicht zulassen.
Es ist einfach keine freiwillige Leistung. Wir haben auch ständig bei der Jugendhilfe das Problem, dass manche Kommunen so tun, als sei das eine freiwillige Leistung. Es ist keine freiwillige Leistung, sondern die Kommunen müssen sich darum kümmern, Frauenhäuser oder Plätze - wie Frau Joumaah es schon angesprochen hat - bereitzustellen.
Zum System der Fluchtwohnungen: Ich glaube, in Hamburg sind damals schon welche angemietet worden, sodass man Möglichkeiten hat. Da gibt es
eine Notrufnummer, bei der man sich meldet, sodass man sofort mit seinen Kindern aus seiner Wohnung raus und in eine Fluchtwohnung hinein kann. Auch das Ampelsystem ist, finde ich, eine spannende Idee. Aber da muss man gucken, dass die Aktualität stimmt. Der Abgleich der ganzen Daten scheint dabei nicht immer so einfach zu sein.
Dennoch finde ich es wichtig, dass wir uns kümmern und dass wir jetzt unsere Stimme erheben. Ich glaube, dass wir alle im Interesse der Frauen wirklich an einem Strang ziehen sollten, damit wir eine Lösung bereitstellen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Nun hat das Wort für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Dr. Wernstedt. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gewalt gegen Frauen, Kinder und Männer ist eine Wunde in einer jeden Gesellschaft, in der diese vorkommt. Und ich befürchte, das kommt in jeder Gesellschaft auf diesem Erdball vor.
Gewalt gegen Frauen, aber auch sexuelle Übergriffigkeit und andere Phänomene sind Ausdruck von Machtverhältnissen innerhalb einer Gesellschaft, innerhalb von Arbeitsstätten und Hierarchien und auch innerhalb von Familien. Deswegen ist es falsch, das eine gegen das andere auszuspielen, weil dem dasselbe Phänomen zugrunde liegt. Ob es um eine #MeToo-Debatte oder um körperliche oder seelische Gewalt geht: Alles dies ist Ausdruck von Machtverhältnissen.
Wir haben in Deutschland seit mehr als 40 Jahren eine sehr unterschiedliche Entwicklung, Frauen, Kindern und manchmal auch Männern in diesen bedrängten Situationen Schutz gewähren zu können. Es hat in den 70er-Jahren eine sogenannte autonome Frauenbewegung gegeben, die gesagt hat: Wir leben in so schlimmen patriarchalen Verhältnissen, wir müssen uns unabhängig davon aufstellen und für unsere eigenen Belange sorgen. - Alle diese Projekte sind am Ende staatlich finanziert worden. Das ist auch richtig. Es gibt inzwi
schen auch andere Träger, die solche Wohnungen und solche Häuser bereithalten, und die Kommunen sind im Wesentlichen dafür zuständig. Das heißt, wir haben ein ganz heterogenes Feld von Hilfeeinrichtungen und an einigen Stellen mehr Plätze und anderen Stellen weniger Plätze.
Was uns in diesen Jahren Probleme bereitet, ist der zu dichte Wohnungsmarkt für preiswerte Wohnungen, sodass die Frauen mit ihren Kindern, wenn sie denn aus den Frauenhäusern wieder heraus möchten, keine Wohnungen finden und deswegen länger als notwendig Plätze belegen. Das heißt, wenn wir an der Stelle gute Politik machen wollen, müssen wir den Wohnungsmarkt entzerren. Wir sind dabei, aber man kann das nicht allein mit dem Fokus auf die Frauenpolitik lösen.
Die gesicherte Finanzierung der Plätze in den Frauenhäusern ist eine lange Diskussion in Deutschland. Es gibt auch auf Bundesebene schon lange die Forderung, dass die Finanzierung auch für Frauen gesichert werden muss, die nicht im Transferleistungssystem stecken. Auch das ist nicht neu, und auch das muss auf Bundesebene angegangen werden.
Erfreulicherweise gilt jetzt die Istanbul-Konvention in Deutschland und damit auch in Niedersachsen. Damit sind Mindeststandards für die Unterbringung von durch Gewalt bedrohte Frauen festgeschrieben. Das hat dazu geführt, dass Niedersachsen neben vier anderen Bundesländern ein Modellprojekt vorantreibt, das genauer analysiert, wo in Niedersachsen wir welche Bedarfe für bedrängte Frauen haben. Niedersachsen ist dabei, diese Analyse zu erstellen. Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung darüber gleich noch genauer berichten wird. Das heißt also, wir sind dabei.
Es ist richtig, dass sich Deutschland und Niedersachsen durch die Anerkennung der IstanbulKonvention diesen Mindeststandards verschreiben. Wir müssen jetzt gucken, dass wir das für jede Kommune vernünftig anpassen. Die Ideen, die gerade schon ausgebreitet worden sind, über Schutzwohnungen, in denen sofort 24 Stunden am Tag Schutz gewährt werden kann, über eine landesweite Koordinationsstelle oder ein Ampelsystem oder beides und auch der Rechtsanspruch sollten geprüft werden.
Wir werden das im Ausschuss debattieren, und wir werden sehen, dass wir uns tatkräftig dafür einsetzen, dass im Haushalt auch Mittel bereitgestellt werden. Aber ich denke, ehe wir fordern, müssen wir gucken, wo es sinnvoll ist und wo wir das be
Vielen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Byl das Wort. Bitte, Frau Kollegin!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mehr als 2 600-mal haben Frauenhäuser in Niedersachsen allein in diesem Jahr Frauen abweisen müssen. Das haben Recherchen des NDR gezeigt. Das Sozialministerium zweifelt an dieser Zahl. Entscheidender Fakt ist hier aber doch, dass nicht alle Frauen, die im letzten Jahr akut von Gewalt bedroht waren, die Hilfe bekommen haben, die sie gebraucht hätten. Das, meine Damen und Herren, ist absolut nicht hinnehmbar!
Für die betroffenen Frauen ist es ein herber Rückschlag, wenn sie nach den teilweise jahrelangen Gewalterfahrungen endlich den Mut finden, Hilfe zu suchen, aber keine finden können. Auch für die Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern ist es eine enorme Belastung, diese Frauen abzuweisen und damit weiterer Gewalt aussetzen zu müssen.
Ein weiterer Rückschlag für all diese Frauen muss - ehrlich gesagt - die Reaktion der Landesregierung gewesen sein. Denn diese zweifelt die Ergebnisse an, verweist auf unterschiedliche Auslastungen und darauf, dass es ja nicht immer sinnvoll ist, ein Frauenhaus in Wohnortnähe aufzusuchen. All das, anstatt den Frauen ihre Unterstützung zu zeigen und sich um eine kurzfristige Lösung zu bemühen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht zuletzt ein Ergebnis der rot-grünen Vorgängerregierung, die die Förderung mit jedem einzelnen Haushalt weiter erhöht hat, dass wir mittlerweile ein besser ausgebautes Netz an Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern haben. Was uns jedoch auch bei diesem Thema wieder einholt, ist die angespannte
Lage auf dem Wohnungsmarkt. Denn Ursache fehlender Plätze in den Frauenhäusern ist hauptsächlich das Problem vieler Frauen, im Anschluss eine bezahlbare Wohnung zu finden. Sie müssen daher oft über die Dauer der eigentlichen Krisensituation hinaus in den Frauenhäusern bleiben.
Über das Thema Wohnungsbau wurde schon in der letzten Plenarsitzung ausführlich diskutiert. Tatsache ist, dass Maßnahmen, die zur Schaffung von Wohnraum ergriffen werden, Zeit brauchen, um zu wirken. Diese Zeit haben viele Frauen aber eben nicht. Wir haben deshalb in unserem Änderungsantrag zum Nachtragshaushalt 1 Million Euro für Schutzwohnungen gefordert, ähnlich wie es sie bereits in NRW gibt und wie es auch hier schon angeklungen ist. Das wäre eine kurzfristige Maßnahme.
In NRW sind die Schutzwohnungen den Beratungsstellen zugeordnet, damit diese die Frauen im Krisenfall schnell und unbürokratisch unterbringen können. Auch eine Hotline oder eine Onlinedatenbank, wie wir sie in dem Beitrag des NDR sehen konnten und in der freie Plätze in Frauenhäusern tagesaktuell angezeigt werden, sind auf jeden Fall eine gute Idee. Das könnte die Situation in Niedersachsen kurzfristig verbessern.
Darüber hinaus ist es aber nötig, grundsätzlich über die Finanzierung von Frauenhäusern zu sprechen. Die Frauenhäuser selbst fordern schon seit Jahren mehr Verbindlichkeit und eine bundeseinheitliche Finanzierung. Meine Kolleginnen und Kollegen in der Grünen-Bundestagsfraktion machen sich seit gefühlt einer Ewigkeit dafür stark, aber die Bundesregierung agiert immer noch nicht.
Eine Möglichkeit für mehr Verbindlichkeit wäre auch der von Sozialministerin Reimann ins Gespräch gebrachte Rechtsanspruch. Hier muss ich sagen: Ich wäre der Ministerin ausgesprochen dankbar, wenn sie diese Forderung auch in ihrer Funktion als Mitglied der Landesregierung und nicht nur, wie sie gesagt hat, als Privatperson Carola Reimann mit Nachdruck verfolgen würde.
Der Rechtsanspruch ist eine alte Forderung der Verbände. Er würde Bund, Länder und Kommunen nicht nur dazu verpflichten, ausreichend Plätze in Frauenhäusern vorzuhalten und damit im Übrigen, wie schon gesagt, die Vorgaben der nun geltenden Istanbul-Konvention zu erfüllen, sondern er würde,
ähnlich wie beim Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, auch dazu führen, dass sich alle Beteiligten auf eine verbindliche Finanzierung einigen müssten.
Dabei muss aber auf jeden Fall eines sichergestellt werden: dass alle Frauen weiterhin Zugang zu Frauenhäusern haben. Denn Hilfe in Not darf nicht vom Aufenthaltsstatus, der Herkunft oder einer Behinderung abhängen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Probleme der Frauenhäuser sind bekannt. Die Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch. Jetzt ist es an der Landesregierung, sie umzusetzen und sich auch auf Bundesebene für die Frauenhäuser starkzumachen. Den barrierefreien Ausbau voranzutreiben, wie Sie es mit Ihrem Nachtragshaushalt beschlossen haben, ist sicherlich nicht falsch. Aber allein eine Rampe am Eingang nützt keiner Frau, wenn es drinnen kein freies Zimmer mehr für sie gibt.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Landesregierung hat nun Herr Innenminister Boris Pistorius das Wort, in Vertretung von Frau Sozialministerin Reimann, der ich im Namen des ganzen Hauses von hier aus gute Besserung wünsche.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch von meiner Seite die herzlichsten Genesungswünsche an die Kollegin Reimann!
Die Vertretungsregelung innerhalb der Landesregierung hat manchmal auch einen tieferen Sinn. Dass ich als Innenminister zu diesem Thema sprechen darf, finde ich sehr angemessen; denn das Thema Gewalt gegen Frauen beschäftigt auch die Kolleginnen und Kollegen der Polizei im tagtäglichen Einsatz. Was dort passiert und dort los ist, erleben wir täglich.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein schwerwiegendes Problem - bundesweit und auch hier in Niedersachsen. Jährlich suchen in den 41 niedersächsischen Frauenhäusern im Durchschnitt