Protokoll der Sitzung vom 17.09.2010

Also lassen Sie die Zwischenfrage nicht zu?

Herr Witzel, ich habe das so schön abzublocken versucht. Aber machen Sie einfach.

(Allgemeine Heiterkeit)

Bitte schön, Herr Kollege.

Ihre Gutherzigkeit so kurz vorm Wochenende ist gar nicht zu überbieten.

Es ist ja immer wichtig, dass man sich auch mit den Argumenten des Gegenübers auseinandersetzt. Ich habe deshalb in verschiedene Internetblogs geschaut und will Ihnen dazu eine Frage stellen. Ist es zutreffend, dass Ihnen ein Beitrag zugeordnet wird, in dem Sie jüngst schrieben: Ich weiß, dass das Vorgehen beim Staatsvertrag nicht nachvollziehbar ist, deshalb haben wir auch in den letzten Wochen verschiedene interne Debatten geführt. Die Lage ist aber nun, wie sie ist, und wir kommen nicht umhin, diese Schwarz-Gelbe Altlast zunächst mitzutragen, dann aber sofort in den Evaluationsprozess einzusteigen.

Ist es zutreffend, dass das Ihre Haltung zu diesem Thema ist?

Sie haben mich am Beginn nach meinem Verständnis gefragt.

(Dietmar Brockes [FDP]: Antwort!)

Soweit ich richtig zugehört habe, haben Sie mich nicht hundertprozentig korrekt zitiert. Aber es ist natürlich tatsächlich so: Wir haben es mit einer schwarz-gelben Altlast zu tun.

(Beifall von Ministerin Barbara Steffens)

Wir müssen an dieser Stelle in einen Dialog und in einen Beratungsprozess einsteigen.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie beschließen doch jetzt!)

Das ist doch völlig klar. Deswegen machen wir ja den Prozess, wie ich ihn eben skizziert habe.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD)

Das passt gerade ganz gut – Sie haben sich anscheinend hervorragend in mein Redemanuskript eingearbeitet –: Es ist nämlich wichtig, an dieser Stelle nach vorne zu diskutieren,

(Dietmar Brockes [FDP]: Wir haben noch ein paar Altlasten! Stimmen Sie denen dann auch zu?)

wie sich NRW digital aufstellen will. Diese Diskussion kann aber nur fruchtbar sein, wenn wir konkrete Maßnahmen aus ihr ableiten, wenn wir uns eben nicht auf Kaffeekränzchen beschränken, sondern anstehende netzpolitische Fragen zügig angehen,

debattieren, beantworten und auch konkrete Maßnahmen daraus ableiten.

Das gilt zum Beispiel für die Frage: Wie schaffen wir es, alle ins Internet mitzunehmen? Die Ministerpräsidentin hat am Mittwoch die Breitbandoffensive angesprochen. Aber es geht eben nicht nur um die Infrastruktur, sondern diese Frage gilt es auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht zu lösen; denn das Internet darf nicht bestimmten sozialen Schichten oder Altersgruppen vorbehalten sein. In diesen Zusammenhang gehört auch das Stichwort „Netzneutralität“.

Wir kommen auch zu der Frage: Wie gestalten wir Politik mit dem Internet? Wir haben uns als Koalition zum Beispiel an allem interessiert gezeigt, was Richtung „Open Data“ geht. Das ist im Moment eine ganz spannende Diskussion, bietet mehr Transparenz und eine Chance für unsere Demokratie.

Schließlich stellt sich die Frage: Wie können wir Menschen, die im digitalen Bereich Schutz brauchen, diesen Schutz auch tatsächlich geben? Der zentrale Schlüssel für Jugend-, aber durchaus auch für digitalen Verbraucherschutz ist eben die Vermittlung von Medienkompetenz. Das hat die Ministerin in ihrem Beitrag eben angesprochen. Wir wollen das verstärkt, engagiert in allen Bildungsbereichen vorantreiben.

Jetzt kommt das, was bei Koalitionsfraktionen am Ende immer kommt,

(Kai Abruszat [FDP]: Die Einladung!)

nämlich die Einladung. Wir haben uns viel vorgenommen. Es wird kein Kaffeekränzchen, sondern reichlich Arbeit. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn wir die heutige konstruktive Debatte aufnehmen würden und wenn Sie alle daran mitwirken würden, NRW digital für die Zukunft aufzustellen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Witzel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich meinem Vorredner von den Grünen für die Ermöglichung des Dialogs danken. Ich möchte mich revanchieren und Ihnen anbieten, dass Sie mich selbstverständlich jederzeit gerne auch umgekehrt alles fragen können. Wenn man von seiner Politik überzeugt ist, dann hat man auch keine Probleme damit, präzise Auskünfte zu ihr zu geben und Nachfragen zu beantworten. Das ist ein kleiner Hinweis an unsere Landesregierung für die zukünftige Handhabung.

Zum heutigen Thema, dem Staatsvertrag: Uns als FDP-Landtagsfraktion ist es sehr wichtig, festzustellen, dass das, was unsere Ministerpräsidentin an Transparenz und Ehrlichkeit gegenüber Bürgern eingefordert hat, auch so gemeint ist. Das heißt im Klartext: Eine ausführliche Anhörung, bei der Pro und Kontra zur Sprache kommen, muss ergebnisoffen sein. Wir wissen heute noch nicht, wie wir mit den Ergebnissen dieser Anhörung nach der politischen Bewertung verfahren werden.

Ich will das für meine Fraktion ganz ausdrücklich sagen: Es ist richtig, dass der JugendmedienschutzStaatsvertrag, von dem bekannt ist, dass er in einzelnen Komponenten durchaus kritisch gesehen wird, dem Parlament nach der Landtagswahl geschäftsführend von der Landesregierung zugeleitet worden ist. Wir nehmen für uns in Anspruch, weil wir als Fraktion noch keine inhaltliche Bewertung dieses Staatsvertrags vorgenommen haben, dass wir für alle Argumente ansprechbar sind. Uns liegt aber sehr wohl an der Offenheit der Anhörung.

Es ist jedoch keine ehrliche Politik, wenn heute schon Redner der Koalitionsfraktionen sagen: Na ja, klar ist, dass wir dem ohnehin zustimmen werden. Aber vielleicht machen wir noch einen Entschließungsantrag, in den wir schreiben, dass wir es eigentlich für falsch halten, dem zuzustimmen. – Das ist keine ehrliche Politik. Ich möchte Sie schon bitten, hier Farbe zu bekennen.

(Beifall von der FDP und von der CDU)

Sie haben im Vorfeld der Landtagswahl Aussagen getätigt, die auch in Ihren Landtagswahlprogrammen nachlesbar sind. Sie haben Anforderungen an die digitale Welt und zu der Frage formuliert, wie man mit Persönlichkeitsrechten umgeht und wie Bürgerrerechte in der Internetgesellschaft zu bewerten sind. Ich unterstelle, dass das für Sie in all den Punkten, bei denen zwischen SPD und Grünen ausweislich Ihrer Wahlprogramme keine Divergenz in den Aussagen besteht, Handlungslinie sein wird.

Weil Sie immer so nett und freundlich zur Zusammenarbeit einladen: Wir werden uns gerne über die Fragen unterhalten wollen, wie die Schutzrechte des Einzelnen in der Multimediagesellschaft wahrzunehmen sind, welche Anforderungen es gibt, welche Rechte der Staat hat, welche Rechte er aber auch nicht hat, um persönliche Freiheitsrechte zu wahren. Wir sind selbstverständlich bereit, basierend auf einer Anhörung, die wir als offene Dialogplattform sehr begrüßen, uns mit allen Fraktionen auch über diese Fragen zu unterhalten.

Aber dann seien Sie den Menschen in NordrheinWestfalen gegenüber ehrlich und sagen Sie nicht: Beschlossen ist der sowieso schon. – Das ist er ausdrücklich noch nicht. Sie haben es zusammen mit uns, dem Parlament, das wir in seiner Arbeit stärken wollen, in der Hand, was wir aus dieser Vorlage machen. Wir wollen keine Alibiveranstal

tung und keine nebulöse Auflösung, zum Beispiel einen Entschließungsantrag, in den man die eigentliche Meinung schreibt. Leider hat dann die linke Hand anders abgestimmt als die rechte, die den Antrag geschrieben hat. Das ist kein ehrliches, transparentes Verfahren, das auch den Anforderungen genügt, die unsere Ministerpräsidentin für die zukünftige Regierungsarbeit formuliert hat.

Zur Sache selbst! Die FDP hat sich in allen Debatten um Netzsperren immer sehr klar eingebracht. Unsere klare Priorisierung liegt auf der freien Kommunikation im Internet. Wir sehen Aspekte der Zensur außerordentlich kritisch. Da sind Verhältnismäßigkeiten aus unserer Sicht sehr gründlich gegeneinander abzuwägen.

Insofern muss man sich auch die Geschichte des heutigen Diskussionsthemas anschauen. Wir müssen zu einer vernünftigen, verhältnismäßigen Abwägung kommen. Der Jugendschutz hat eine sehr große Bedeutung. Die Eingriffsnormen, die Eingriffsschwelle und die Eingriffsinstrumente müssen sehr wohl bedacht sein. Selbstverständlich haben Minderjährige es verdient, vor all den Dingen geschützt zu werden, die die neuen Dienste in Bezug auf Gewaltverherrlichung und Pornografie im Internet ermöglichen. Aber es gibt sehr wohl auch kritische Abgrenzungsfragen beim Verhältnis eines freien Bürgers zu seinem Staat, wo man gucken muss, dass es hier nicht zu einem Dammbruch kommt. Daher müssen wir die weitere Entwicklung sehr sorgsam im Blick behalten.

Da gilt für uns das nötige Vorsichtsprinzip. Vorsicht heißt: Man beschließt nicht erst etwas, wogegen man große Bedenken hat, um dann ein paar Jahre danach mal zu evaluieren, ob sich Bedenken bestätigt haben. Vielmehr muss der Weg so aussehen, dass man sich vor der Inkraftsetzung von Normen Gedanken über deren tatsächliche Wirkung macht.

Wir als FDP-Landtagsfraktion haben diese Verhältnismäßigkeitsabwägung, diese Güteabwägung für uns noch nicht entschieden. Deshalb stehen wir den Ergebnissen der Anhörung in beiden Richtungen offen gegenüber. Ich würde mich freuen, wenn alle Fraktionen dieses Hauses mit einer solch mentalen Offenheit in die vor uns stehende Anhörung gehen würden. Ich glaube, das wäre im Interesse der Sache und bei diesem wichtigen Zukunftsthema eine gute Botschaft für heute.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Linke-Fraktion spricht Kollege Sagel.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit will ich es relativ kurz machen; vieles zum Thema ist von den Kolleginnen und Kollegen bereits richtigerweise gesagt worden.

Unsere Informationsgesellschaft bedarf in der Tat gewisser Regeln. Uns geht es natürlich insbesondere um die informelle Freiheit. Informationsfreiheit und Jugendschutz in Einklang zu bringen, das ist sicherlich einer der wesentlichen Aspekte einer Anhörung, die hier offensichtlich im Konsens beschlossen wird.

Medienkompetenz bedeutet sicherlich nicht Spiele. Interessant ist in dem Zusammenhang die neueste Shell Jugendstudie, die aufzeigt, was Jugendliche und Kinder interessiert. Bekanntermaßen – das geht aus der Shell Jugendstudie hervor – beschäftigen sich gerade Kinder aus ärmeren Schichten mehr mit Spielen, während Kinder aus bürgerlichen Schichten eher surfen und kommunizieren. Schon das macht deutlich, welche Fragen zu stellen sind.

Die Linke begrüßt natürlich, dass auch die Oppositionsparteien von CDU und FDP den großen Dialog offensichtlich ernst meinen und dass hoffentlich nicht nur das, was wir heute Morgen hier gehört haben, die Politik der nächsten Zeit bestimmen soll. Wir begrüßen es, wenn Toleranz durch Dialog entsteht und wir in der Debatte über diese Problematik zu vernünftigen Lösungen auch für NordrheinWestfalen kommen. Wie gesagt, an uns wird das sicherlich nicht scheitern. Wir haben bestimmte Aspekte formuliert, die wir auch einbringen, und hoffen, dass wir eine für alle Beteiligten positive Lösung finden. – Danke schön.

(Beifall von der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags der Landesregierung Drucksache 15/17 auf Zustimmung zu einem Staatsvertrag an den Haupt- und Medienausschuss. Wer stimmt dem zu? – Stimmt jemand dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag einstimmig überwiesen.

Damit sind wir am Ende der Debatte und der heutigen Sitzung.

Die nächste Sitzung findet statt am Mittwoch, dem 29. September 2010, 10 Uhr.