Protokoll der Sitzung vom 12.05.2016

Ich möchte jetzt gerne auf das eigentliche Thema dieser Aktuellen Stunde zurückkommen, nämlich auf die Frage: Wie begegnen wir möglichst wirkungsvoll der Zunahme von Gewalt gegenüber Polizeibeamten?

Zuerst einmal müssen wir definieren, über welche Gewalt wir eigentlich reden. Wir reden nämlich weniger über die strafbewehrte Gewalt. Diese Zahlen sind leider auf hohem Niveau relativ konstant. Wir als Land Nordrhein-Westfalen haben, wie ich finde, eine der besten Studien in der Bundesrepublik aufgelegt, an der sich 40 % der Beamtinnen und Beamten beteiligt haben. Es war übrigens nur in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und den Personalräten möglich, eine solch breite Beteiligungsform zu finden.

Und wir haben festgestellt: Nicht die strafbewehrte Form von Gewalt, also das Schubsen und Schlagen, ist ein Problem, sondern die Zunahme von Bedrängen, Respektlosigkeit, Beleidigen, Spucken wird von den Beamtinnen und Beamten als Gewalt empfunden.

Wir haben aus dieser Studie fünf Themenfelder entwickelt. Wir haben 25 Handlungsempfehlungen entwickelt, die abgearbeitet sind, insbesondere was die Betreuung der Beamtinnen und Beamten angeht, die Fürsorge, die Aus- und Fortbildung, die Einsatznachbereitung, die Belastungen.

Die Ausstattung für die Polizeibeamten wird permanent aktualisiert, beispielsweise mit persönlicher Unterziehweste, Pfefferspray, neuen Dienstwaffen, Einsatzschutzhelmen und Einsatzmehrzweckstöcken, für die Bereitschaftspolizei mit verbesserten Einsatzanzügen, Körperschutzausstattung, Reizstoffsprühgerät RSG 4 und neuen Überziehwesten.

Herr Golland, das ist eine Liste des Handelns und keine sinnfreie Symbolpolitik, wie Sie sie betreiben wollen.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, zum Schluss noch einmal eine Aufforderung: Wir helfen unseren Beamtinnen und Beamten nicht mit parteipolitischem Kleinklein, auch nicht mit weißer Salbe, mit angeblichen Strafverschärfungen, die, wie die Vergangenheit gezeigt hat, nichts bewirken – im Gegenteil: die Zahlen steigen noch an –,

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

sondern tatsächlich nur mit praktischem Handeln, mit Eingehen auf die Bedürfnisse dieser Beamtinnen und Beamten, mit bestmöglicher Ausstattung, bestmöglicher Fortbildung – und ansonsten dadurch, dass wir als Multiplikatoren dieser Gesellschaft mit unserer eigenen Haltung klarmachen: Für uns ist Respekt ein hohes Gut.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Werner Lohn.

Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich kurz auf den Minister eingehen. Sie versuchen hier, mit wohlklingen Worten den Eindruck zu erwecken, als hätten Sie die Lage im Griff. Das Gegenteil ist der Fall. Und weil das Gegenteil der Fall ist, hat der Kollege Stotko, wie ich finde, in einer erbärmlichen Art und Weise und mit niveaulosen Beleidigungen versucht, davon abzulenken, dass Sie hier versagt haben.

(Beifall von der CDU)

SPD und Grüne sowie die Landesregierung in der Person von Minister Jäger handeln immer erst dann, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Dabei werden Sie von Gewerkschaften, von Polizeiexperten, aber auch von den Parteien der Opposition

schon seit langen Jahren gewarnt – vor dieser Entwicklung.

Bereits 2014 waren die Gewaltzahlen gegen unsere Polizistinnen und Polizisten alarmierend. Reaktion von SPD und Grünen sowie Minister Jäger: gleich null! Sie berufen sich auf das Gutachten, das Sie in Auftrag gegeben haben. Das Gutachten war richtig und wichtig; daran haben sich 40 % der Polizisten beteiligt. Nur, welche Konsequenzen haben Sie daraus abgeleitet? – Keine!

(Minister Ralf Jäger: Das habe ich Ihnen ge- rade vorgelesen!)

Ja, Sie haben Gummiknüppel oder Schlagstöcke angeschafft. Das ist eine große Geschichte.

(Minister Ralf Jäger: Das habe ich nicht vorge- lesen!)

Die CDU-Landtagsfraktion und auch die CDULandespartei haben bereits im Frühjahr 2015 als Reaktion auf die alarmierenden Zahlen eine Initiative gestartet: „Respekt & Anerkennung für unsere Polizei – Keine Gewalt gegen unsere Polizei!“

Ich werde Ihnen gleich als Erinnerung – damit Sie die Woche des Respektes nicht vergessen, die Sie jetzt für November angekündigt haben, eine Kelle überreichen,

(Werner Lohn [CDU] hält eine Kelle mit dem Aufdruck „Respekt & Anerkennung für unsere Polizei“ hoch.)

auf der steht, dass man Respekt und Anerkennung erarbeiten und nicht nur ankündigen muss.

(Beifall von der CDU – Minister Ralf Jäger: Das sollten Sie sich an den Spiegel heften!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, eine Selbstverständlichkeit für alle Parteien hier muss sein, dass wir dieser ausufernden Gewalt entschlossen gegenübertreten.

An der Stelle mein ausdrücklicher Dank an die Polizistinnen und Polizisten, die trotz dieser Bedrohung von Gewalt jeden Tag für uns den Kopf hinhalten und einen Dienst leisten, den sie mit hohem Engagement und meistens auch mit Erfolg angehen.

(Beifall von der CDU)

Kein Rechtsstaat kann es sich allerdings gefallen lassen, dass diejenigen, die den Rechtsstaat beschützen wollen, selbst tausendfach Opfer von Gewalt werden; denn diese Gewalt gegenüber den Polizistinnen und Polizisten, aber auch gegenüber den Einsatzkräften ist Ausdruck einer perfiden Verachtung unseres Rechtsstaates. Und für diejenigen, die unseren Rechtsstaat durch Uniform repräsentieren, ist das fatal; denn sie halten den Kopf hin für ein System, das sie unterstützen müssen im Prinzip als „Ersatzpersonen“. Gemeint ist der Staat, gemeint ist die

Politik; es ist nicht die Person des Polizisten oder des Rettungssanitäters gemeint. Von daher ist hier die Fürsorge des Dienstherrn besonders gefordert.

Ich bin der Meinung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen einen Dreiklang bei der Begrenzung und Bekämpfung von Gewalt gegen Polizisten. Wir brauchen den Dreiklang von Ausbildung, Schutz und Zähnezeigen.

Unsere Forderungen zum besseren Schutz sind reichlich thematisiert worden. Sie haben heute angekündigt, Sie wollten einen Modellversuch in fünf Kreispolizeibehörden starten. Das ist der richtige Schritt in die richtige Richtung, allerdings viel zu spät – das hätten Sie schon vor zwei Jahren haben können, wenn Sie unseren Vorschlägen gefolgt wären –, und er geht nicht weit genug.

(Beifall von der CDU)

Zum Thema „Ausbildung“: Die Ausbildung für die Polizei in Nordrhein-Westfalen findet auf hohem Niveau statt. Es gibt Einsatztrainings, bei denen man Selbstverteidigung lernt, bei denen man aber auch Deeskalationstechniken beigebracht bekommt.

Nur, bei der Form von eskalierender Gewalt, die wir jetzt beklagen müssen, ist die Grenze der Deeskalation erreicht. Es hilft nichts, wenn Sie auf einen Besoffenen einreden, der nichts kapiert, der nichts im Kopf hat und nur Gewalt anwenden will. Da muss der Staat Zähne zeigen. Von der Warte aus haben Sie die Sache nie betrachtet.

(Beifall von der CDU)

In die richtige Richtung geht da ein Urteil des Amtsgerichts Köln von – ich glaube – gestern. Da wird ein Gewalttäter verurteilt, der bei den Hogesa-Krawallen am Kölner Hauptbahnhof im Herbst 2014 einen Polizisten mit einer Stahlstange und Glasflaschen beworfen hat. Der Polizist wurde schwer verletzt, er war teilweise bewusstlos. Die Freiheitsstrafe beträgt – diese deutliche Freiheitsstrafe begrüße ich ausdrücklich –: drei Jahre und neun Monate.

Das sind Zahlen, die wirken auch in diese Gewalttäterszene hinein. Von daher ist die Forderung der CDU, Angriffe auf Polizei stärker unter Strafe zu stellen, der richtige Ansatz.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Lukas Lamla [PIRATEN])

Wie hat Minister Jäger damals nach diesen HogesaKrawallen am Hauptbahnhof reagiert? Sie erinnern sich alle an das Bild des umgekippten Streifenwagens, als Gewalttäter mit Selfies posierten. Am nächsten Morgen hat Herr Jäger, unser Innenminister, im WDR gesagt, das Polizeikonzept sei hundertprozentig aufgegangen, das sei ein polizeilicher Erfolg gewesen.

Ich sage Ihnen, Herr Jäger: Das war erbärmlich. 49 Polizisten sind verletzt worden, teilweise schwer verletzt worden, mussten im Krankenhaus behandelt werden. Und Sie stellen sich dahin und sagen: „Das war ein voller Erfolg!“? – Das ist das Gegenteil von dem, was man von einem Minister erwartet.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege Lohn, Ihre Redezeit ist beendet.

Ja, ich komme jetzt auch zum Ende. – Herr Jäger möchte Zähne zeigen. Was Sie hier zeigen wollen, Herr Jäger, das sind aber bestenfalls die dritten Zähne. Erstens haben Sie nichts getan, haben alles verharmlost, zweitens haben Sie unsere Vorschläge abgelehnt, und jetzt machen Sie halbherzig das nach, was Bayerns Innenminister Herrmann bereits vorgestern angekündigt hat. – Danke schön.

(Beifall von der CDU – Werner Lohn [CDU] überreicht Minister Ralf Jäger eine Kelle mit dem Aufdruck „Respekt & Anerkennung für unsere Polizei“. – Minister Ralf Jäger: Ich fange jetzt schon an, Sie zu vermissen, Herr Lohn!)

Vielen Dank, Herr Kollege Lohn. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bialas.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eines muss man doch mal festhalten: Sie sagen, Sie hätten hier massenweise angeboten. In der Tat: Sie haben frühzeitig gesagt, Sie wollten Bodycams. Und das Zweite war: Sie haben Jahr für Jahr den Antrag vorgelegt, dass die Mindeststrafe geschärft wird. Ich weiß das ja. Aber ich darf Sie darauf hinweisen, dass das ein Bundesgesetz ist. Und seit 2005 stellen Sie im Bund die Kanzlerin. Es ist nicht so, dass das Parlament, das dort beschließen könnte, völlig leergefegt sei, was Abgeordnete der CDU anbelangt. Ich fände es zwar gut, aber es ist ja nicht so.

(Zurufe von der CDU)

Dann zu sagen, die Länder müssten das machen, ist eine seltsame Auffassung.

Ich schildere Ihnen mal einen ganz normalen Morgen als Polizist. Ich habe mich mal um ca. 7 Uhr morgens früh auf dem Weg zum Brötchenholen befunden, habe schon Uniform getragen. Da kam mir eine Frau entgegen, die ziemlich betrunken war.

Herr Präsident, ich darf mich schon mal entschuldigen, aber ich zitiere wörtlich, es waren wirklich nicht