Herr Kollege Laschet, es liegt eine weitere Frage des Kollegen Marsching vor. Würden Sie die zulassen?
Das ist nett, Herr Kollege Laschet, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Dann kann ich auf die Kurzintervention verzichten.
Habe ich das jetzt gerade richtig verstanden? Vielleicht können Sie das richtigstellen. So wie Sie es gerade formuliert haben, haben Sie quasi gesagt, jeder Türke, der sich in Deutschland nicht einbürgern lassen will, tut das, weil er AKP-Anhänger ist.
Das hat der Kollege Laschet gerade gesagt. Stehen Sie zu dem, was Sie gerade gesagt haben, die Türken, die sich nicht einbürgern lassen, tun das aus Türkeiliebe, tun das aus Liebe zu Erdogan?
Ich habe gesagt, allen denen, die Erdogan-Anhänger sind, die bestens organisiert sind – ich habe das an Beispielen aus unserem Land Nordrhein-Westfalen benannt –, die häufig eben nicht deutsche Staatsbürger sind, sondern die türkische Staatsbürgerschaft behalten haben und deshalb da auch wählen können, helfen Sie in dieser neuen Phase, in der wir nur eine 2,5-%-Klausel haben, was wir früher nicht hatten, und in der sie besser organisiert sind als früher. Dieser Gruppe helfen Sie in die Stadträte. Sie polarisieren die Politik in jedem einzelnen Stadtrat in Nordrhein-Westfalen.
Wir haben das Prinzip seit Jahren durchgehalten, Sie seit 1989 Ihr Prinzip. Über die FDP haben Sie eben gesprochen. Das muss ich nicht bewerten. Wir haben schon von Beginn dieser Diskussion an das Prinzip: Rechte und Pflichten gehören zusammen. Einbürgerung ist unser Ziel. Wer nicht eingebürgert wird, kann auch nicht mitbestimmen, wer in unseren Städten den Oberbürgermeister und die Mehrheit stellt. Daran halten wir fest. Dabei bleibt es.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren seit 30 Jahren über das kommunale Wahlrecht, aber so eine Diskussion habe ich noch nie erlebt, mit Unterstellungen dieses Wahlrecht für alle Migrantinnen, die 10 % der Bevölkerung ausmachen, auf die Türkei zu reduzieren. Das ist fahrlässig.
Erstens. Wahlrecht ist ein wichtiges politisches Recht, weil es den Zugang zu politischer Partizipation für die Menschen ermöglicht.
Zu Ihrer zweiten Unterstellung, Herr Laschet, zu den Einbürgerungen: Sie tun so, als ob die Einbürgerung hier geschenkt würde und alle nicht wollen, weil sie
ihre Staatsangehörigkeit behalten wollen. Das stimmt nicht. Empirische Untersuchungen zeigen: Das größte Hindernis bei der Einbürgerung ist die Verhinderung der doppelten Staatsangehörigkeit.
Sehr viele Menschen haben zum Teil persönliche und zum Teil eventuell auch politische Gründe, warum sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht annehmen. Aber alle AKP-Wählerinnen und -Wähler auszuschließen, die bewusst nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, ist nicht richtig. Sie kennen die UETD. Die UETD ist die Kaderorganisation der AKP in der Bundesrepublik. Fast 80 % von ihnen haben eine deutsche Staatsangehörigkeit.
Wir müssen diesen Antrag einbringen, weil die CDUFraktion und die FDP-Fraktion seit Jahren, auch als es die AKP hier nicht einmal gab, dieses Wahlrecht ideologisch verhindert haben.
Jetzt versuchen Sie natürlich, mit tagespolitischen Ereignissen zwanghaft irgendeinen Grund zu erzeugen, warum Sie das kommunale Wahlrecht ablehnen müssen. Es ist unfair, es ist unlauter, mit diesem Thema so umzugehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mit ein paar Zahlen empirisch belegen, warum die Einführung des kommunalen Wahlrechts richtig ist, damit man die Diskussion ein bisschen versachlichen kann.
Die Einführung des Wahlrechts für dauerhaft hier lebende Migrantinnen und Migranten ist ein sichtbares Bekenntnis zur Einbeziehung der Gleichbehandlung von Menschen mit Migrationshintergrund, die seit Jahren hier leben, arbeiten und Steuern zahlen.
Die Einführung des Wahlrechts fördert die politische Partizipation. Erfahrungen und Ergebnisse aller empirischen Untersuchungen zeigen in Europa: Die Beteiligung an kommunalem Wahlrecht sollte man nicht beschränken, weil sie weitere politische Aktivitäten entwickelt, in politischen Parteien, in Gewerkschaften Mitglied zu werden. So gesehen ist diese Unterstellung nicht richtig, dass man da nur die Konservativen oder AKP-Anhänger hat.
Damals, 1986, hat in der Geschichte der EU der marokkanische König versucht, Einfluss auf Wahlen in den Niederlanden zu nehmen. Das ist gescheitert.
Seitdem haben wir in Europa keine Einmischung von anderen Staaten in Kommunalwahlen gesehen. Diese Unterstellung verbietet sich, weil die Migranten keine homogene Masse sind. Sie sind sehr heterogen.
Herr Laschet, schauen Sie sich einmal die Wahlergebnisse der letzten Wahlen in der Türkei an. Wir haben 3 Millionen Menschen aus der Türkei. Davon haben ungefähr eineinhalb Millionen das Wahlrecht. Die Wahlbeteiligung war ungefähr 40 %, und die AKP hatte 243.000 Stimmen bekommen.
Das heißt, wenn man umrechnet: Eine kleine Prozentzahl der Menschen aus der Türkei haben die AKP gewählt. Aber wir haben in der Öffentlichkeit den Eindruck: Alle Menschen aus der Türkei seien AKP-Anhänger. Entweder erkennen Sie die Realität nicht, oder Sie wollen die Opposition, die hier arbeitet, nicht sehen. Das ist nicht gerecht.
Wir haben hier Integrationsräte. Da dürfen alle Migrantinnen und Migranten wählen. Wir haben nach dem Betriebsverfassungsgesetz seit Jahren in Betriebsräten Wahlrecht für diese Menschen. Bis jetzt habe ich eigentlich sowohl bei den Integrationsräten als auch bei den Betriebsräten keine AKP-Anhänger in dem Sinne gesehen.
Das ist auch eine Unterstellung. Es gibt einzelne Leute, aber wir können das Wahlrecht nicht vom Wahlverhalten einzelner Menschen abhängig machen. Das ist ein Menschenrecht. Das müssen wir diesen Menschen geben.
Wenn Demokratie so verstanden wird, hätte ich auch ein paar Vorschläge, wie wir in der Bundesrepublik mit dem Wahlrecht umgehen könnten. Aber Demokratie ist schwierig. Wahlrecht ist Menschenrecht. Das können wir davon nicht abhängig machen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Landtagsfraktion lehnt den Gesetzentwurf erstens aus verfassungsrechtlichen Bedenken ab. Die Wahlrechtsgrundsätze sind in unserer Verfassung geregelt. Die Hürde zu ihrer Änderung liegt hoch, und zwar zu Recht. Denn die Wahlrechtsgrundsätze und die Akzeptanz der repräsentativen Demokratie sind für ein friedliches Zusammenleben der staatlichen Gemeinschaft entscheidend.
Wir haben es Ihnen im Hauptausschuss in diesem Hause über lange Zeit während der Beratungen immer wieder gesagt: Der Landtag kann nicht ohne Änderung des Grundgesetzes das beschließen, was Sie hier beabsichtigen.